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Umgang mit dem FinanzamtVerfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge: Wenn der BFH sich uneins ist ...

Abo-Inhalt02.12.20221315 Min. LesedauerVon Dipl.-Volkswirt Günter Göbel, Würzburg

| Versäumen Sie die Zahlungsfrist beim Finanzamt, werden Sie dafür hart bestraft. Es droht nicht nur die Zwangsvollstreckung, das Finanzamt fordert auch für jeden angefangenen Monat der verspäteten Zahlung einen Säumniszuschlag von einem Prozent der rückständigen Steuer – also zwölf Prozent pro Jahr! Angesichts der verfassungswidrigen Höhe der Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO mit 0,5 Prozent pro Monat stellt sich die Frage, ob Sie gegen diese Strafforderung vorgehen können. Die Sache ist leider etwas diffus. Denn selbst die BFH-Richter sind sich uneins. |

Das steckt hinter den Säumniszuschlägen

Setzt das Finanzamt Ihnen gegenüber Steuern durch Steuerbescheid fest, oder haben Sie eine Steueranmeldung beim Finanzamt abgegeben, ergibt sich dadurch auch die gesetzlich festgelegte Zahlungsfrist. Innerhalb dieser Frist müssen Sie die Steuer begleichen – spätestens bis zum letzten Tag. Lassen Sie die Frist verstreichen, wird für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von einem Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags fällig (§ 240 Abs. 1 S. 1 AO). Abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Der Säumniszuschlag bezieht sich dabei auf jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum gesondert, sodass bei mehreren rückständigen Steuern eine mehrfache Abrundung erfolgt.

So funktioniert der Einspruch gegen Säumniszuschläge

Sind Sie mit der Höhe der Säumniszuschläge nicht einverstanden, können Sie dagegen vorgehen. Wichtig zu wissen: Während Sie gegen einen Einkommensteuerbescheid z. B. nach §§ 347 ff. AO Einspruch einlegen können, funktioniert dies bei Säumniszuschlägen nicht. Denn diese entstehen kraft Gesetzes bei Verwirklichung des Tatbestands und sind bereits mit ihrer Entstehung fällig (§ 220 Abs. 2 S. 1 AO).

Dies ist auch der Grund dafür, dass Sie für Säumniszuschläge keine Bescheide erhalten. Das Finanzamt fordert die Zuschläge quasi „aus dem Gesetz heraus“. Dagegen wehren Sie sich wie folgt: Sie müssen zunächst auf Basis von § 218 Abs. 2 AO beim Finanzamt einen Abrechnungsbescheid hinsichtlich der zweifelhaften Säumniszuschläge beantragen. Dieser Abrechnungsbescheid stellt einen Verwaltungsakt dar – und diesen können Sie entsprechend §§ 347 ff. AO mit einem Einspruch anfechten.

Sind auch die Säumniszuschläge verfassungswidrig?

In das Thema „Säumniszuschläge“ war zuletzt viel Musik hineingekommen. Anlass dafür waren vor allem die Beschlüsse des BVerfG zur Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO mit 0,5 Prozent pro vollem Zinsmonat, die das BVerfG als verfassungswidrig erachtet hat (BVerfG, Beschlüsse 08.07.2021, Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, Abruf-Nr. 224140). Daraus resultiert auch für Säumniszuschläge die Frage, ob und inwieweit sie noch verfassungskonform sind. Es gibt dazu aktuell zwei Verfahrens- bzw. Handlungsstränge.

1. Hauptsacheverfahren zu Säumniszuschlägen

Wir haben zunächst einmal „richtige“ Klageverfahren. Das sind Verfahren, bei denen das Hauptverfahren resultierend aus einem Einspruch bei Gericht anhängig geworden ist. Hier gibt es zwei FG-Entscheidungen: Weil es der Steuerzahler selber in der Hand hat, ob Säumniszuschläge anfallen, stellt sich das Verfassungswidrigkeits-Thema bei Säumniszuschlägen nicht (FG Hamburg, Urteil vom 01.10.2020, Az. 2 K 11/18, Abruf-Nr. 226928; FG Düsseldorf, Urteil vom 22.04.2021, Az. 12 K 1420/20 AO, Abruf-Nr. 226927).

Praxistipp | Gegen beide Entscheidungen ist die Revision beim BFH anhängig. Die Musterprozesse tragen die Az. VII R 55/20 und VII R 19/21.

2. Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zu Säumniszuschlägen

Von den Hauptverfahren zu unterscheiden sind Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung (AdV). Hier hatten Steuerzahler beim Finanzamt Einspruch eingelegt und parallel AdV als vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Finanzamt hat bezüglich der Einsprüche noch nicht entschieden, die AdV aber abgelehnt. Dagegen haben Steuerzahler Einspruch eingelegt, verloren und Klage erhoben. In solchen Verfahren haben die Gerichte sehr wohl Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit geäußert, nämlich wie folgt:

  • In Säumniszuschlägen ist zumindest der Zinsanteil verfassungswidrig (BFH, Beschluss vom 26.05.2021, Az. VII B 13/21, Abruf-Nr. 226899).
  • Die Säumniszuschläge an sich sind verfassungswidrig: Hier lauten die Antworten des BFH – je nach Senat –
    • Ja – (für Säumniszuschläge, die nach dem 31.12.2018 entstanden sind –Beschluss vom 11.11.2022, Az. VIII B 64/22 [AdV], Abruf-Nr. 232574) sowie BFH, Beschluss vom 26.05.2021, Az. VII B 13/21 (AdV), Abruf-Nr. 226899 und Beschluss vom 23.05.2022, Az. V B 4/22, Abruf-Nr. 230347
    • Nein - u. a. BFH, Beschluss vom 28.10.2022, Az. VI B 15/22 (AdV), Abruf-Nr. 232440 und Beschluss vom 20.09.2022, Az. II B 3/22 (AdV), Abruf-Nr. 231739.

Diese beiden Beschlüsse verdeutlichen den Meinungsunterschied innerhalb des BFH. Die Frage ist somit nach wie vor ungeklärt. Die unterschiedlichen Auffassungen der BFH-Senate führen übrigens nicht dazu, dass der Große Senat des BFH angerufen wird. Das liegt daran, dass im summarischen Verfahren der AdV die Rechtsfragen nicht endgültig entschieden werden.

AUSGABE: SSP 2/2023, S. 11 · ID: 48764455

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