Lehrvideo 75
JStG 2024: Die praxisrelevantesten Änderungen im Kurzüberblick
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ImmobilienVermieter: Kann die Stromlieferung mittels PV-Anlage eine eigenständige Hauptleistung sein?
| Normalerweise ist die Vermietung von Immobilien von der Umsatzsteuer befreit. Für den Vermieter ergibt sich deshalb kein Vorsteuerabzug. Das kann zu einem Problem werden, wenn auf der Immobilie eine kostspielige PV-Anlage installiert wurde. Dann stellt sich die Frage: Kann die Strombelieferung des Mieters als eigenständige (umsatzsteuerpflichtige) Hauptleistung angesehen werden, sodass für den Vermieter insoweit ein Vorsteuerabzug besteht? Der BFH hat jüngst die Antwort auf die Frage geliefert. SSP stellt Ihnen die Entscheidung vor und zeigt, wann Sie profitieren können. |
Umsatzsteuerfreie Vermietung und deren Nebenleistungen
Vermieten Sie ein Wohnhaus, sind die Mieteinnahmen gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auf die Kaltmiete und übliche Nebenleistungen, die damit in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Typischerweise sind daher neben den Mieten auch die Lieferung von Wärme, die Versorgung mit (Warm-) Wasser, die Flur- und Treppenreinigung, die Überlassung von Waschmaschinen, die Treppenbeleuchtung sowie die Lieferung von Strom als Nebenleistungen von der Umsatzsteuer befreit (Abschn. 4.12.1 Abs. 5 UStAE).
Die bisherige Finanzamtsauffassung zu in PV-Anlage produziertem Strom
Installieren Sie auf einem steuerfrei vermieteten Objekt eine PV-Anlage und nehmen die Mieter den Strom ab, hat die Finanzverwaltung bislang die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Lieferung des Stroms um eine Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung handelt. Das hat steuerlich folgende Konsequenzen:
- Sie erhalten das Entgelt des Mieters für die Stromlieferung brutto wie netto und müssen keine Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen.
- Sie können aus den Installationskosten für die PV-Anlage insoweit keinen Vorsteuerabzug geltend machen, wie steuerfreie Umsätze getätigt werden (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).... den Vorsteuerabzug ausschließende Nebenleistung
- Ändern sich die Stromnutzungsverhältnisse – z. B. weil ein Mieter den Stromverbrauch erhöht und Sie damit geringere Mengen umsatzsteuerpflichtig ins Stromnetz einspeisen – kann eine Änderung der Verhältnisse für den Vorsteuerabzug nach § 15a UStG eintreten.
Neues vom BFH: Umsatzsteuerpflicht für Stromlieferung ist möglich
Diese Auffassung wird vom BFH nicht mehr geteilt. Nach seiner Ansicht kann die Lieferung von Strom an Mieter unter strengen Voraussetzungen als eigenständige Hauptleistung angesehen werden. Infolge dessen unterliegt die Stromlieferung nicht der Steuerbefreiung und stellt einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang dar. Verzichtet der Vermieter auf die Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 UStG) oder gilt diese aufgrund anderer unternehmerischer Tätigkeiten des Vermieters ohnehin nicht, wird die Umsatzsteuer auch erhoben und der Vermieter ist zum Vorsteuerabzug berechtigt (BFH, Urteil vom 17.07.2024, Az. XI R 8/21, Abruf-Nr. 243963).
Damit liegt der BFH auf einer Linie mit dem EuGH. Der entschied bereits 2015, dass eine Stromlieferung an den Mieter als von der Vermietung getrennte eigenständige Hauptleistung angesehen werden kann (z. B. EuGH, Urteil vom 16.04.2015, Rs. C-42/14, Abruf-Nr. 144863). Voraussetzung für diese „Mieterstrommodelle“ ist allerdings, dass der Mieter die Möglichkeit haben muss, den Stromlieferanten auszuwählen.
Wichtig | Das bedeutet für die Praxis, dass es nicht genügt, mit dem Mieter über den von der PV-Anlage erzeugten und vom Mieter verbrauchten Strom abzurechnen. Es muss ein gesonderter Strombelieferungsvertrag mit dem Mieter geschlossen werden. Aufgrund dieses Vertrags hat der Mieter monatliche Abschläge für den gelieferten Strom zu entrichten und es ist nach einem Belieferungsjahr mit einer Endabrechnung über die tatsächlich gelieferte Strommenge abzurechnen. Das erfordert meistens die Anbringung gesonderter Stromzähler. Zudem gibt der Vertrag dem Mieter die Möglichkeit, den Strombelieferungsvertrag unabhängig vom Mietvertrag zu kündigen und sich am regulären Markt („normale“ Stromlieferanten) mit Strom zu versorgen. Der Mieter hat also eine freie Wahl für den Stromversorger.
