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FamilienverträgeImmobilien auf die nächste Generation übertragen: So gelingt es steueroptimal
| Immobilien sind beliebte Anlageobjekte. Ihr Verkauf wirkt sich jedoch häufig auf die Steuer aus, denn der Gewinn aus der Veräußerung ist in vielen Fällen steuerpflichtig. Nur wer die Details zu den rechtlichen Vorgaben bezüglich Spekulationsfrist, Eigennutzung und „Erbschaft und Schenkung“ kennt, kann unnötige Abgaben vermeiden. SSP stellt Ihnen drei Strategien vor, wie Sie die Übertragung von Grundvermögen an nachfolgende Generationen steuerlich optimal gestalten können. Mit einer davon hat sich jüngst erst der BFH befasst und sie als zulässig abgesegnet. |
Die steuerlichen Grundsätze für Immobilienübertragungen
Veräußern Sie eine Immobilie, die zu Ihrem Privatvermögen gehört, kann der Vorgang steuerfrei oder steuerpflichtig sein. Entscheidend ist, wie lange sich die Immobilie in Ihrem Besitz befunden hat und wie sie zuvor genutzt wurde.
Die „Befreiungsregelungen“ in § 23 EStG
Ob die Veräußerung steuerfrei oder steuerpflichtig ist, regelt § 23 EStG. Danach ist der Vorgang steuerfrei, wenn zwischen Anschaffung und Verkauf
- mehr als zehn Jahre liegen (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG) oder
- weniger als zehn Jahre liegen, aber die Immobilie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 Alt. 1 EStG),
- weniger als zehn Jahre liegen, aber die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 Alt. 2 EStG).
Maßgeblich für die Frist sind die Daten der obligatorischen Rechtsgeschäfte, also der Notarverträge (BFH, Urteil vom 08.04.2014, Az. IX R 18/13, Abruf-Nr. 142508).
Sind obige Kriterien nicht erfüllt, unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Wie hoch der steuerpflichtige Gewinn ist, ermittelt sich nach § 23 Abs. 3 EStG. Für private Veräußerungsgeschäfte hat der Fiskus eine Freigrenze von jährlich 600 Euro vorgesehen. Bei Immobilien dürfte die Freigrenze aber immer überschritten werden. Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich dann wie folgt:
Veräußerungsgewinn ermitteln | |
Veräußerungserlös | |
./. | Anschaffungskosten (gemindert um abgezogene Abschreibungen) |
./. | Veräußerungskosten (z. B. Fahrtkosten zum Notar, Makler) |
= | Veräußerungsgewinn (steuerpflichtig, wenn > 600 Euro) |
Drei steuerlich optimierte Übertragungsstrategien
Der Veräußerungsgewinn unterliegt dem persönlichen Steuersatz. Problematisch ist das, wenn die Veräußerung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Steuersatz des Veräußerers noch hoch ist (weil er z. B. noch arbeitet). Dann werden nicht selten Steuern in Höhe von 42 oder 45 Prozent fällig. Um diese Steuerbelastung zu minimieren, gibt es verschiedene Strategien. SSP stellt Ihnen drei vor.
Strategie 1: Vermeidung der Besteuerung
Die Steuerbelastung können Sie am einfachsten umgehen, indem Sie – ganz lapidar gesagt – Zeit mitbringen. Warum heute zum Spitzensteuersatz verkaufen, wenn Sie die Immobilie in ein paar Jahren, nach Überschreiten der Zehnjahresfrist, vollkommen ohne Steuerbelastung veräußern können?
Die Strategie lautet also, abwarten, bis die Frist verstrichen ist. Innerhalb dieser Zeit kann zudem der Verkehrswert der Immobilie weiter ansteigen, was zu einem zusätzlichen Plus führen könnte. Zwischenzeitlich können Sie die Immobilie natürlich auch vermieten und so weitere Einnahmen erzielen. Selbst wenn der Immobilienpreis fallen sollte, kann sich in der Gesamtbetrachtung durch die umgangene Besteuerung ein Gewinn ergeben.
