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Engagement im AuslandBetriebsstätte im internationalen Kontext
Es gibt kaum mehr einen Mandanten ohne Geschäftsbeziehungen zu im Ausland ansässigen Unternehmen. In der Beratungspraxis sollten alle Eventualitäten geprüft werden, ob durch das Engagement im Ausland eine Betriebsstätte begründet werden kann. Bei im Ausland ansässigen Mandanten ist im Gegenzug zu prüfen, ob diese durch ihre Aktivitäten in Deutschland beschränkt steuerpflichtig werden könnten. Im Endeffekt geht es darum, zu bestimmen, ob eine Betriebsstätte zu bejahen ist. Zum Vorliegen einer Betriebsstätte sind aktuell vier Urteile ergangen, die in der Beratungspraxis unbedingt beachtet werden sollten. |
Grundsätze zur Betriebsstätte
Ob in Deutschland oder im Ausland eine Betriebsstätte eines Unternehmens unterhalten wird, muss nach den Grundsätzen des nationalen Rechts (§ 12 AO) und wenn vorhanden, nach den Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens (Art. 5 Muster-DBA) bestimmt werden. Grundsätzlich ist eine Betriebsstätte zu bejahen, wenn
- eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt,
- über die der Steuerpflichtige eine ausreichende Verfügungsmacht hat und
- der Tätigkeit des Unternehmens dient.
Liegt ein Doppelbesteuerungsabkommen vor, enthält dieses i. d. R. noch eine Einschränkung. Trotz Vorliegens einer festen Geschäftseinrichtung liegt keine Betriebsstätte vor, wenn in der festen Geschäftseinrichtung lediglich Hilfstätigkeiten erbracht werden.
Folgen bei Vorliegen einer Betriebsstätte
Wird das Vorliegen einer Betriebsstätte bejaht, hat das im Inboundfall (= im Ausland ansässiges Unternehmen hat eine Betriebsstätte in Deutschland) und im Outboundfall (= in Deutschland ansässiges Unternehmen hat eine Betriebsstätte im Ausland) steuerlich folgende Konsequenzen:
- Inboundfall: Für die Gewinne aus der inländischen Betriebsstätte hat nur Deutschland ein Besteuerungsrecht im Rahmen der beschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht.
- Outboundfall: Liegt eine ausländische Betriebsstätte vor, darf nur der ausländische Staat den Betriebsstättengewinn besteuern. Deutschland muss diesen Gewinn von der Besteuerung freistellen.
Bei Betriebsprüfungen des Finanzamts nimmt die Überprüfung von Betriebsstättengewinnen und die Überprüfung für das Vorliegen einer Betriebsstätte in einem Land immer mehr an Bedeutung zu. Wohl auch deshalb musste sich der BFH in mehreren Fällen mit solchen Betriebsstättenfällen auseinandersetzen.
Betriebsstätten-Urteil 1: Auslandsbetriebsstätte zu bejahen?
Im ersten Urteilsfall (BFH 18.12.24, I R 47/21) hatte ein Steuerzahler seinen Wohnsitz in Deutschland und betrieb in der Schweiz ein Taxiunternehmen mit angestellten Taxifahrern. Aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer schweizerischen Taxifunkzentrale hatte er Zugang zu einem Büro in der Schweiz, das er sich mit zwei weiteren Taxiunternehmern teilte. Dieses Büro nutzte er an zwei Tagen in der Woche für geschäftsleitende Tätigkeiten (u. a. Buchhaltung, Überwachung der angestellten Taxifahrer, Finanzkontrolle, Überwachung behördlicher Aufgaben). In dem Büro befand sich zudem ein abschließbarer, mit seinem Namen versehener Standcontainer.
Auffassungen | |
Finanzamt (D) | BFH |
In der Schweiz ist keine feste Geschäftseinrichtung und somit keine Betriebsstätte. Nur Deutschland hat deshalb als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Taxiunternehmen. | In der Schweiz ist die einzige Betriebsstätte. Deshalb steht der Schweiz das alleinige Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Taxiunternehmen zu. |
Begründung
Es ist eine feste Geschäftseinrichtung in den genutzten Büroräumen zu bejahen. Diese hat eine feste Verbindung zur Erdoberfläche, hat eine gewisse zeitliche Dauer (mehr als sechs Monate), der Steuerpflichtige hat eine ausreichende Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten und bei den in dem Schweizer Büro erledigten Arbeiten handelt es sich nicht nur um Hilfstätigkeiten. Auch der abschließbare, mit dem Namen des Steuerpflichtigen versehene Standcontainer ist ein Indiz für eine dauerhafte Verfügungsmacht an den Büroräumen in der Schweiz.
Beachten Sie | Eine andere steuerliche Folge würde sich ergeben, wenn das FA Erkenntnisse hätte, dass der Steuerpflichtige an den verbleibenden fünf Tagen einer Woche an seinem Wohnsitz Aufgaben für sein Taxiunternehmen erbracht hat. Dann läge auch in Deutschland eine Betriebsstätte vor und der Gewinn des Taxiunternehmens müsste aufgeteilt und anteilig in beiden Ländern versteuert werden.
