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Umsatz-/VorsteuerJStG 2024 reformiert Vorsteuerabzug ab 2028: Vorsicht vor allem bei der Ist-Besteuerung

Abo-Inhalt02.12.20247 Min. Lesedauer

| Bislang kommt es für den Vorsteuerabzug nicht darauf an, ob der Unternehmer, der die Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, die Soll- oder Ist-Besteuerung anwendet. Das ändert sich ab 2028 grundlegend. Denn ab da wird für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterschieden, ob der leistende Unternehmer die Soll- oder die Ist-Besteuerung anwendet und ob es sich um eine Anzahlungsrechnung handelt. |

Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs (bis 2027)

Als Unternehmer können Sie die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für Ihr Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt allerdings voraus, dass Sie im Besitz einer Rechnung sind, die nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellt worden ist. Damit gilt der Grundsatz: Ein Vorsteuerabzug steht Ihnen nur dann zu, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht wurde und Sie darüber eine Rechnung erhalten haben. Der Zeitpunkt der Rechnungsbezahlung ist unerheblich.

Von diesem Grundsatz gibt es eine Ausnahme: Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine von Ihnen geleistete Zahlung vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung entfällt, ist dieser Steuerbetrag infolge der Zahlung bereits dann abziehbar, wenn Ihnen die ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Was das konkret bedeutet, zeigen die Beispiele 1 und 2:

Beispiel 1

Unternehmer A hat von Unternehmer B am 15.11.2024 Ware bestellt. Die Lieferung erfolgte am 20.11.2024 und es wurde eine ordnungsgemäße Rechnung beigefügt. Unternehmer A bezahlt die Rechnung am 02.12.2024.
Lösung: Unternehmer A kann den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag bereits am 20.11.2024 – also in der Umsatzsteuervoranmeldung für November – als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern. Das liegt daran, dass die Lieferung am 20.11.2024 ausgeführt wurde und er von da an auch im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist. Dass er die Rechnung erst im nächsten Monat bezahlt, ist für den Vorsteuerabzug im November unerheblich.

Beispiel 2

Unternehmer A hat von Unternehmer B am 15.11.2024 Ware bestellt. Weil eine Bezahlung vor Lieferung vereinbart wurde, stellt B am 18.11.2024 die ordnungsgemäße Rechnung aus. Diese geht bei A am 20.11.2024 ein und wird umgehend bezahlt. Die Warenlieferung erfolgt am 02.12.2024.
Lösung: Grundsätzlich ist der Steuerbetrag erst am 02.12.2024 – also in der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember – als Vorsteuer abzugsfähig. Denn erst dann ist die Lieferung erfolgt und es liegt eine Rechnung vor. Weil aber die Zahlung bereits am 20.11.2024 erfolgt ist und die Rechnung bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegt, ist ein Vorsteuerabzug am 20.11.2024 – also in der Voranmeldung für November – zulässig (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 UStG).

Wichtig | Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist zulässig

  • zu 100 Prozent, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 2 UStG);
  • zu 100 Prozent, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und diese vollständig bezahlt wurde (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 UStG);
  • anteilig in dem Umfang, wie eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und diese anteilig bezahlt wurde (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 UStG).

Elementarer Bestandteil für jede dieser drei Varianten ist also das Vorhandensein einer ordnungsgemäßen Rechnung. Zudem sind die Einschränkungen des § 15 Abs. 1a bis 3 UStG zu beachten. Ob der Unternehmer, der die Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, die Soll- oder Ist-Besteuerung anwendet, hat für den Vorsteuerabzug auf Ebene des Leistungsempfängers keine Bedeutung.

Das EU-Problem am aktuellen Vorsteuersystem

Problematisch ist an dem aktuellen System zum Vorsteuerabzug, dass es nicht der MwStSystRL entspricht. Nach dieser entsteht das Recht des Leistungsempfängers auf Vorsteuerabzug nämlich gleichzeitig mit dem entsprechenden Steueranspruch aus der Leistung gegenüber dem Leistungserbringer. Oder mit anderen Worten: Frühestens, wenn der leistende Unternehmer die Steuer gegenüber dem Finanzamt schuldet, kann der Leistungsempfänger diese auch als Vorsteuer zurückfordern. Entsprechend urteilte auch der EuGH am 10.02.2022 (Rs. C-9/20, Abruf-Nr. 227487).

Beispiel 3

Unternehmer A hat von Unternehmer B am 15.11.2024 Ware bestellt. Die Lieferung erfolgte am 20.11.2024 und es wurde eine ordnungsgemäße Rechnung beigefügt. Unternehmer A bezahlt die Rechnung am 02.12.2024, Unternehmer B wendet die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung an (§ 20 UStG).
Lösung nationales Recht: Unternehmer A kann die in der Rechnung ausgewiesene Steuer bereits am 20.11.2024 als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern, weil die Lieferung erbracht wurde und er im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist.
Lösung EU: Weil Unternehmer B die Ist-Besteuerung anwendet, schuldet dieser die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt erst mit Eingang der Zahlung am 02.12.2024. Entsprechend ist Unternehmer A erst am 02.12.2024 zum Vorsteuerabzug berechtigt – einen Monat später als nach nationalem Recht.

Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs (ab 2028)

§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist im Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024, Abruf-Nr. 243440) jetzt komplett reformiert worden. Allerdings erst mit Wirkung für Rechnungen, die ab dem 01.01.2028 ausgestellt werden, um den Unternehmern genug Zeit zur Umstellung zu gewähren (§ 27 Abs. 41 UStG). Künftig gliedert sich die neue Form des Vorsteuerabzugs in drei unterschiedliche Varianten.

