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EinkommensteuerErträge aus Mitarbeiterbeteiligung als „Stiller“: Kapitaleinkünfte oder Arbeitslohn?
| Wie sind Einkünfte zu versteuern, die ein Arbeitnehmer dadurch erzielt, dass er sich am Unternehmen des Arbeitgebers als stiller Gesellschafter beteiligt? Sind es Einkünfte aus Kapitalvermögen oder solche aus nichtselbstständiger Arbeit? Mit dieser Frage muss sich der BFH befassen. |
FG Baden-Württemberg plädiert auf Kapitaleinkünfte
In einem Fall vor dem FG Baden-Württemberg ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass Einnahmen und Aufwendungen, die mit der Beteiligung in Zusammenhang standen, keinen einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis hatten. Der Arbeitnehmer nutzte sein Kapital vielmehr als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Daraus resultierende laufende Erträge sind dann Einkünfte aus Kapitalvermögen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2022, Az. 5 K 1635/20, Abruf-Nr. 233006).
Mitarbeiter war auch stiller Gesellschafter geworden
Im konkreten Fall ging es um den leitenden Mitarbeiter (Projektleiter) einer international tätigen KG, der dort Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielte. Der Mitarbeiter hatte mit der KG zusätzlich einen Gesellschaftsvertrag zur Begründung einer „typisch stillen Gesellschaft“ abgeschlossen, für den nachträglich eine Rangrücktrittserklärung vereinbart wurde. Die Leistung der jeweils vereinbarten Einlage konnte durch Bareinzahlung oder Stehenlassen von Tantieme- und Vergütungsansprüchen bzw. durch Gutschrift künftiger Gewinnanteile aus der stillen Gesellschaft erfolgen.
Der stille Gesellschafter leistete sämtliche Einlageverpflichtungen durch Stehenlassen von Gewinnanteilen. Die Einlage ging jeweils ins Vermögen der KG über und wurde auf dem festen Kapitalkonto verbucht. Der stille Gesellschafter erhielt im Innenverhältnis eine Ergebnisbeteiligung nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags, war aber zu keinem Zeitpunkt im Außenverhältnis für Gläubiger der KG haftbar. Davon unberührt blieb die Haftung im Innenverhältnis mit der geleisteten Einlage sowie der angesparten Rücklage aufgrund der Rangrücktrittsregelungen. Die jeweilige Beteiligung des Klägers am Jahresergebnis richtete sich nach dem Verhältnis der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage zum Gesamtkapital der KG. Die Ergebnisbeteiligung sämtlicher stiller Gesellschafter war auf maximal 25 Prozent begrenzt.
Die jeweils auf den stillen Gesellschafter entfallende Beteiligung am Jahresergebnis („Gewinnanteile“), die weder dem Kapitalkonto, Verlustkonto oder Rücklagenkonto zuzuführen waren, wurden dem Darlehenskonto gutgeschrieben. Während er Guthaben auf dem Darlehenskonto jederzeit entnehmen konnte, waren die Einlage und das Guthaben auf dem Rücklagenkonto vor Beendigung der stillen Gesellschaft nicht entnahmefähig. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vor, dass die stille Gesellschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum nächsten 31.12. durch beide Parteien gekündigt werden konnte.
Finanzamt erleidet vor dem FG Schiffbruch
Der stille Gesellschafter erklärte die Einkünfte aus der stillen Beteiligung als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Finanzamt sah das anders. Es wollte die Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit besteuern. Es ging vor Gericht. Das FG Baden-Württemberg gab dem Kläger Recht und begründet das wie folgt:
- Für den Charakter einer Beteiligung als eigenständige und vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage sprach insbesondere, dassDiese Punkte sprachen für die unabhänige Erwerbsgrundlage ...
- der Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf den Erwerb der Beteiligung und einen anteiligen Veräußerungserlös als Gegenleistung für die nichtselbstständige Tätigkeit vorsah,
- die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert werden konnte und
- der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko trug sowie
- keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar waren, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen.
- Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis sprach besonders, dass die... und diese für ein bestehendes Sonderrecht
- Ausgestaltung der stillen Beteiligung formell nach den üblichen gesetzlichen Kriterien erfolgt war,
- den Stillen in Höhe der Einlage und auch der Rücklage ein Verlustrisiko getroffen hatte, das er aus seinem privaten und bereits versteuerten Vermögen hätte tragen müssen und
- mit der vereinbarten Nachrangigkeit die stille Beteiligung überwiegend gesellschaftsrechtlich bzw. bilanzrechtlich motiviert gewesen war.
