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TrinkgelderSo ziehen sich Trinkgeldzahler und „-empfänger“ steuerlich optimal aus der Affaire

Abo-Inhalt23.02.2022368 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| In der Gastronomie aber auch in anderen (meist bargeldintensiven) Branchen stehen Trinkgelder auf der Tagesordnung. Doch wann sind sie steuerfrei und wann steuerpflichtig? Wann fallen Umsatzsteuer und Sozialabgaben an? Und wann kann der Trinkgeldgeber seine Zahlungen steuermindernd abziehen? SSP beantwortet nachfolgend alle Fragen. |

Trinkgelder an den Unternehmer – steuerpflichtig

Zunächst die schlechte Nachricht: Wird Ihnen als Unternehmer ein Trinkgeld zugewandt, dann müssen Sie das immer versteuern. Unabhängig davon, ob der Kunde Ihnen das Trinkgeld freiwillig zahlt oder nicht. Sie müssen das Trinkgeld in der Gewinnermittlung aufzeichnen. Es erhöht Ihren Gewinn.

Machen Sie deshalb glaubhafte Aufzeichnungen über erhaltene Trinkgelder. Auch der Finanzverwaltung ist bekannt, in welchen Branchen regelmäßig Trinkgelder gezahlt werden. Buchen Sie lediglich die regulären Preise und beschäftigen Sie kein Personal, ergibt sich automatisch Konfliktpotenzial im Rahmen von Betriebsprüfungen. Die Folge sind meist Hinzuschätzungen von (Trinkgeld-)Erlösen; auch der Tatbestand der Steuerhinterziehung kann erfüllt sein.

Beispiel 1

Taxifahrer Thorben ist selbstständiger Unternehmer. Für eine Fahrt berechnet er einem Kunden 17 Euro. Dieser zahlt freiwillig 20 Euro.

Lösung: Als Betriebseinnahme sind die erhaltenen 20 Euro anzusetzen.

PraxisTIPP | Würde Thorben für sein Taxiunternehmen eine Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH oder UG) gründen und sich selbst als Arbeitnehmer anstellen, könnte das Trinkgeld steuerfrei sein (mehr dazu im nachfolgenden Absatz).

Trinkgelder an die Arbeitnehmer – meistens steuerfrei

Bei Trinkgeldern für Arbeitnehmer sieht die steuerliche Beurteilung etwas anders aus. Das Trinkgeld ist nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei, wenn es

  • dem Arbeitnehmer anlässlich einer Arbeitsleistung,
  • von einem Dritten (nicht vom Arbeitgeber),
  • freiwillig und ohne, dass ein Rechtsanspruch darauf besteht,
  • zusätzlich zu dem Betrag gegeben wird, der für die Arbeitsleistung zu zahlen ist.

Auf die Höhe kommt es nicht an. Die Steuerbefreiung gilt allgemein, es gibt keine Höchstbeträge. Infolgedessen ergeben sich auch keine Sozialabgaben (§ 1 Abs. 1 SvEV). Das Trinkgeld soll dabei die persönliche Beziehung zwischen dem Trinkgeldgeber und dem Arbeitnehmer honorieren.

Unterschiedliche Trinkgeldfälle richtig beurteilen

Damit müssen Sie in der Praxis bei Trinkgeldern für Arbeitnehmer unterscheiden, von wem genau das Trinkgeld stammt. Wird es vom Arbeitgeber (steuerpflichtig) oder direkt vom Kunden (steuerfrei) gezahlt und erfolgte die Zahlung freiwillig? Im Fall des zusätzlichen Trinkgelds von einem Kunden steht der Arbeitnehmer folglich in einer doppelten Leistungsbeziehung. Er erhält für seine Tätigkeit doppeltes Entgelt:

Beispiel 2

Andrea ist in der Gastronomie angestellt. Erhält Sie Trinkgeld, darf sie dieses in voller Höhe behalten. Im Jahr 2020 hat sie insgesamt 3.500 Euro erhalten.

Lösung: Das Trinkgeld wird Andrea anlässlich ihrer erbrachten Arbeitsleistung von Kunden freiwillig und ohne, dass ein Rechtsanspruch darauf besteht, gegeben. Damit ist das Trinkgeld in voller Höhe nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.