Vorsteuer-Variante 1: Leistender Unternehmer wendet Soll-Versteuerung an

Der neue § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) UStG lautet: „Die Vorsteuer ist abziehbar, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt und die Leistung ausgeführt worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 S. 1 UStG) berechnet.“

Dieser Fall führt zu keiner Änderung gegenüber der bisherigen Regelung. Für den Vorsteuerabzug muss die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden sein und es muss eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegen.

Vorsteuer-Variante 2: Leistender Unternehmer wendet Ist-Versteuerung an

Der neue § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) UStG lautet: „Die Vorsteuer ist abziehbar, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt und soweit eine Zahlung auf eine ausgeführte Leistung geleistet worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) berechnet.

Dieser Fall trägt der Rechtsprechung des EuGH Rechnung. Besteuert der leistende Unternehmer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG), dann ist für ab dem 01.01.2028 ausgestellte Rechnungen für den Vorsteuerabzug Voraussetzung, dass die Rechnung auch bezahlt wird. Ohne Bezahlung gibt es – anders als bisher – für den Leistungsempfänger keinen Vorsteuerabzug.

Beispiel 4

Unternehmer A besteuert nach vereinnahmten Entgelten. Er verkauft am 20.01.2028 Ware an Unternehmer B für 10.000 Euro zzgl. 1.900 Euro Umsatzsteuer. Eine ordnungsgemäße Rechnung fügt er der Lieferung bei. B zahlt die Ware am 05.03.2028.
Lösung Unternehmer A: Aufgrund der Ist-Besteuerung muss er die Umsatzsteuer von 1.900 Euro erst mit der Voranmeldung für März 2028 abführen.
Lösung Unternehmer B: Nach bisheriger Gesetzeslage hätte B den Vorsteuerabzug bereits in der Voranmeldung für Januar 2028 geltend machen können. Weil A aber die Ist-Besteuerung anwendet und B die Rechnung erst im März bezahlt, ist die Vorsteuer erst in der Voranmeldung für März zu berücksichtigen.

Vorsteuer-Variante 3: Anzahlungsrechnung

Der neue § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) UStG lautet: „Die Vorsteuer ist abziehbar, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt und soweit eine Zahlung vor Ausführung der Leistung geleistet wird.“

Auch dieser Anwendungsfall führt zu keiner Änderung gegenüber der bisherigen Regelung. Es handelt sich um die bisher in § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 UStG verankerte Sonderregelung für Anzahlungsrechnungen, die auch ab 2028 noch gilt. Die Steuer, die auf eine Anzahlung entfällt, ist bereits dann als Vorsteuer abzugsfähig, wenn die Zahlung geleistet wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.

Praxistipp | Nach wie vor spielt es für den Vorsteuerabzug in allen drei Varianten keine Rolle, ob der Leistungsempfänger selbst die Soll- oder die Ist-Besteuerung anwendet. Die Form der Besteuerung ist nur auf Ebene des leistenden Unternehmers zu prüfen und hat dann Relevanz für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger.

Die konkrete Umsetzung in der Praxis

Weil die Gesetzesänderung erstmals auf Rechnungen anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2027 ausgestellt werden, bleibt noch einige Zeit, um die Buchhaltungssysteme anzupassen. Künftig wird es für die systemseitig zutreffende zeitliche Erfassung des Vorsteuerabzugs wichtig sein, die von dem leistenden Unternehmer gewählte Besteuerungsform zu kennen. Doch woher sollen Sie das wissen. Bislang können Sie diese für den künftigen Vorsteuerabzug relevante Angabe nur direkt vom leistenden Unternehmer erfragen. Das ist kompliziert und führt zu einem immensen Bürokratieaufwand.

Um diesen Aufwand zu umgehen, ist § 14 Abs. 4 UStG um die Nr. 6a ergänzt worden. Danach gehört es künftig zu den Pflichtangaben einer Rechnung, in der Rechnung darauf hinzuweisen, wenn der leistende Unternehmer den Umsatz nach vereinnahmten Entgelten versteuert, also die Ist-Versteuerung nach § 20 UStG nutzt. Gleiches gilt für Kleinbetragsrechnungen unter 250 Euro (§ 33 Nr. 3a UStDV) und Fahrausweise (§ 34 Abs. 1 Nr. 2a USDV).

Das bedeutet für Sie konkret: Finden Sie auf einer Eingangsrechnung ab dem 01.01.2028 keinen entsprechenden Hinweis auf die Ist-Versteuerung, bleibt für Sie für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs alles wie bisher. Enthält die Eingangsrechnung hingegen einen Hinweis darauf, dass der leistende Unternehmer nach vereinnahmten Entgelten versteuert, ist der ausgewiesene Steuerbetrag erst in der Umsatzsteuervoranmeldung als Vorsteuer abzugsfähig, in dessen Zeitraum Sie die Rechnung bezahlt haben. Dass die Leistung bereits ausgeführt wurde, ist unerheblich.

Praxistipp | Wenden Sie selbst die in § 20 UStG verankerte Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten an? In diesem Fall haben Sie neben dem neu geregelten Vorsteuerabzug zu beachten, dass Sie Ihren Rechnungsvordruck anpassen müssen. Sie müssen ihn nämlich um den Zusatz „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ ergänzen (§ 14 Abs. 4 Nr. 6a UStG). Gleiches gilt, wenn Sie mit einer Kleinbetragsrechnung oder einem Fahrausweis abrechnen (§ 33 Nr. 3a und § 34 Abs. 1 Nr. 2a USDV).

AUSGABE: SSP 12/2024, S. 17 · ID: 50248066

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