Beispiel |
M hat im Jahr 2015 ein unbebautes Grundstück für 100.000 Euro erworben. Im Jahr 2022 hätte er es an einen Interessenten für 160.000 Euro verkaufen können. Er entscheidet sich dagegen und verkauft erst im Jahr 2026 – allerdings für nur 140.000 Euro. Sein persönlicher Steuersatz beträgt 42 Prozent. Steuerersparnis kann sogar etwaigen Wertverlust überkompensieren Lösung: Obwohl M bei der Veräußerung 20.000 Euro weniger erhält, war es doch eine gute Entscheidung, mit der Veräußerung zu warten. Denn bei einem Verkauf im Jahr 2022 wären Steuern in Höhe von 25.200 Euro angefallen (160.000 Euro ./. 100.000 Euro = 60.000 Euro x 42 Prozent), sodass er unterm Strich 134.800 Euro erhalten hätte. Im Jahr 2026 hingegen erhält netto steuerfreie 140.000 Euro, da die zehnjährige Spekulationsfrist abgelaufen ist. |
Wertverlust-
Szenario vorher durchrechnen Praxistipp | Ermitteln Sie, wie viel Wertverlust Ihre Immobilie erleiden darf, damit sich die umgangene Besteuerung positiv auswirkt. Rechnen Sie – ohne Berücksichtigung weiterer Nutzungsmöglichkeiten (z. B. Vermietung) – wie folgt: Folge: Erscheint ein Wertverlust von 14 Prozent bis zur Möglichkeit einer steuerfreien Veräußerung unrealistisch, sollten Sie mit der Veräußerung noch warten. |
Strategie 2: Steuersatz durch Zwischenübertragung senken
Streben Sie eine sofortige Veräußerung an, sollten Sie in Ihre Überlegungen die Verwendung des Veräußerungserlöses einbeziehen. Planen Sie, das Geld Ihren Nachkommen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zuzuwenden, bietet es sich oft an, statt des Veräußerungserlöses die Immobilie zuzuwenden. Dies gilt zumindest dann, wenn die Begünstigten voll handlungsfähig (volljährig) sind und einem niedrigeren Steuersatz unterliegen als Sie.
Beispiel |
... besser direkt die Immobilie zuwenden L möchte eine Immobilie mit einem Gewinn von 50.000 Euro veräußern. Ihr Steuersatz beträgt 42 Prozent. Am Tag der Veräußerung überträgt sie die Immobilie zunächst unentgeltlich auf ihre sich in Ausbildung befindliche volljährige Tochter T. Diese nimmt dann die Veräußerung vor. T verfügt über ein zu versteuerndes Einkommen von 5.000 Euro. Lösung: Aufgrund der unentgeltlichen Zwischenübertragung wird der Gewinn nicht L, sondern ihrer Tochter T zugerechnet. Diese realisiert den Tatbestand des § 23 EStG. Zudem übernimmt T die Anschaffungskosten von L (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG). L spart damit 21.000 Euro Steuern (42 Prozent), während T auf den Gewinn rd. 13.850 Euro Steuern bezahlen muss. Vorteil: Etwa 7.150 Euro. |
Wichtig | Notar- und Gerichtskosten für die Übertragung auf die Tochter schmälern den effektiven Vorteil. Grunderwerbsteuer fällt nicht an (§ 3 Nr. 2 GrEStG). Die Schenkungsteuer kann den Steuervorteil weiter reduzieren.
BFH verneint Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO
Im Beispiel könnte das Finanzamt auf die Idee kommen, einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO zu unterstellen, und den Gewinn doch der Mutter zurechnen. Insbesondere, wenn Übertragung auf die Tochter und Verkauf an den Dritten am selben Tag, evtl. nur eine Urkundennummer später, erfolgten.