Betriebsstätten-Urteil 2: Dauer der Tätigkeit in der Betriebsstätte?
Im zweiten Urteilsfall (BFH 18.12.24, I R 39/21) gründeten mehrere Personen mit Wohnsitz in Deutschland in Großbritannien eine Personengesellschaft, mieteten sich in Großbritannien für mehr als sechs Monate ein Büro an und handelten mit Edelmetallen. In den ersten vier Monaten waren die Personen nachweislich noch vor Ort im Büro, danach nicht mehr. Nach den Geschäftsunterlagen war die Geschäftstätigkeit auch nicht länger geplant. Die Tätigkeit wurde danach eingestellt.
Auffassungen | |
Finanzamt (D) | BFH |
In Großbritannien ist keine feste Geschäftseinrichtung und somit keine Betriebsstätte. Nur Deutschland hat deshalb als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Handel mit Edelmetallen. | In Großbritannien ist keine Betriebsstätte vorhanden. Somit steht Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Handel mit Edelmetallen zu. |
Begründung
Für das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung und somit für das Vorliegen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte ist Voraussetzung, dass diese für mindestens sechs Monate besteht. Nach Auffassung des BFH bezieht sich die Frist von sechs Monaten nicht nur auf die Dauer der Anmietung eines Büroraums, sondern auch auf die unternehmerische Tätigkeit, die in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Auch wenn das Büro noch beibehalten wurde, um die Personengesellschaft abzuwickeln, ist eine feste Geschäftseinrichtung zu verneinen. Denn die Abwicklungstätigkeiten tragen nach Ansicht des BFH nicht zur Verwurzelung des Unternehmens in Großbritannien bei.
Betriebsstätten-Urteile 3 und 4: Außensteuergesetz ist Einkünftekorrekturvorschrift
Im dritten und vierten Urteilsfall (BFH 18.12.24, I R 49/23, I R 45/22) zur Thematik Betriebsstätte reichte eine in Deutschland beschränkt steuerpflichtige ungarische Gesellschaft mit Geschäftsräumen in Deutschland für ihre Betriebsstättengewinne eine Bilanz ein. In einem Urteilsfall wurden Bauleistungen erbracht, in dem anderen Fleischzerlegarbeiten.
Auffassungen | |
Finanzamt (D) | BFH |
Der Prüfer des FA ignorierte die vorgelegte Steuerbilanz, verwies auf § 32 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) und ermittelte den Gewinn nach der Kostenaufschlagsmethode. Denn die Tätigkeiten waren reine Routinedienstleistungen. Die Änderung des zu besteuernden Gewinns begründete der Prüfer mit § 1 Abs. 5 AStG und eben mit § 32 BsGaV. | Eine Änderung des Gewinns nach § 1 Abs. 5 AStG scheidet aus, weil der Prüfer des Finanzamts nichts dazu vorgebracht hat, dass Verrechnungspreise zwischen dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) in Ungarn und der deutschen Betriebsstätte fehlerhaft waren. |
Begründung
Die Vorschrift in § 1 Abs. 5 AStG stellt eine Einkünftekorrekturvorschrift dar. Das bedeutet: Der Betriebsstättengewinn könnte nur geändert werden, wenn der Prüfer des Finanzamts Anhaltspunkte dafür findet, dass die Verteilung des Gewinns zwischen dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) in Ungarn und der deutschen Betriebsstätte fremdunüblich ist und Deutschland somit ein zu niedriger Betriebsstättengewinn zugeordnet wird. Bei der Ermittlung des Gewinns für die deutsche Betriebsstätte nach der Kostenaufschlagsmethode handelt es sich um eine Gewinnermittlung. Da jedoch in § 4 EStG kein Hinweis auf die Kostenaufschlagsmethode oder ein Verweis auf § 1 Abs. 5 AStG oder auf die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung zu finden ist, ist die Kostenaufschlagsmethode ausgeschlossen. Der Prüfer des Finanzamts muss mit der Bilanz vorliebnehmen und hier fremdübliche Einnahmen oder Ausgaben benennen, wenn er den Betriebsstättengewinn nach § 1 Abs. 5 AStG erhöhen möchte.
Leserservice | Haben Sie spezielle Fragen oder Probleme zu In- oder Outbound-Betriebsstätten? Dann schildern Sie diese Probleme unserer Redaktion. Wir werden versuchen, für Sie und alle anderen betroffenen Leser belastbare Lösungsansätze zu finden. |
- BFH 18.12.24, I R 47/21, iww.de/astw, Abruf-Nr. 247955
- BFH 18.12.24, I R 39/21, Abruf-Nr. 247954
- BFH 18.12.24, I R 49/23, Abruf-Nr. 248006
- BFH 18.12.24, I R 45/22, Abruf-Nr. 248005
AUSGABE: AStW 8/2025, S. 607 · ID: 50477557