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§ 7 EStGErmittlung der tatsächlichen Restnutzungsdauer von Gebäuden auf der Grundlage von Privatgutachten

Abo-Inhalt14.07.202510873 Min. Lesedauer

Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Auch ein privates Sachverständigengutachten kann Grundlage für die Schätzung einer verkürzten tatsächlichen Restnutzungsdauer sein.

Hintergrund

Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG kann anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechende AfA vorgenommen werden. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob der AfA eine die gesetzlich (§ 7 Abs. 4 Satz 1 EStG) vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer i. S. d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Dabei trägt der Steuerpflichtige die Darlegungs- und Feststellungslast für eine kürzere tatsächliche Restnutzungsdauer.

Die Nutzungsdauer ist zu schätzen. Eine solche Schätzung verlangt nach allgemeinen Grundsätzen keine Gewissheit, sondern vielmehr nur größtmögliche Wahrscheinlichkeit. Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten – z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 Satz 1 EStDV), im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.

Da im Rahmen der Schätzung des Steuerpflichtigen nicht Gewissheit über die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden kann, ist sie nur dann zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt.

Die sachverständige Ermittlung der Restnutzungsdauer kann auch gem. § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 (inzwischen § 4 Abs. 3 ImmoWertV 2021, BGBl I 21, 2805) als gutachterlich anerkannte Schätzungsmethode erfolgen, die ohne eine gesetzliche Anordnung für steuerrechtliche Schätzungen nicht ausgeschlossen werden kann.

Zwar genügt es nicht, allein durch eine schlichte Bezugnahme des Steuerpflichtigen auf die modellhaft ermittelte Gesamt- sowie Restnutzungsdauer eines Gebäudes nach Maßgabe der betreffenden Immobilienwertermittlungsverordnung eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer i. S. d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG darzulegen und nachzuweisen. Vielmehr bedarf es für die Schätzung der Nutzungsdauer einer sachverständigen Begutachtung, die sich insbesondere zu den individuellen Gegebenheiten des Objekts (z. B. durchgeführte oder unterlassene Instandsetzungen oder Modernisierungen, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoWertV 2021) verhält. Dabei ist jedoch nicht erforderlich, dass sich ein Sachverständigengutachten zu sämtlichen für die Restnutzungsdauer maßgeblichen Determinanten verhält.

Entscheidung

Im entschiedenen Streitfall kam das FG zu dem Ergebnis, dass für die streitgegenständlichen Immobilien durch die Steuerpflichtige zutreffend die verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer i. S. d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt wurde. Denn es war ihr gelungen, im Rahmen der erforderlichen Schätzung nachzuweisen, dass die von Gesetzes wegen anzunehmende typische Nutzungsdauer in den Streitfällen unzutreffend und eine kürzere Nutzungsdauer mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.

Die von der Steuerpflichtigen zugrunde gelegte kürzere Nutzungsdauer beruht jeweils auf den durch Privatgutachten für die einzelnen streitgegenständlichen Immobilien getroffenen Feststellungen. In den einzelnen Gutachten wurde nach Maßgabe von § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 und Anlage 4 SW-RL (Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen), die analog auch bei der Bewertung von Verwaltungs-, Büro- und Geschäftsgebäuden Anwendung finden kann (vgl. Fn. 1 der Anlage), die Restnutzungsdauer der jeweiligen Gebäude geschätzt, ohne dabei den nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG angemessenen Schätzungsrahmen zu verlassen.

Allein der Umstand, dass der Gutachter anders als in anderen bereits durch die Gerichte entschiedenen Fällen weder über eine gesonderte Zertifizierung verfügt noch öffentlich bestellt oder vereidigt ist, führt nicht dazu, dass seine Ausführungen keine taugliche Schätzungsgrundlage darstellen. Denn das Gesetz selbst verlangt nicht, anders als etwa § 198 BewG, dass der Nachweis durch ein Gutachten eines in bestimmter Weise qualifizierten Sachverständigen erfolgt. Die Revision wurde vom FG ausdrücklich nicht zugelassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung allgemein anerkannter Rechtsprechungsgrundsätze handelte.

Fundstelle
  • FG Hamburg 1.4.25, 3 K 60/23, iww.de/astw, Abruf-Nr. 249036

AUSGABE: AStW 8/2025, S. 567 · ID: 50477498

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