Praxistipp | Wird vertraglich festgelegt, dass der Mieter im Falle einer Vertragskündigung etwaige Umbaukosten der Zähler zu tragen hat, ist das für die Beurteilung der Stromlieferung als eigenständige Hauptleistung unbeachtlich. |
Wann können Sie vom BFH-Urteil profitieren?
In der Theorie ist es ganz einfach: Sie vermieten eine Wohnung an einen Mieter, installieren auf dem Dach eine PV-Anlage, schließen mit dem Mieter einen Strombelieferungsvertrag ab und verzichten auf die Kleinunternehmerregelung. Schon unterliegt das Entgelt für die Stromlieferung der Umsatzsteuer, und Sie sind zum Vorsteuerabzug berechtigt.
BFH-Urteil betraf Vorgänge vor „Nullsteuersatz-Regelung“
So einfach, so gut – aber nicht lukrativ. Denn wenn Sie seit 2023 auf dem Dach eines Mietobjekts eine PV-Anlage installieren lassen, beträgt die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer 0 Prozent (§ 12 Abs. 3 UStG). Effektiv erlangen Sie also keinen Vorteil, sondern einen Nachteil: Die Vorsteuer beträgt noch immer 0 Euro, aber nun müssen Sie von den gesonderten Zahlungen des Mieters für den Strom 19/119 Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Das war im BFH-Fall noch anders, weil dort die PV-Anlage zu 19 Prozent geliefert wurde und sich somit ein Vorsteuerabzug ergab.
Die zwei „echten Profitierungs-Fälle“
Profitieren können Sie aber in zwei anderen Fällen:
- 1. Sie haben die PV-Anlage vor dem 01.01.2023 installiert und bereits Ihrem Unternehmensvermögen zugeordnet. In diesem Fall unterlag die Lieferung der PV-Anlage an Sie der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz, aber Sie konnten insoweit, wie Sie den Strom für die umsatzsteuerfreie Lieferung des Stroms an den Mieter nutzten, keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Schließen Sie jedoch nun mit dem Mieter entsprechende Vereinbarungen und behandeln deshalb die Strombelieferung als umsatzsteuerpflichtigen Vorgang, liegt eine Änderung der Verhältnisse nach § 15a Abs. 1 UStG vor. Das bedeutet konkret: Solange der Berichtigungszeitraum von fünf Jahren noch läuft, können Sie Monat für Monat 1/60 der ursprünglich für die Installation der PV-Anlage aufgewandten Umsatzsteuer als Vorsteuer zurückfordern.Die zielführende Gestaltung bei Anlagenerwerb vor 2023
- 2. Sie vermieten die Immobilie an einen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer und installieren auf dem Gebäude eine PV-Anlage mit einer Leistung mit mehr als 30 kWp. In diesem Fall wird Ihnen der Installateur für die PV-Anlage nämlich 19 Prozent Umsatzsteuer berechnen, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG nicht vorliegen. Diese Umsatzsteuer möchten Sie natürlich vom Finanzamt zurückfordern. Weil der mietende Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, können Sie hinsichtlich der Vermietung nicht zur Umsatzsteuer optieren (§ 9 Abs. 1 und 2 UStG). Aber wenn Sie nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung einen gesonderten Strombelieferungsvertrag für den von der PV-Anlage erzeugten und vom Mieter verbrauchten Strom abschließen, können Sie genau diesen Vorgang als umsatzsteuerpflichtig behandeln und so die für die Installation gezahlte Vorsteuer zurückholen.Bei Vermietung an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer ...
... führt der eigen-
ständige Strom-belieferungsvertrag auch zum Ziel |
Exkurs: Ist auch Vorsteuerabzug für neue Heizungsanlage möglich?
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was für die Installation einer neuen Heizungsanlage bzw. Wärmepumpe gilt. Auch hier wird der Vermieter mit hohen potenziell vorsteuerbehafteten Kosten belastet. Kann er nun bzgl. der Wärmeversorgung mit dem Mieter wie bei der Stromversorgung einen eigenständigen Vertrag abschließen mit dem Ergebnis, dass die Wärmeversorgung als eigenständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung anzusehen und der Vermieter deshalb zum Vorsteuerabzug berechtigt ist?
Das funktioniert leider nicht. Denn der BFH sieht bei der Wärmeversorgung einen direkten Zusammenhang zur Vermietung (BFH, Urteil vom 17.12.2023, Az. V R 15/21, Abruf-Nr. 240298). Das liegt daran, dass der Vermieter bereits aus dem Mietvertrag heraus zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung die Versorgung mit Wärme und Wasser schuldet.
AUSGABE: SSP 1/2025, S. 22 · ID: 50201664