Beispiel 3

Celine ist angestellte Friseurin. Alle Angestellten haben untereinander vereinbart, dass Trinkgelder in eine gemeinsame Trinkgeldkasse gelegt werden. Das gesamte Trinkgeldaufkommen teilen sie einmal die Woche untereinander auf bzw. gehen davon Essen.

Lösung: Die Arbeitnehmer erhalten die Trinkgelder direkt von den Kunden, sodass eine persönliche Beziehung besteht. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 51 EStG lässt sich anwenden. Dass die Arbeitnehmer die Trinkgelder zunächst gemeinsam sammeln und im Anschluss untereinander verteilen (Trinkgeld-Pool), ist für die Steuerbefreiung unschädlich. Es handelt sich weiterhin nicht um Gelder des Arbeitgebers (BFH, Urteil vom 18.05.2005, Az. VI B 40/05, Abruf-Nr. 053358).

  • 1. Arbeitslohn vom Arbeitgeber für die erbrachte Arbeitsleistung
  • 2. Trinkgeld vom Kunden als Honorierung für zusätzlich erbrachte Leistungen

Wichtig | Steuerfreie Trinkgelder muss der Arbeitgeber nicht im Lohnkonto des Arbeitnehmers aufzeichnen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 LStDV). Zudem ist es unerheblich, welcher Dritte das Trinkgeld zahlt. Deshalb sind auch Trinkgelder an Postzusteller steuerfrei, obwohl meist der Empfänger und nicht der Absender der Post zahlt. Gleiches gilt bei Pannenhelfern eines Automobilvereins.

In diesen Fällen ist das Trinkgeld steuerpflichtig

Handelt es sich dagegen um Trinkgelder oder Bedienungszuschläge, auf die der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch hat, handelt es sich um Arbeitslohn (R 19.3 Abs. 1 Nr. 5 LStR). Es werden Steuern und Sozialabgaben fällig. Deshalb sind beispielsweise steuerpflichtig:

  • Metergelder im Möbeltransportgewerbe (BFH, Urteil vom 09.03.1965, Az. VI 109/62)
  • Freiwillige Sonderzahlungen an Arbeitnehmer eines konzernverbundenen Unternehmens (BFH, Urteil vom 03.05.2007, Az. VI R 37/05, Abruf-Nr. 072025)
  • Feste Bedienungszuschläge im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe
  • Von Gästen zugewendetes Spielgeld an Stripteasetänzer (FG Hamburg, Urteil vom 20.04.2010, Az. 3 K 58/09)
  • Aus dem Spielbank-Tronc einer Spielbank finanzierte Zahlungen an die Croupiers (BFH, Urteil vom 18.12.2008, Az. VI R 49/06, Abruf-Nr. 090315 und Urteil vom 25.11.2009, Az. VI B 97/09)

Trinkgeld per EC-Zahlung – kann auch steuerbefreit sein

Die Corona-Pandemie hat auch dafür gesorgt, dass in ansonsten vom Bargeldverkehr geprägten Branchen vermehrt mit Karte gezahlt wird. Dabei wird oft auch das Trinkgeld für den Angestellten nicht bar, sondern per Kartenzahlung geleistet.

Das sagen Finanzverwaltung und Rechtsprechung

In der Praxis stellt sich daher die Frage, ob die Steuerbefreiung für Trinkgelder auch bei Kartenzahlungen anzuwenden ist. Die Antwortet lautet: „Ja“. Wird das Trinkgeld vom Kunden wie bisher freiwillig und ohne Rechtspflicht gezahlt, kommt es nicht darauf an, ob es bar oder unbar (Kartenzahlung) entrichtet wird. Denn die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 51 EStG entfällt nicht allein dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung des Trinkgelds eingeschaltet ist (BFH, Urteil vom 18.06.2015, Az. VI R 37/14, Abruf-Nr. 179708).

So handhaben Sie EC-Karten-Trinkgeld in der Praxis

Damit auch per EC-Karte gezahlte Trinkgelder in Betriebsprüfungen unbeanstandet bleiben, empfiehlt SSP wie folgt vorzugehen:

  • Nehmen Sie für das Trinkgeld eine zusätzliche Rechnungsposition auf (mit null Prozent Umsatzsteuer).
  • Rechnet der Arbeitnehmer die Kasse oder sein Kellnerportemonnaie ab, entnimmt er aus dem Bargeldbestand sowohl das bare als auch das unbare Trinkgeld. Die Summe des unbaren Trinkgelds kann er (aufgrund der eingefügten Rechnungsposition) dem Z-Bon entnehmen.
  • Für das unbare Trinkgeld fertigt er einen Beleg, den der Arbeitgeber bei der Kassenabrechnung zur Feststellung der Tageseinnahmen berücksichtigt.

