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Steuerliches UpdateRücklage nach § 6b EStG
Im Rahmen der Reinvestitionsrücklage gem. § 6b EStG darf für Gewinne aus dem Verkauf bestimmter Wirtschaftsgüter eine Rücklage gebildet werden. Eigentlich sollte zu dieser Vorschrift alles entschieden sei. Doch aktuell gibt es verschiedene Urteile und mehrere anhängige Verfahren beim BFH zu dieser Thematik, die in der Beratungspraxis unbedingt beachtet werden sollten. |
Urteil 1: Strenge Vorgaben zur sechsjährigen Investitionsfrist
In einem Streitfall beim FG Niedersachsen verkaufte ein Unternehmen ein Gebäude. In Höhe der aufgedeckten stillen Reserven wurde eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet. Innerhalb der nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG vorgeschriebenen vier Jahre wurde nicht reinvestiert. Um zu vermeiden, dass die Rücklage aufzulösen und zusätzlich ein Gewinnzuschlag von 6 % pro Jahr zu versteuern ist, erwarb das Unternehmen im fünften Jahr von einem Bauträger ein neues schlüsselfertig errichtetes Gebäude. Die Anschaffungskosten für dieses neue Gebäude wurden um die Rücklage nach § 6b EStG gemindert. Das Unternehmen berief sich auf § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG, wonach sich die Reinvestitionsfrist bei neu hergestellten Gebäuden von vier auf sechs Jahre verlängert, wenn mit der Herstellung des Gebäudes vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs begonnen wurde.
Entscheidung
Das Finanzamt und das FG Niedersachsen versagten hier die Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre. Das führte zur Auflösung der Rücklage und zur Versteuerung des Gewinnzuschlags von 6 % pro Jahr (FG Niedersachsen 15.8.24, 10 K 255/21).
Die Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG kommt nach Ansicht der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts nur zur Anwendung für „ein vom Steuerpflichtigen selbst hergestelltes neues Gebäude“. Mit anderen Worten: Der Unternehmer muss selbst als Bauherr anzusehen sein. Ob ein Unternehmer als Bauherr anzusehen ist, richtet sich nach den Grundsätzen des Bauherrenerlasses vom 20.10.2003 (IV C 3 – S 2253 a – 48/03). Das setzt voraus, dass das Unternehmen für die Durchführung des Bauvorhabens auf seinem Grundstück typische Risiken zu tragen hat und dass es die Planung und Ausführung der Gebäudeherstellung rechtlich und tatsächlich in der Hand haben muss.
Finanzverwaltung und FG verneinten beim Kauf eines schlüsselfertigen neuen Gebäudes von einem Bauträger jedoch die Bauherreneigenschaft des Unternehmers, weil ein Festpreis vereinbart war und die Gefahr von Kostensteigerungen so beim Bauträger und nicht beim erwerbenden Unternehmen lag.
Verhaltensknigge zur Urteil 1 |
Ist die Vierjahresfrist bereits verstrichen und sollen die Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG und der Gewinnzuschlag vermieden werden, funktioniert das nur, wenn der Unternehmer als Bauherr ein neues Gebäude herstellt. Sollte innerhalb der Sechsjahresfrist ein Neubau von einem Bauträger gekauft worden sein und das Finanzamt versagt die Übertragung der Rücklage auf die Investitionskosten des neuen Gebäudes, empfehlen sich Einspruch und Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens. Denn nun hat der BFH in einem Revisionsverfahren (I R 21/24) das letzte Wort in diesem Streitfall. |
Urteil 2: Höhe des Gewinnzuschlags verfassungswidrig?
Wer nicht fristgemäß reinvestiert, muss neben der Auflösung und Versteuerung der Rücklage nach § 6b EStG auch den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG von 6 % pro Jahr versteuern. Dagegen wandte sich ein Unternehmen. Schließlich hat das BVerfG ab 2019 die Verzinsung von Steuernachzahlungen nach § 233a AO mit 6 % pro Jahr ab dem 15 .Monat auch als verfassungswidrig angesehen.
Entscheidung
Der BFH folgte dieser Auffassung jedoch nicht. Der Gewinnzuschlag mit einem Zinssatz von 6 % ist nicht verfassungswidrig, weil nicht der Zinsvorteil ausgeglichen werden soll. In erster Linie soll damit der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Rücklage nach § 6b EStG entgegengewirkt werden (BFH 20.3.25, VI R 20/23).
Verhaltensknigge zu Urteil 2 |
Soll die Versteuerung des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG vermieden werden, sollte vor Bildung der Rücklage nach § 6b EStG ein Investitionsplan aufgestellt werden. Ist dieser Investitionsplan nur theoretisch erfüllbar, sollte besser keine Rücklage nach § 6b EStG gebildet werden. |
Urteile 3 und 4: Zwangsauflösung einer Rücklage nach § 6b EStG durch Bilanzberichtigung?
In der Praxis stellt sich die Frage, ob durch eine vorgenommene Bilanzberichtigung die Auflösung und Versteuerung der gebildeten Rücklage nach § 6b EStG erforderlich wird. Zu dieser Frage gibt es zwei aktuelle Urteile der Finanzgerichte, leider mit zwei unterschiedlichen Auffassungen.
Urteil 3: Sachverhalt
Im ersten Urteilsfall bildete ein Unternehmen im Jahr 2020 eine Rücklage nach § 6b EStG, die im Rahmen einer Betriebsprüfung anerkannt wurde. In einer Betriebsprüfung für spätere Jahre vertrat die Betriebsprüfung jedoch die Auffassung, dass die Rücklage nach § 6b EStG von Anfang an zu Unrecht gebildet wurde.
Folge: Das Finanzamt löste die Rücklage nach § 6b EStG deshalb im Wege der Bilanzberichtigung gewinnerhöhend auf und besteuerte zudem den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG. Es begründete die Auflösung der Rücklage mit dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs.
Entscheidung
Das FG Düsseldorf teilte diese strenge Auffassung des Finanzamts nicht. Eine zu Unrecht gebildete Rücklage nach § 6b EStG kann, wenn die Steuerfestsetzung für das betreffende Jahr bestandskräftig ist, nicht im Wege einer Bilanzberichtigung aufgelöst werden. Die Auflösung richtet sich einzig und allein nach der Reinvestitionsfrist nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG (FG Düsseldorf 3.5.22, 6 K 3388/16).
Urteil 4: Sachverhalt
Vor dem FG Schleswig-Holstein wurde in einem weiteren Fall entschieden. Eine fehlerhaft gebildete Rücklage nach § 6b EStG muss nach Auffassung der Richter in der ersten noch offenen Bilanz aufgelöst werden. Begründet wird das mit dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs und dem Verbot einer Berichtigung von Bilanzen, die einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde lagen (FG Schleswig-Holstein 10.7.24, 2 K 14/23).
Verhaltensknigge zu Urteilen 3 und 4 |
Zwar ist das Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 10.7.2024 bestandskräftig. Dennoch sollte gegen nachteilige Steuerbescheide in vergleichbaren Fällen Einspruch eingelegt und ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens gestellt werden. Denn zum Urteil des FG Düsseldorf vom 3.5.2022 wurde die Revision beim BFH zugelassen (XI R 27/22). |
AUSGABE: AStW 9/2025, S. 685 · ID: 50499305