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Ausfallschaden/RegressFachkräftemangel, verzögerte Reparaturen: Droht Regress des Versicherers gegen die Werkstatt?

Top-BeitragAbo-Inhalt12.06.20256788 Min. Lesedauer

| Der Fachkräftemangel schlägt überall zu. Reparaturtermine werden vergeben wie die legendären Facharzttermine. Auch „Schmerzpatienten“, also unfallbedingt nicht mehr benutzbare Fahrzeuge, passen nicht mehr ad hoc in die Kapazitäten. Man hört von Wartezeiten bis zu acht Wochen und mehr. Den Versicherern ist angst und bange, denn währenddessen läuft der Ausfallschaden, sei es als Mietwagen oder Nutzungsausfallentschädigung. Wer hat in dieser Situation welche Pflichten? Kann der Versicherer u. U. die Werkstatt für die entstehenden Ausfallschadenkosten in Regress nehmen? UE klärt auf. |

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Pflicht des Geschädigten: Für eine zügige Reparatur sorgen

Alle diese Fragen stellen sich, wenn das verunfallte Fahrzeug ab Unfallstelle nicht mehr benutzbar ist, weil es an der Fahrfähigkeit oder der Verkehrssicherheit oder an beidem fehlt. Ist das Fahrzeug trotz des Unfalls noch verkehrssicher und fahrbereit, muss der Geschädigte es bis zum Reparaturtermin weiternutzen.

Es steht außer Zweifel, dass der Geschädigte für eine zügige Reparatur sorgen muss, wenn er neben den Reparaturkosten auch den Ausfallschaden geltend machen möchte. Jedoch gibt es da keinen absoluten Maßstab. Abzustellen ist auf die dem Geschädigten in seiner konkreten Situation zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Mit leiser Ironie hat das bereits das AG Chemnitz zu Papier gebracht: „Bedauerlicherweise hat die Beklagte nicht aktenkundig gemacht, auf welche Weise ein Kunde – der Kläger – in der Lage sein soll, ‚bei einer verzögerten Reparatur diese voranzutreiben‘. Ein derartiges und womöglich allgemein gültiges Beschleunigungs- bzw. Durchsetzungsinstrument hätte das Gericht wahrhaftig gern selbst zur Hand. Indes: Es ist, wie es ist; es ist nicht so, wie es sein sollte, und erst recht nicht, wie es die Beklagte gern hätte.“ (AG Chemnitz, Urteil vom 13.02.2019, Az. 21 C 2120/18, Abruf-Nr. 207292).

Keine Pflicht des Geschädigten zur sofortigen Reparatur

Ein Stück weit lässt sich das Problem der Wartezeit auf die Reparatur abfedern. Nur der Geschädigte, dem das Geld so sehr aus den Taschen quillt, dass er die Reparatur vorfinanzieren kann, ohne danach die sprichwörtliche Schnitte Brot weniger essen zu müssen, muss in Vorleistung treten.

Für jeden anderen Geschädigten vom Habenichts bis zum finanziell normal bestallten Mitbürger, der durchaus ein gutes Einkommen haben kann, aber auch entsprechende Ausgaben hat, sodass am Monatsende keine Reserven aufgebaut werden, gilt: „Grundsätzlich ist es Sache des Schädigers, die Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist unter Umständen berechtigt, grundsätzlich aber nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Dieser Rechtsgrundsatz würde unterlaufen, sähe man den Geschädigten schadensrechtlich grundsätzlich als verpflichtet an, die Schadensbeseitigung zeitnah nach dem schädigenden Unfall vorzunehmen und damit ganz oder teilweise aus eigenen oder fremden Mitteln vorzufinanzieren.“ (BGH, Urteil vom 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19, Abruf-Nr. 215406).

Warten auf Haftungszusage – wenn Versicherer gewarnt ist

Auf dieser Grundlage entscheiden die Gerichte, dass der Geschädigte mindestens auf die Haftungszusage des Versicherers warten darf, wenn der Versicherer insoweit gewarnt wurde. Dem muss gesagt werden, dass die Reparatur erst mit Eingang seiner Eintrittspflichtbestätigung begonnen werde (siehe z. B. AG Düsseldorf, Az. 46 C 514/24, Abruf-Nr. 247530; AG Coburg, Urteil vom 28.12.2017, Az. 12 C 440/17, Abruf-Nr. 198730).

Jedenfalls der Geschädigte, der die Reparaturrechnung nie und nimmer selbst bezahlen könnte, darf nach im Vordringen befindlicher Auffassung sogar auf einen Vorschuss in Höhe der prognostizierten Reparaturkosten netto warten (AG Coburg, Urteil vom 06.03.2025, 15 C 1647/24, Abruf-Nr. 247465; AG Hamburg Altona, Urteil vom 09.12.2025, Az. 315b C 210/23, Abruf-Nr. 245991; AG Augsburg, Urteil vom 17.10.2024, Az. 18 C 1893/24, Abruf-Nr. 244376). Allerdings wird dieser Weg regelmäßig in einen Rechtsstreit mit dem Versicherer münden, denn der wird ihn selten akzeptieren.