Wichtig | Dieses Procedere ist deshalb vonnöten, weil bei Trinkgeldern, die freiwillig übers EC-Gerät gezahlt werden, Vereinnahmung (Zahlung des Kunden) und Verausgabung (Auskehrung an den Arbeitnehmer) nachprüfbar dokumentiert und aufgezeichnet werden müssen. Bare und unbare Geldbestände dürfen nicht vermischt werden, weil daraus falsche Kassenbestände resultieren würden (daher Fertigung eines Belegs durch den Arbeitnehmer bei barer Entnahme des unbaren Trinkgelds). Die beim Arbeitgeber verbleibende Summe der baren und unbaren Einnahmen muss danach im Saldo den gesamten Rechnungspositionen des Mitarbeiters abzüglich des Trinkgelds entsprechen. Differenzen dürfen nicht auftreten, da lediglich das überschüssige Trinkgeld entnommen wurde.

Beispiel 4

Kellner Klaus hat Barerlöse von 1.500 Euro erzielt. Zudem hat er 50 Euro Trinkgeld erhalten, das er nicht gesondert als Rechnungsposition erfasst hat. Daneben haben bei ihm zwei Kunden mit EC-Karte bezahlt. Kunde 1 hat 75 Euro bezahlt (Rechnungsbetrag 68,80 – Trinkgeld 6,20), Kunde 2 hat 25 Euro bezahlt (Rechnungsbetrag 22,50 – Trinkgeld 2,50). Das unbar erhaltene Trinkgeld hat Klaus als zusätzliche Rechnungsposition im Kassensystem aufgenommen.

Lösung: Der Z-Bon von Klaus weist Einnahmen in Höhe von 1.600 Euro aus, da das bar erhaltene Trinkgeld nicht aufgezeichnet wurde. Aus dem Z-Bon ergibt sich auch die gesamte Höhe des unbaren Trinkgelds (8,70 Euro). Dieses entnimmt Klaus dem Barbestand und fertigt darüber einen Beleg. Zudem entnimmt er das bare Trinkgeld (50 Euro), ohne einen Beleg zu fertigen. Bei seinem Arbeitgeber gibt er folglich Bargeld in Höhe von 1.491,20 Euro ab (1.550 Euro abzgl. Trinkgeld bar 50 Euro und Trinkgeld unbar 8,70 Euro). Zudem erhält der Arbeitgeber die Gutschriften auf seinem Konto in Höhe von insgesamt 100 Euro. Damit sind auch dem Arbeitgeber die zutreffenden Erlöse von 1.591,30 Euro zugeflossen.

Wurde das unbar erhaltene Trinkgeld nicht als gesonderte Rechnungsposition erfasst, ist das Trinkgeld durch einen Abgleich der Gesamterlöse mit den EC-Belegen zu ermitteln. Da die EC-Belege aufgrund des unbaren Trinkgelds einen höheren Betrag als den regulären Rechnungsbetrag ausweisen, handelt es sich bei der Differenz um das Trinkgeld.

Trinkgelder und die Umsatzsteuer

Hier müssen Sie unterscheiden. Sind Trinkgelder bereits im Gesamtpreis enthalten (z. B. der im Gaststättengewerbe übliche Bedienungszuschlag), rechnen diese immer zum umsatzsteuerpflichtigen Entgelt. Dies gilt selbst dann, wenn das Bedienungspersonal den Zuschlag nicht an den Unternehmer abführt, sondern vereinbarungsgemäß als Entlohnung für seine Dienste zurückbehält (BFH, Urteil vom 19.08.1971, Az. V R 74/68). Wird das Trinkgeld vom Leistungsempfänger aber freiwillig gezahlt, kommt es darauf an, wer Empfänger des Trinkgelds ist.