Einen solchen Fall hat jüngst aber der BFH zugunsten der Steuerzahler entschieden. Er hat einen Gestaltungsmissbrauch deshalb verneint, weil der Veräußerungsgewinn bei diesem Übertragungsmodell gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 EStG immer noch der Besteuerung unterlag, im Beispiel wäre das bei der Tochter. Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO sei selbst dann ausgeschlossen, wenn der Veräußerer selbst das Veräußerungsgeschäft mit dem Interessenten und späteren Käufer angebahnt hat, die Immobilie dann unentgeltlich auf volljährige Kinder überträgt und diese selbstständig entscheiden können, ob sie die Immobilie behalten oder – egal an wen – veräußern möchten. Die Übertragung auf volljährige Kinder und die Veräußerung von diesen an den Dritten können dabei sogar an ein und demselben Tag erfolgen. Wichtig ist nur, dass die Kinder frei über Immobilie und Kaufpreis verfügen dürfen und der Kaufpreis auch an sie ausbezahlt wird (BFH, Urteil vom 23.04.2021, Az. IX R 8/20, Abruf-Nr. 224334)
Wichtig | Das Finanzamt wird die Gestaltung nicht anerkennen, wenn die Kinder zur Veräußerung an den Dritten verpflichtet werden und sie deshalb keine eigene Entscheidungsbefugnis über die erhaltene Immobilie haben. Gleichermaßen dürfte das Finanzamt den Gewinn der übertragenden Person zurechnen, wenn die „zwischengeschalteten“ Kinder minderjährig sind.
Schenkungsteuer im Blick behalten
Da es sich bei der Gestaltung um eine unentgeltliche Vermögensübertragung handelt, sollten Sie neben der Einkommen- auch die Schenkungsteuer im Blick behalten. Sie kann nämlich zu einer effektiven Mehrbelastung führen.
Fortführung Beispiel |
Das Grundstück aus dem vorherigen Beispiel, das L ihrer Tochter zuwendet, hat einen Wert von 880.000 Euro (Grundbesitzwert im Sinne des § 151 BewG). Lösung: Bei der Tochter ergibt sich aufgrund der unentgeltlichen Zuwendung eine Bereicherung von 880.000 Euro. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags von 400.000 Euro gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen 480.000 Euro der Besteuerung. Der Steuersatz beträgt gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG in der Steuerklasse I 15 Prozent, sodass sich die Schenkungsteuer auf 72.000 Euro beläuft. |
Steuerbefreiung für Mietshäuser nach § 13d ErbStG nutzen Praxistipp | Nutzen Sie die Steuerbefreiung für Mietshäuser! Gemäß § 13d ErbStG sind Grundstücke mit nur 90 Prozent ihres Wertes anzusetzen, wenn
Dies zeigt den zweiten Vorteil der Grundstücks- gegenüber der Geldschenkung auf. Ist das Grundstück nämlich vermietet, reduziert sich die Schenkungsteuer auf 58.800 Euro (880.000 x 90 Prozent = 792.000 ./. 400.000 = 392.000 x 15 Prozent). Ein Vorteil von 13.200 Euro bei Grundstücksschenkung im Vergleich zur Schenkung des Veräußerungserlöses in Höhe von 880.000 Euro. |
Strategie 3: „Kettenschenkung“ spart Schenkungsteuer
Die anfallende Schenkungsteuer können Sie auch mittels einer Kettenschenkung vermeiden oder zumindest reduzieren.
So funktioniert das Übertragungsmodell
In diesem Fall wenden Sie den Vermögensvorteil nicht direkt der eigentlich bedachten Person zu. Die Zuwendung erfolgt vielmehr in Etappen („über Umwege“). Ziel einer Kettenschenkung sollte sein, die Freibeträge des ErbStG auszunutzen. Im Idealfall kann die Besteuerung gänzlich vermieden werden.