- Das FG war zudem davon überzeugt, dass die stille Gesellschaft aus Sicht der KG in erster Linie deshalb begründet worden war, um ihr bilanziell ausgewiesenes Eigenkapital zu stärken und nicht etwa die Arbeitsleistung des stillen Gesellschafters zu vergüten. Als Familiengesellschaft war es ihr nachvollziehbar darauf angekommen, dieses Kapital nicht von fremden Dritten zu erlangen, sondern auf ihre Kapitalgeber dauerhaft vertrauen zu können.FG sieht Stärkung des Eigenkapitals als oberstes Ziel
- Weiteres erhebliches Indiz für die Begründung eines Sonderrechtsverhältnisses war zudem die Zuführung von Kapital auf das Rücklagenkonto. Lt. Gesellschaftsvertrag waren Gewinne, die nicht vorrangig dem Kapitalkonto oder dem Verlustkonto gutzuschreiben waren, mit 25 Prozent des jeweiligen Gewinnanteils auf dem Rücklagenkonto verbucht worden. Die Zuführung zum Rücklagenkonto war eine rein fakultative Regelung, der es zur Begründung der stillen Gesellschaft nicht bedurft hätte. Hierfür wäre die Verpflichtung zur Einlage ausreichend gewesen. Das Rücklagenkonto begründete Eigenkapital der Gesellschaft und war vom Verlustrisiko betroffen. Lt. Gesellschaftsvertrag hatte der Gesellschafter nur durch Kündigung des Gesellschaftsvertrags über die gebildeten Rücklagen verfügen können.Dafür spricht auch Zuführung von Kapital auf das Rücklagenkonto
- Aufgrund der vorgenannten Motivation, die KG bzw. ihr Eigenkapital durch stille Beteiligungen zu stärken, hielt das FG auch die Renditemöglichkeiten der Gesellschafter für nicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet. Die gesamte Gestaltung entsprach handelsrechtlichen Vorgaben. Aus Sicht des FG war auch die Höhe der Rendite nicht zu beanstanden.Auch Rendite beanstandet das FG nicht
Finanzamt hat Revision eingelegt
Das Finanzamt will sich trotz dieser ausführlichen Begründung nicht geschlagen geben. Es hat Revision beim BFH eingelegt. Sie trägt das Az. VIII R 10/22.
FG Sachsen plädiert auf „19er-Einkünfte“
Neben dem FG Baden-Württemberg musste sich auch das FG Sachsen mit zwei Mitarbeiter-Beteiligungsfällen befassen. Es ist zum Ergebnis gekommen, dass in beiden Fällen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vorgelegen haben (FG Sachsen, Urteil vom 25.11.2021, Az. 8 K 438/21, Abruf-Nr. 233007 und Urteil vom 25.11.2021, Az. 8 K 849/21, Abruf-Nr. 233008)
Wortlaut ist (noch) nicht öffentlich zugänglich
Der Wortlaut der Entscheidungen ist nicht bekannt. Immerhin ist das FG Baden-Württemberg darauf wie folgt zu sprechen gekommen:
„Dem Senat ist bekannt, dass das Sächsische FG in seinen Urteilen ... über ähnlich gelagerte Fälle zu entscheiden gehabt hat und in beiden Verfahren zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Ergebnisbeteiligungen in Mitarbeiterlohn umzuqualifizieren sind. ... Allerdings unterscheiden sich die festgestellten Sachverhalte nach den vorliegenden Erkenntnissen in wesentlichen Punkten. So hat in den Verfahren des Sächsischen FG die Gesellschaft automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses geendet, es ist keine zusätzliche Rücklage aufgebaut worden, es hat kein Verlustrisiko bestanden, es ist keine nachträgliche Rangrücktrittsvereinbarung vereinbart worden und auch die besondere Situation der Beschaffung von Eigenkapital für den Arbeitgeber scheinen dort keine Rolle gespielt zu haben.“
Nichtzulassungsbeschwerden beim BFH anhängig
Auch in diesem Fall wollen sich die Unterlegenen – hier die Steuerzahler – nicht geschlagen geben. Sie haben Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim BFH eingelegt. Diese tragen die Az. VIII B 8/22 und VIII B 7/22. SSP bleibt am Ball.
AUSGABE: SSP 2/2023, S. 16 · ID: 48975412