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Teilkasko/WILDSCHADENDer berührungslose Wildschaden: Ein Dauerproblem in der Herbstzeit
| Herbstzeit ist Wildschadenzeit. Die früher einsetzende Dämmerung im Feierabendverkehr steigert das Risiko, einen Wildschaden zu erleiden. Beim Zusammenstoß mit dem Stück Wild sind die Probleme in der Regulierung eher gering. Große Widerstände des Versicherers sind allerdings beim berüchtigten berührungslosen Wildschaden zu erwarten. |
Wildschaden am Kfz als Fall der Teilkaskoversicherung
In den „Musterbedingungen für die Kraftfahrtversicherung“ des Gesamtverbandes für die Versicherungswirtschaft (GDV) ist der Wildschaden in der Teilkaskoversicherung wie folgt definiert:
Zusammenstoß mit Haarwild |
... deckt die Teilkasko A.2.2.1.4 Versichert ist der Zusammenstoß des in Fahrt befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesjagdgesetzes (z. B. Reh, Wildschwein). |
Für alle Wildunfälle, sei es mit, sei es ohne Berührung, gilt: Was nicht in der Liste des Bundesjagdgesetzes steht, führt nicht zum Teilkaskoanspruch. Das gilt z. B. für den Wolf oder auch für das verirrte Rentier, das in Mecklenburg-Vorpommern schon Auslöser eines Wildschadens war. Das ist dann ggf. ein Vorgang für die Vollkasko.
„Berührungsloser Wildschaden“ als Fall der Rettungskosten
In § 82 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist bestimmt, dass der Versicherungsnehmer das versicherte Gut vor drohendem Schadeneintritt bewahren muss. Entsteht bei einem solchen Rettungsversuch ein Schaden, bestimmt § 83 VVG, dass der Versicherer für diese – auch vergeblichen – Rettungsaufwendungen aufkommen muss. Man muss sich bewusst machen, dass es um die Rettung des Versicherers vor der Zahlungspflicht hinsichtlich der Schadenkosten geht und nicht um die Rettung des Tiers.
Der bekannteste Fall der Rettungskostenkonstellation ist der „berührungslose Wildschaden“: Der Fahrer weicht z. B. einem Reh oder Wildschwein aus, kommt dabei aber von der Straße ab. Das Fahrzeug wird beschädigt. Zum Zusammenstoß mit dem Wild kam es nicht. Die größte Hürde dabei ist, zu beweisen, dass der Unfall tatsächlich wegen des Wildes geschah. Gelingt das, und war das Wild so groß, dass beim Zusammenstoß nennenswerter Schaden am teilkaskoversicherten Auto entstanden wäre, gilt Folgendes:
Wichtig | Die Anspruchsgrundlage ist dann nicht mehr der Versicherungsvertrag mit seiner darin festgelegten Selbstbeteiligung. Vielmehr entsteht der Anspruch direkt aus dem VVG. Und darin ist von einer Selbstbeteiligung keine Rede. Das OLG Hamm hat bestätigt, dass im Rettungskostenfall die Selbstbeteiligung nicht in Ansatz gebracht werden darf (OLG Hamm, Urteil vom 07.05.2004, Az. 20 U 48/04, Abruf-Nr. 042864; AG Bad Segeberg, Urteil vom 30.10.2014 Az. 17 C 65/14, Abruf-Nr. 186735) .
Drohender Fahrzeugschaden – Tier muss ausreichend groß sein
Das alles gilt aber nur, wenn das Tier, dem ausgewichen wurde, so groß war, dass bei der Kollision Schaden am Fahrzeug entstanden wäre. Denn sonst gibt es ja hinsichtlich eines drohenden Fahrzeugschadens nichts zu retten. Noch einmal: Es geht nicht um die Rettung des Tieres. Dass ein Kaninchen zu klein ist, hat bereits der BGH entschieden.
Und wenn das Auto bei einer Kollision mit einem die Straße querenden Eichhörnchen von der Straße abkommt, ist das kein Wildschaden im Sinne der Teilkaskoversicherung (LG Coburg, Urteil vom 29.06.2010, Az. 23 O 256/09, Abruf-Nr. 103462). Denn zum einem ist das Eichhörnchen zu klein und zweitens gar kein Tier aus der Liste des Bundesjagdgesetzes (BJagdG).
Wichtig | Im Übrigen ist es wichtig, dass zum Größenverhältnis vom Tier zum Fahrzeug vorgetragen wird. Ein Fuchs mag für einen hochbeinigen Geländewagen zu klein sein, um daran Schaden anzurichten. Für einen flachen verspoilerten Sportwagen ist er aber allemal groß genug.
Die Beweisführung durch Versicherungsnehmer
Der Versicherungsnehmer muss zur Geltendmachung des Rettungskostenersatzes in vollem Umfang und ohne Beweiserleichterung den Nachweis führen, dass das Wild (und auch hier muss das ein Stück Wild aus der Liste des § 2 BJagdG sein, denn es geht ja darum, den Versicherungsfall zu vermeiden) unfallursächlich war.
Am besten sind natürlich neutrale Zeugen. Wenn aber der Fahrer nicht gleichzeitig der Versicherungsnehmer ist, kommt er als Zeuge in Betracht. Das zeigt ein Fall, den das LG Limburg entschieden hat. Dort ging es um die beiden Töchter des Versicherungsnehmers, deren eine Beifahrerin war und deren andere als Fahrerin einem Reh ausweichen wollte. Beide waren Zeuginnen, und ihnen wurde geglaubt (LG Limburg, Urteil vom 17.02.2010, Az. 2 O 137/09, Abruf-Nr. 101921). Auch die Dienstwagenfälle oder die Fälle, bei denen Firmenmitarbeiter während der Arbeit einen Firmenwagen fahren, ebenso die Fälle, bei denen Kunden mit Fahrzeugen des Autohauses oder der Werkstatt fahren, gehören in die Fallgruppe, in der der Fahrer Zeuge sein kann.
Berührungsloser Wildschaden ist immer Sache für einen Anwalt
Es dürfte sich von selbst verstehen, dass die regelmäßig komplizierten und wegen der ihnen innewohnenden Missbrauchsgefahr von den Versicherern durchaus zu Recht mit spitzen Fingern angefassten Rettungskostenfälle anwaltlicher Unterstützung bedürfen.
AUSGABE: UE 10/2025, S. 14 · ID: 50565955