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BeratungshinweiseVerstößt die Versagung des Rentenzuschlags bei Wohnsitz im EU-Ausland gegen EU-Recht?

Abo-Inhalt14.08.20257982 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

Das BSG will vom EuGH in einem Vorlageverfahren (Art. 267 AEUV) mit einem Fragenkatalog insbesondere wissen, ob es gegen die EU-Niederlassungsfreiheit verstößt, wenn aufgrund des Wohnsitzes im EU-Ausland der Zuschlag zur gesetzlichen Rente an einen Rentenbezieher versagt wird. AStW erklärt, wie sich betroffene Rentenbezieher in Vergleichsfällen verhalten sollten.

Hintergrund

Wer eine gesetzliche Rente bezieht, erhält für die Aufwendungen zur Krankenversicherung in Deutschland einen Zuschuss oder einen Zuschlag zur gesetzlichen Rente. Wer freiwillig oder privat krankenversichert ist, erhält einen Zuschuss. Ist der Rentenbezieher pflichtkrankenversichert, trägt der Rentenversicherungsträger die nach der Rente zu bemessenden Beiträge zur Hälfte.

Praxistipp | Im Jahr 2023 haben die entsprechenden Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) rd. 25,4 Mrd. EUR betragen. Der Zuschuss bei gesetzlich Versicherten beträgt ohne Antrag die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes von 14,6 %, also 7,3 % der Bruttorente. Hinzu kommt die Hälfte des Zusatzbeitrags. Privat krankenversicherte Rentner erhalten auf Antrag einen Zuschuss in Höhe des halben allgemeinen Beitragssatzes (7,3 %) und des halben durchschnittlichen Zusatzbeitrags, max. die Hälfte der Aufwendungen, die der Rentner für seine private Krankenversicherung leistet.

Sachverhalt

Im Ausgangsfall des BSG-Verfahrens bezog der gesetzlich versicherte Rentner eine deutsche Rente und wohnte in den Niederlanden. Dort war er pflichtkrankenversichert. Die Beiträge berechnete die niederländische Krankenversicherung für Teile der Versicherung aber nicht anhand der Höhe der Rente, sondern erhob eine Kopfpauschale. Die Gewährung eines Zuschusses lehnte die DRV ab, weil der Versicherte pflichtkrankenversichert gewesen sei. Einen Zuschlag gewährte sie nur zum Teil mit der Begründung, die Beiträge zur niederländischen Krankenversicherung würden teilweise als Kopfpauschale erhoben. Klage (SG Berlin, 19.12.16, S 17 R 2373/15) und Berufung (LSG Berlin-Brandenburg 22.8.14, L 3 R 221/17, NZS 2025, 316) blieben ohne Erfolg. §§ 106 Abs. 1 SGB VI sowie § 249a SGB V seien weder verfassungsrechtlich noch unionsrechtlich zu beanstanden.

Entscheidung

Im Revisionsverfahren hat das BSG (22.7.25, B 12 R 4/24 R) den Rechtsstreit jetzt ausgesetzt und dem EuGH nach Art. 267 AEUV mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Insbesondere will das BSG vom EuGH wissen, ob es gegen Art. 5 und 7 VO (EU) Nr. 883/2004 (29.4.04, ABl. L 166 30.4.04, S. 1) und die europäische Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) verstößt, wenn dem Bezieher einer gesetzlichen Rente ein Zuschlag zur Rente ganz oder zum Teil mit der Begründung verweigert wird, die an seinem Wohnsitz im EU-Ausland bestehende Pflichtkrankenversicherung berechne ihre Beiträge nicht nach der Höhe der Rente, sondern erhebe eine Kopfpauschale. Bejaht der EuGH im Vorlageverfahren einen Verstoß gegen EU-Recht und die Grundfreiheiten, muss das BSG die Rechtsauffassung seiner Entscheidung zugrunde legen. Die Revision hat dann große Aussicht auf Erfolg.

Beachten Sie | In einem weiteren Verfahren (BSG, B 12 R 1/23 R) hat das BSG unter Hinweis auf die Vorlage an den EuGH das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH angeordnet.

Relevanz für die Praxis

Wie sollten sich Rentner verhalten, die eine gesetzliche Rente beziehen, ihren Wohnsitz aber im EU-Ausland unterhalten und dort Leistungen der sozialen Sicherung beziehen? Es empfiehlt sich in solchen Fällen, die von der DRV noch nicht bestandskräftig beschieden sind, das Verfahren offen zu halten und unter Hinweis auf das beim EuGH anhängige Vorlageverfahren im Verwaltungsverfahren das Ruhen zu beantragen. Im Widerspruchsverfahren gilt hierbei § 62 SGB X. Im Verfahren vor den Sozialgerichten sollte in Vergleichsfällen das Ruhen des Verfahrens nach § 202 Abs. 1 SGG; § 251 ZPO beantragt werden. Das Ruhen des Verfahrens ist ein Sonderfall der Aussetzung des Verfahrens (§ 114 SGG) und wird durch das Gericht angeordnet.

Fundstelle

AUSGABE: AStW 9/2025, S. 644 · ID: 50507572

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