Beispiel 5

Rafael betreibt ein Restaurant. Ein Gast hat Speisen und Getränke im Wert von 110 Euro verzehrt. Enthalten ist ein allgemeiner Bedienungszuschlag von zehn Euro. Der Kunde bezahlt aber nicht nur die 110 Euro, sondern gibt dem bedienenden Mitarbeiter mit den Worten „für Sie“ noch weitere zehn Euro. Nachdem sich Rafael an der Tür von seinem Kunden verabschiedet, wendet dieser ihm nochmals fünf Euro zu und bedankt sich für das tolle Essen.

Lösung: Der Umsatzsteuer unterliegen die vollen 110 Euro für die verzehrten Speisen und Getränke inklusive des Bedienungszuschlags von zehn Euro sowie das dem Unternehmer Rafael zugewandte Trinkgeld in Höhe von fünf Euro. Umsatzsteuerliches Entgelt sind folglich 115 Euro abzgl. Umsatzsteuer (19/119), also 96,64 Euro. Damit beträgt die Umsatzsteuer (19 Prozent) 18,36 Euro. Das dem Mitarbeiter zugewandte Trinkgeld von zehn Euro unterliegt nicht der Umsatzsteuer und ist zudem nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.

  • Wird das Trinkgeld einem Mitarbeiter zugewandt, unterliegt der Vorgang nicht der Umsatzsteuer. Denn es mangelt an einem Leistungsaustausch.
  • Erhält das Trinkgeld der Unternehmer, unterliegt es der Umsatzsteuer. Denn zum umsatzsteuerpflichtigen Entgelt gehört alles, was der Kunde gegenüber dem Unternehmer aufgewandt hat, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der enthaltenen Umsatzsteuer. Damit ist auch das Trinkgeld als freiwillige Zahlung in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn – wie üblich – zwischen Zahlung und erbrachter Leistung eine innere Verknüpfung besteht und das Trinkgeld dem Unternehmer zufließt (Abschn. 10.1 Abs. 5 UStAE).

Die steuerliche Behandlung beim Trinkgeldgeber

Zahlen Sie selbst ein Trinkgeld, können Sie das regelmäßig nicht steuerlich geltend machen. Denn die Hauptleistung (Friseur-, Restaurant-, Taxileistung) ist üblicherweise Ihrem privaten Bereich und damit den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen.

Anders sieht es aus, wenn die Bewirtung betrieblich veranlasst ist (z. B. Bewirtung von Geschäftspartnern) oder die Taxifahrt betrieblichen Hintergrund hat (z. B. zu einem Meeting). Dann lassen sich diese Kosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehen. Zu den Kosten rechnen auch Trinkgelder. Diese müssen Sie dem Finanzamt aber nachweisen.

PRaxistipp | Am einfachsten ist es, wenn das Trinkgeld in der maschinell erstellten Rechnung (z. B. des Restaurantbesuchs) zusätzlich ausgewiesen wird. Da über die Höhe des Trinkgelds jedoch meist erst nach Erhalt der Rechnung entschieden wird, ist das in der Realität oft nicht der Fall. In diesen Fällen müssen Sie das Trinkgeld anderweitig nachweisen. Den Nachweis können Sie am besten dadurch führen, dass Sie sich das Trinkgeld kurz vom Empfänger auf der Rechnung quittieren lassen (BMF, Schreiben vom 30.06.2021, Az. IV C 6 – S 2145/19/10003 :003, Abruf-Nr. 223336). Haben Sie das vergessen, sollten Sie zumindest einen Eigenbeleg über das Trinkgeld erstellen. Er sollte möglichst detailliert sein. Ist das Trinkgeld der Höhe nach üblich, wird es meist anerkannt.

Wichtig | Handelt es sich bei der dem Trinkgeld zugrunde liegenden Hauptleistung um Aufwendungen, die nur beschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, gilt die Beschränkung auch für das Trinkgeld. Bei Bewirtungskosten, die nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG nur zu 70 Prozent abzugsfähig sind, ist deshalb das Trinkgeld ebenfalls nur zu 70 Prozent abzugsfähig.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Neu vom BMF: Diese Angaben muss eine steuerlich abzugsfähige Bewirtungsrechnung enthalten“, SSP 8/2021, Seite 22 → Abruf-Nr. 47494655

AUSGABE: SSP 3/2022, S. 7 · ID: 47579781

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