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KindergeldKindergeld: Wenn volljährige Kinder die Ausbildung krankheitsbedingt ab- oder unterbrechen
| Eltern haben nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn das Ausbildungsverhältnis des Kindes weiter besteht. Daran fehlt es, wenn das Kind während der Ausbildung erkrankt und die Ausbildung durch Abmeldung von der Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird. In einem solchen Fall kommt eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht. Das setzt aber voraus, dass es sich um eine vorübergehende Krankheit handelt. Diese Grundsätze hat der BFH in mehreren Entscheidungen verlautbart, die am 10.02. veröffentlicht worden sind. |
Die kindergeldrechtlichen Grundsätze
Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt gemäß § 32 Abs. 4 EStG ein Kindergeldanspruch u. a. dann in Betracht, wenn
- sie sich in der Berufsausbildung befinden,
- sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemühen oder
- sich wegen einer Behinderung nicht selbst unterhalten können.
Kind befindet sich in Ausbildung
Eine Berücksichtigung als ein in Ausbildung befindliches Kind setzt voraus, dass das Ausbildungsverhältnis weiter besteht. Daran fehlt es, wenn das Kind während der Ausbildung erkrankt und das Ausbildungsverhältnis durch Abmeldung von der Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird (u. a. BFH, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 52/20, Abruf-Nr. 227432).
Kind ist ausbildungsuchend und ausbildungswillig
Im oben geschilderten Fall kommt eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht. Dafür müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
Krankheit darf nicht länger als sechs Monate andauern
Um auf Arbeitsplatzsuche sein zu können, muss die Krankheit vorübergehender Natur sein. Sie darf ihrer Art nach voraussichtlich nicht länger als sechs Monate dauern.
Dabei ist – um den Gleichlauf mit der Feststellung einer Behinderung zu gewährleisten – nicht die (rückblickend) seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend. Zur Beurteilung dieser Frage ist (ggf.) eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen (BFH, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 42/19, Abruf-Nr. 227446).
Kind muss weiterhin ausbildungswillig sein
Außerdem muss nachgewiesen werden, dass das Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist.
Als Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen, in Betracht (A 17.2 Abs. 1 S. 4 Dienstanweisung zum Kindergeld). Denkbar sind auch andere Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind
- während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat;
- sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine Ausbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn, aber doch jedenfalls nach dem Ende der Erkrankung aufzunehmen (BFH, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 42/19, Abruf-Nr. 227446).
Regelmäßig nicht ausreichen wird es, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet.
Berücksichtigung als behindertes Kind
Zur Berücksichtigung als behindertes (statt als ausbildungsuchendes) Kind hat der BFH wie folgt Stellung genommen: Nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG können Eltern für ein Kind Kindergeld erhalten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Der Begriff der Behinderung orientiert sich an § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Damit sind für den Bezug von Kindergeld zwei Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Beeinträchtigung muss länger als sechs Monate andauern
Voraussetzung für die Annahme einer Behinderung ist, dass eine Beeinträchtigung höchst wahrscheinlich länger als sechs Monate andauert. Ist das Ende einer der in § 2 Abs. 1 SGB IX aufgezählten Beeinträchtigungen, die ein Kind daran hindert, sich um eine Berufsausbildung zu bemühen, nicht absehbar, so sind in der Regel die Voraussetzungen einer Behinderung in zeitlicher Hinsicht erfüllt (BFH, Urteil vom 18.02.2021, Az. III R 35/19, Abruf-Nr. 222603).
2. Kind kann nicht selbst für Unterhalt sorgen
Voraussetzung Zwei ist, dass das behinderte Kinder außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das erfordert für den BFH eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel. Es muss festgestellt werden, ob im konkreten Fall ein Unterhaltsbedarf besteht (BFH, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 52/20, Abruf-Nr. 227432).
AUSGABE: SSP 3/2022, S. 12 · ID: 47989572