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Umgang mit dem Finanzamt Die Neuregelung der Verzinsung nach § 233a AO und was Sie dazu wissen sollten

Abo-Inhalt19.01.20232261 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt André Reineke, Bielefeld

| Der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Steuerzahler gemäß § 233a AO beträgt rückwirkend ab dem 01.01.2019 0,15 Prozent pro Monat, also 1,8 Prozent pro Jahr. Er gilt für alle Steuerarten. Das regelt das „Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“, das seit dem 13.07.2022 gilt. SSP fasst die Neuerungen für Sie zusammen. |

Der Hintergrund der Gesetzesänderung

Die Änderung war notwendig geworden, weil das BVerfG mit Beschluss vom 08.07.2021 entschieden hatte, dass diese Verzinsung insoweit verfassungswidrig ist, soweit bei der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent (sechs Prozent pro Jahr) angewendet wird. Diese Entscheidung betraf ausdrücklich nicht die übrigen Verzinsungstatbestände nach der AO, also Stundungs-, Erlass- und Aussetzungszinsen nach §§ 234, 235 und 237 AO sowie Prozesszinsen (§ 236 AO) und Säumniszuschläge (§ 240 AO).

Die Neuregelung der Verzinsung gemäß § 233a Abs. 1a AO

Wie oben erwähnt, ist der Zinssatz für Steuererstattungen und Steuernachforderungen erst ab dem 01.01.2019 rückwirkend auf 0,15 Prozent pro Monat, also 1,8 Prozent pro Jahr, gemindert worden (§ 238 Abs. la AO), obwohl das BVerfG erklärt hatte, dass die Verzinsung schon ab 2014 verfassungswidrig gewesen sei. Denn das BVerfG hatte in seiner Entscheidung die Regelung bis einschl. in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume für anwendbar erklärt.

Diese Neuregelung gilt für sämtliche Steuerarten, für die eine Vollverzinsung vorgesehen ist und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Teilverzinsungszeiträume

Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze anzuwenden, weil er vor dem 01.01.2019 begonnen hat und nach dem 31.12.2018 endet, ist er in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen.

Die Zinsen sind taggenau zu berechnen. Nach § 238 Abs. 1b AO wird jeder Kalendermonat (auch der Februar) mit 30 und jedes Kalenderjahr mit 360 Zinstagen berechnet. Der 31. eines Monats stellt keinen Zinstag dar. Endet der Zinslauf an diesem Tag, wird er wie der 30. behandelt. Endet der Zinslauf am 28. oder 29.02., werden die Zinsen auch nur bis zu diesem Tag berechnet.

Beispiel

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für das Jahr 2016 ist eine Nachzahlung von 70.000 Euro erhoben und mit Bescheid vom 21.07.2021 festgesetzt worden. Neben der Steuerschuld wurden für den Verzinsungszeitrum 01.04.2018 bis 26.07.2021 für 39 Monate nach alter Rechtslage 19,5 Prozent Zinsen, also 13.650 Euro Zinsen erhoben. Nach neuer Rechtslage sind für 270 Tage zu sechs Prozent nunmehr 3.150 Euro und für 900 Tage Zinsen zu 1,8 Prozent (= 3.150 Euro) festzusetzen. In der Summe ergibt sich nunmehr lediglich eine Zinslast von 6.300 Euro.

Erlass von Zinsen auf Steuernachforderungen

Billigkeitsmaßnahmen für Steuerfestsetzungen sind zum einen dann möglich, wenn diese auch für die zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen in Betracht kommen. Darüber hinaus existieren auch zinsspezifische Billigkeitsmaßnahmen (vgl. BFH vom 24.07.1996, Az. X R 23/94). So besteht für die Verzinsung einer Steuernachforderung dann kein Raum, wenn der Steuerzahler durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hat (BFH, Urteil vom 11.07.1996, Az. V R 18/95). Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind dann wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen.

Aus diesem Grund wurden bislang Nachzahlungszinsen, soweit diese auf vor Festsetzung der Steuer erbrachte freiwillige Leistungen entfielen, im Billigkeitswege erlassen. Diese Handhabe ist nunmehr in § 233a Abs. 8 AO gesetzlich verankert worden. Nachzahlungszinsen sind nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit

  • Zahlungen oder andere Leistungen, die auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden und
  • die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Das gilt auch für die von den Gemeinden erhobene Gewerbesteuer.

Vertrauensschutz vermeidet Zins-Schlechterstellung

Bei einer Neuberechnung der Zinsen darf sich im Vergleich zur vorherigen Zinsfestsetzung keine Schlechterstellung des Schuldners ergeben. Sind bislang nur Erstattungszinsen (mit sechs Prozent p. a.) festgesetzt worden, darf sich lt. Gesetzesbegründung aufgrund der rückwirkenden Senkung des Zinssatzes keine Rückforderung ergeben. Wurden nur Nachzahlungszinsen festgesetzt, sind diese im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten neu zu berechnen und herabzusetzen. Im Mischfall ist der Vertrauensschutz auf das Ergebnis der Neuberechnung anzuwenden.

Wichtig | Die Finanzverwaltung ist aufgerufen, das Zinsniveau stets auf Angemessenheit zu prüfen. Von daher kann es ein, dass die ökonomischen Realitäten alsbald schon wieder eine Neufassung von § 233a AO erfordern.

Weiterführende Hinweise
  • „Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ vom 12.07.2022, BGBl 2022 Teil 1, Seite 1142 → Abruf-Nr. 229336
  • Beitrag „Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge: Wenn der BFH sich uneins ist...“, SSP 2/2023, Seite 11 → Abruf-Nr. 48764455

AUSGABE: SSP 2/2023, S. 9 · ID: 48985183

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