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Außergewöhnliche BelastungKünstliche Befruchtung: Wann sind Kosten absetzbar?
| Zum Thema „Wann sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung absetzbar?“ sind in jüngerer Vergangenheit einige Entscheidungen ergangen. SSP fasst sie für Sie zusammen. |
Leihmutterschaft bei gleichgeschlechtlichem Ehepaar
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, die getätigt werden, weil eine Frau unfruchtbar oder ein Mann zeugungsunfähig ist, sind als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen – unabhängig davon, ob die künstlich befruchtete Frau in einer gemischt- oder gleichgeschlechtlichen oder in gar keiner Beziehung lebt.
Das gilt aber nicht, wenn ein gleichgeschlechtliches Ehepaar ein Kind von einer Leihmutter in den USA austragen lässt. Das hat der BFH jetzt geklärt. Er begründet das damit, dass die künstliche Befruchtung in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht stehen muss – und das sei bei einer Leihmutterschaft nicht der Fall. Künstliche Befruchtungen mit der Eizelle einer anderen Frau und ein Leihmutterschaftsverhältnis sind in Deutschland nach dem geltenden Embryonenschutzgesetz nämlich nicht erlaubt. In der Folge sind die Kosten des Ehepaars im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft auch nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 10.08.2023, Az. VI R 29/21, Abruf-Nr. 237665).
Aufwendungen für homologe Befruchtung der gesunden Frau
Sind Aufwendungen für eine homologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation einer in Partnerschaft lebenden empfängnisfähigen Frau, bei deren männlichem Partner krankheitsbedingte chromosomale Zeugungsrisiken bestehen, als außergewöhnliche Belastungen i. S. v. § 33 EStG zu berücksichtigen? Wenn ja, auch die vom Partner (im Rahmen des abgekürzten Zahlungsweges?) gezahlten Aufwendungen? Das FG Niedersachsen meint „ja“ (Urteil vom 14.12.2021, Az. 6 K 20/21, Abruf-Nr. 227652).
Wichtig | Weil das Finanzamt Revision eingelegt hatte, ist das Verfahren jetzt beim BFH anhängig. Es trägt das Az. VI R 2/22.
Auch alleinstehende Frau kann § 33 EStG nutzen
Auch eine unverheiratete Frau, die zu ihrem Beziehungsstatus keine Angaben macht, kann die Kosten für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Das entschied das FG Münster. Das Finanzamt hatte die außergewöhnliche Belastung noch mit dem Argument abgelehnt, die Frau habe nicht nachgewiesen, dass sie in einer (fest gefügten) Partnerschaft lebe.
Es sei aber nicht die Aufgabe des Steuerrechts, durch die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastung die Herbeiführung eines Alleinerziehungsverhältnisses zu fördern. Dem widersprach das FG. Zwar dürfte es sich auf das Kindeswohl positiv auswirken, wenn das Kind von zwei Bezugspersonen in einer gefestigten intakten Beziehung aufwächst, denn dadurch werden Stabilität und Sicherheit für das Kind gewährleistet. Diese Vorteile wiegen in der heutigen Gesellschaft jedoch nicht mehr so schwer, dass sie die Zwangslage einer empfängnisunfähigen unverheirateten Frau entfallen ließen (FG Münster, Urteil vom 24.06.2020, Az. 1 K 3722/18 E, Abruf-Nr. 217202).
Befruchtung unter Verwendung gespendeter Eizellen
Aufwendungen für die künstliche Befruchtung unter Verwendung einer Eizellenspende sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, da ein Abzug bereits aufgrund der Regelungen des deutschen Embryonenschutzgesetzes (ESchG) ausscheidet. Das hat der BFH klargestellt.
Denn nach deutschem Recht ist die künstliche Befruchtung mit Hilfe einer Eizellenspende, d. h. eine künstliche Befruchtung unter Verwendung einer Eizelle, die nicht von der Frau stammt, deren Schwangerschaft mit der künstlichen Befruchtung herbeigeführt werden soll, unzulässig (§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ESchG). Dabei wird nicht danach differenziert, ob es sich um eine „kommerzielle“ Spende handelt oder ob eine Verwandtschaftsbeziehung zwischen der Frau, deren Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, und der Spenderin der Eizelle besteht (BFH, Urteil vom 25.01.2022, Az. VI R 35/19, Abruf-Nr und BFH, Urteil vom 25.01.2022, Az. VI R 34/19, Abruf-Nr. XXX).
BFH zu Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Partner
Aufwendungen einer empfängnisunfähigen Frau für eine heterologe künst- liche Befruchtung führen auch dann zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Das hat der BFH klargestellt. Im konkreten Fall hatte sich eine Partnerin aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit entschlossen, ihren Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung mit Samen eines anonymen Spenders zu verwirklichen. Die Kosten wollte sie als außergewöhnliche Belastung (§ 33 Abs. 1 EStG) geltend machen.
Finanzamt und FG lehnten ab. Anders der BFH (Urteil vom 05.10.2017, Az. VI R 47/15, Abruf-Nr. 198639): Aufwendungen einer empfängnisunfähigen Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation führen als Krankheitskosten zu einer außergewöhnlichen Belastung. Dem steht nicht entgegen, dass die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Eine Sterilitätsbehandlung führt zwar nur zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn sie in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen wird. Das war im konkreten Fall aber gegeben. Außerdem liegt auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren eine Zwangslage vor, um eine Sterilität zu umgehen. Die Kosten sind voll abziehbar.
AUSGABE: SSP 5/2022, S. 20 · ID: 48097662