Fortführung Beispiel |
L überträgt allerdings zunächst einen hälftigen Miteigentumsanteil des vermieteten Objekts an ihren Ehemann. Dieser ist Vater der gemeinsamen Tochter T. Anschließend übertragen beide – aber in gesonderten Urkunden – ihre Miteigentumsanteile auf die Tochter. |
Lösung: Zwischen L und ihrem Ehemann liegt eine Schenkung im Wert von 440.000 Euro vor. Nach Abzug des steuerfreien Anteils gemäß § 13d ErbStG von 90 Prozent verbleiben 396.000 Euro. Davon ist der persönliche Freibetrag von 500.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) abzuziehen, sodass keine Schenkungsteuer anfällt. Die unentgeltliche Übertragung der jeweiligen hälftigen Miteigentumsanteile auf die Tochter löst keine Besteuerung aus, da auch hier die höheren Freibeträge ausgenutzt werden können. Es ergibt sich eine Steuerersparnis von 58.800 Euro. |
Wichtig | Notar- und Grundbuchkosten schmälern den effektiven Vorteil. Zudem kommt es bei den Beschenkten zum Verbrauch der Freibeträge. Diese erneuern sich aber alle zehn Jahre.
Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO verhindern
Damit die Finanzverwaltung auch hier keinen Gestaltungsmissbrauch vermutet, sind ebenfalls strenge Bedingungen zu erfüllen. Wichtig ist dabei vor allem, dass der Zwischenerwerber, im Beispiel der Ehemann, nicht zur Weitergabe verpflichtet sein darf. Er muss frei über den erhaltenen Anteil verfügen können. Die Schenkung an ihn kann also nicht von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass er sich vorab oder parallel zur Weitergabe an die Zielperson, im Beispiel die Tochter, verpflichtet.
Ebenfalls dürfen die Verträge nicht derart inhaltlich aufeinander abgestimmt sein, dass eine Weiterleitung zum begünstigenden „Endempfänger“ sichergestellt wird (z. B. Vorbehalt einer Rückforderung). Maßgebend ist dabei die Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten. Dies bedingt auch, dass die erste Schenkung an den Zwischenerwerber bereits ausgeführt worden sein muss (Erklärung der Auflassung nach § 925 BGB und Eintragungsbewilligung nach § 873 BGB), bevor die zweite Schenkung an die Zielperson vereinbart werden darf. In der Kette wird damit immer von oben nach unten geschenkt, wobei alle zwischengeschalteten Personen frei darüber entscheiden können müssen, ob sie eine Weitergabe vornehmen. Es sollten daher immer getrennte Urkunden verwendet und am besten zumindest ein kleiner Zeitabstand zwischen der jeweiligen Unterzeichnung eingehalten werden.
Wichtig | Wenn das Finanzamt die Gestaltung nicht anerkennen will, muss es beweisen, dass eine Weitergabeverpflichtung bestand, da es sich um einen steuerbegründenden Tatbestand handelt.
Praxistipp | Weil sich der Zuwendende nicht sicher sein kann, wie die zwischengeschaltete Person tatsächlich handelt, kommen Kettenschenkungen deshalb normalerweise nur innerhalb des engsten Familienkreises vor. Neben Gestaltungen wie im Beispielsfall bieten sich Kettenschenkungen an, wenn Schwieger- (Freibetrag nur 20.000 Euro) oder Enkelkindern (Freibetrag nur 200.000 Euro) Vermögen zugewandt werden soll. Auch hier kann es sinnvoll sein, die eigenen Kinder zwischenzuschalten, um die Freibeträge erheblich zu erhöhen. |
- Einen Gestaltungsmissbrauch hat der BFH in weiteren Entscheidungen verneint, konkret: Urteil vom 10.03.2005, Az. II R 54/03, Abruf-Nr. 051320; Beschluss vom 30.11.2011, Az. II B 60/11, Abruf-Nr. 120950; Urteil vom 18.07.2013, Az. II R 37/11, Abruf-Nr. 133137.
AUSGABE: SSP 10/2022, S. 14 · ID: 47982691