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§ 175b AOÄnderung von Steuerbescheiden bei elektronisch übermittelten Daten

Abo-Inhalt14.08.20257986 Min. Lesedauer

Eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO ist auch dann zulässig, wenn die Daten i. S. d. § 93c AO bei Erlass des zu ändernden Ausgangsbescheids noch nicht vorgelegen haben, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt – erstmalig – an die Finanzbehörde übermittelt worden sind. Unerheblich ist, ob der Inhalt der Daten der Finanzbehörde bereits anderweitig bekannt war, etwa aufgrund der Steuererklärung.

Hintergrund

Die Finanzverwaltung ist im steuerlichen Massenverfahren auf die Mitwirkung der verschiedenen mitteilungspflichtigen Stellen, insbesondere auf die zutreffende und pünktliche Datenübermittlung, angewiesen. Der Datensatz der mitteilungspflichtigen Stelle stellt aber keinen (verbindlichen) Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des betroffenen Steuerpflichtigen dar. Die von Dritten mitgeteilten Daten dienen lediglich der Unterstützung der Finanzbehörden bei Ermittlung der festzusetzenden Steuer. Sie sind bei der steuerlichen Sachverhaltsermittlung (§ 88 AO) wie die Auskunft eines Dritten nach § 93 Abs. 1 AO zu berücksichtigen. Die von einem Dritten übermittelten Daten entfalten daher rechtlich keine Bindungswirkung, sondern unterliegen – wie Zeugenauskünfte – den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung.

Der durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl. I S. 1679) neu eingeführte § 175b AO soll nach der Gesetzesbegründung für alle Fälle gelten, in denen sich die Datenübermittlung nach § 93c Abs. 1 AO richtet. Ein Steuerbescheid ist danach aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzverwaltung übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden (§ 175b Abs. 1 AO) oder Daten ohne Vorliegen einer gesetzlich vorgeschriebenen Einwilligung der Steuerpflichtigen übermittelt wurden, sofern diese Einwilligung Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung dieser Daten ist (§ 175b Abs. 2 AO).

Auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten seitens des Steuerpflichtigen oder der Ermittlungspflichten durch die Finanzbehörde kommt es dabei – anders als in den Fällen des § 173 AO – nicht an. Unerheblich ist auch, ob dem Steuerpflichtigen bei Erstellung der Steuererklärung ein Schreib- oder Rechenfehler i. S. d. § 173a AO oder der Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheids ein mechanisches Versehen i. S. d. § 129 AO, ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung oder ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen ist.

Sachverhalt

Die Steuerpflichtigen sind verheiratet, werden für das Streitjahr 2017 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt und neben weiteren Einkünften bezogen sie auch Renteneinkünfte aus einer inländischen gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Renteneinkünfte hatten die Steuerpflichtigen zutreffend in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 2017 angegeben.

Das FA berücksichtigte sie gleichwohl nicht, weil ihm hierzu im Zeitpunkt der Veranlagung, im März 2019, noch keine elektronische Rentenbezugsmitteilung vorlag. Dementsprechend erließ das FA im April 2019 einen Einkommensteuerbescheid, in dem diese Einkünfte nicht erfasst waren. Der Bescheid enthielt keinen Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO).

Im Mai 2019 übermittelte der Rentenversicherungsträger die Informationen über die Bezüge des Steuerpflichtigen aus der Leibrente an das FA in elektronischer Form (Rentenbezugsmitteilung). Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid für 2017 unter Berufung auf § 175b AO und unterwarf nunmehr auch die Renteneinkünfte des Steuerpflichtigen als sonstige Einkünfte der Besteuerung. Den dagegen gerichteten Einspruch der Steuerpflichtigen wies das FA zurück.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision trugen die Steuerpflichtigen vor, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für 2017 hätte nicht nach § 175b AO geändert werden dürfen, denn das FA habe eine vom Rentenversicherungsträger übermittelte Rentenbezugsmitteilung nicht oder unrichtig verarbeitet. Vielmehr hätten die Angaben in der Rentenbezugsmitteilung mit der Erklärung der Steuerpflichtigen zu den Einnahmen aus der Leibrente übereingestimmt und das FA habe diese Daten, als sie dann tatsächlich vorgelegen hätten, inhaltlich korrekt verarbeitet. Allerdings hätten die Einnahmen zu diesem Zeitpunkt wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft des Bescheids aus April 2019 nicht mehr berücksichtigt werden können.

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der geänderte Bescheid über Einkommensteuer für 2017 rechtmäßig ist. Das FA war nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den materiell-rechtlich fehlerhaften Bescheid nach § 175b Abs. 1 AO zu ändern. Bei der Rentenbezugsmitteilung aus Mai 2019 handelt es sich gemäß § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG um nach Maßgabe des § 93c AO übermittelte Daten, die einen Besteuerungszeitraum nach 2016 betreffen. Diese Daten sind bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden. Der Tatbestand des § 175b Abs. 1 AO ist somit erfüllt.

Auf die Gründe der Nichtberücksichtigung, insbesondere auf den Umstand, dass die Steuerpflichtigen in ihrer Einkommensteuererklärung zutreffende Angaben zu den Renteneinkünften des Steuerpflichtigen gemacht haben und das FA diese Angaben bei der Veranlagung im März 2019 nicht berücksichtigt hat, obwohl es sie hätte berücksichtigen können, kommt es nicht an. Die Änderungsbefugnis beziehungsweise Änderungspflicht knüpft allein an die Tatsache der Nichtberücksichtigung beziehungsweise der nicht zutreffenden Berücksichtigung an.

Auch der Umstand, dass das FA erst anderthalb Jahre nach Übermittlung der Rentenbezugsmitteilung den Änderungsbescheid erlassen hat, macht diesen nicht rechtswidrig. § 175b AO enthält keine Frist, binnen derer die Änderung vorzunehmen gewesen wäre. Im Zeitpunkt des Änderungsbescheids war auch die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.

Beachten Sie | Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175b AO kann sich je nach Sachlage zugunsten wie auch zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175b AO bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Danach trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast für solche Tatsachen, die vorliegen müssen, um eine Änderung nach § 175b AO zuungunsten des Steuerpflichtigen rechtfertigen zu können.

Der Steuerpflichtige trägt dagegen die Feststellungslast für solche Tatsachen, die eine Änderung nach § 175b AO zu seinen Gunsten ermöglichen. Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175b AO steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Da der an die Finanzverwaltung übermittelte Datensatz keinen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung darstellt, darf die Änderung der Steuerfestsetzung allerdings nur erfolgen, soweit die bisherige Steuerfestsetzung in relevanter Hinsicht materiell-rechtlich unzutreffend war und die Grenzen der Kleinbetragsverordnung überschritten werden. Es wird in diesem Zusammenhang auch auf das in einer ähnlichen Angelegenheit ergangene Urteil des FG Münster vom 14.8.2023 hingewiesen.

Fundstelle
  • BFH 27.11.24, X R 25/22, iww.de/astw, Abruf-Nr. 248992
  • FG Münster 14.8.23, 8 K 294/23 E, Abruf-Nr. 237375, AStW 23, 797

AUSGABE: AStW 9/2025, S. 646 · ID: 50507796

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