Das Warten auf die Haftungszusage wird in vielen Fällen parallel laufen mit dem Warten auf den Reparaturtermin, sodass sich die Diskussionen um den Reparaturtermin damit ganz oder teilweise erübrigen.

Keine Werkstatt ist zu Risikogeschäften verpflichtet

Da keine Werkstatt verpflichtet werden kann, Risikogeschäfte mit zu erwartendem „Hinter dem Geld herlaufen“ einzugehen, kann der Werkstatt kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie dem Geschädigten mitteilt, sie werde erst mit der Reparatur beginnen, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht bestätigt hat.

Praxistipp | Wenn der Kunde einverstanden ist, ist es sinnvoll, das zu dokumentieren. „Unfallschaden instand setzen, wie vom Schadengutachter vorgesehen. Mit der Reparatur erst beginnen, wenn die Haftungszusage des Versicherers vorliegt“ ist – vom Kunden unterschrieben – ein klärender Auftragstext. Netter Nebeneffekt: Während der Wartezeit können dem Geschädigten Standkosten berechnet werden, die der Versicherer erstatten muss.

Muss die Werkstatt auf Überlastung hinweisen?

Wenn ein solches Abfedern der Wartezeit auf einen möglichen Reparaturbeginn nicht möglich ist, stellt sich die Frage: Darf die Werkstatt den Geschädigten im Glauben lassen, dass es „morgen“ losgeht, oder muss sie ihn darauf aufmerksam machen, dass der Reparaturbeginn wegen der immensen Auslastung lange auf sich warten lassen wird? Der Geschädigte, dem kein entsprechender Hinweis gegeben wird, ist insoweit geschützt. Er darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Werkstatt zügig arbeitet. Er muss sich nicht vor der Auftragserteilung erkundigen, ob der Schaden in der vom Gutachter prognostizierten Zeit behoben werden wird (AG Nürtingen, Urteil vom 17.08.2015, Az. 17 C 2190/14, Abruf-Nr. 145200; ähnlich AG Mühldorf a. Inn, Urteil vom 11.03.2025 , Az. 11 C 65/23, Abruf-Nr. 248561 in UE 7/2025, Seite 2).

Doch wird er, wenn er sich auf diesen Schutz beruft, die Mietwagenkosten bzw. die Nutzungsausfallentschädigung nur Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Schadenersatzansprüche gegen die Werkstatt wegen verzögerten Reparaturbeginns verlangen können. Und dann stellt sich in der Tat die Frage nach dem Regressrisiko, das die Werkstatt trägt.

Wartezeit bis zur Reparatur erschwert Durchsetzung des Ausfallschadens

Die Werkstatt weiß, dass es sich um einen „Versicherungsfall“ mit der Thematik des Ausfallschadens handelt. Das weiß sie umso mehr, wenn sie selbst den Mietwagen gestellt oder für den Geschädigten organisiert hat. Und sie weiß, dass eine lange Wartezeit bis zur Reparatur zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des dadurch verlängerten Ausfallschadens gegenüber dem eintrittspflichtigen Versicherer führen wird.

Das sind die Zutaten, die den XII. Senat des BGH in einer Mietwagenangelegenheit dazu veranlasst haben, dem Autovermieter eine Aufklärungspflicht dem Geschädigten gegenüber aufzuerlegen. Da ging es zwar nicht um die Ausfalldauer, sondern um den Tarif. Der Vermieter hatte einen Normaltarif und einen deutlich darüber liegenden Unfallersatztarif.

Dennoch ist das eine vergleichbare Konstellation, denn die Wartezeit auf die Reparatur würde schadenrechtlich überhaupt keine Rolle spielen, wenn es nicht die Mietwagen- oder Nutzungsausfallentschädigungsfrage gäbe. Denn dann könnte dem Schädiger die Reparaturdauer gleichgültig sein.

Im Urteil hat der BGH den Vermieter verpflichtet, den Geschädigten darüber aufzuklären, dass der Unfallersatztarif nicht problemlos vom Versicherer erstattet werde (BGH, Urteil vom 28.06.2006, Az. XII ZR 50/04, Abruf-Nr. 062352). In einer späteren Entscheidung hat der BGH das noch verfeinert: „Soweit die Revision in diesem Zusammenhang meint, dem Mietwagenunternehmer sei die Aufklärung nicht zuzumuten, weil er das Risiko einer eingeschränkten Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifes nicht zuverlässig beurteilen könne, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Revision verkennt, dass der Vermieter nicht darüber aufklären soll, ob dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz des Unfallersatztarifs zustehe, sondern darüber, dass die Durchsetzbarkeit mit Schwierigkeiten verbunden sein könne.“ (BGH, Urteil vom 24.07.2010, Az. XII ZR 155/05, Rz. 13, Abruf-Nr. 080010).

Aufklärungspflicht der Werkstatt in Anlehnung an BGH-Urteil naheliegend

Problemlos ist heute fast gar nichts mehr durchsetzbar. Man wird also über die „normalen“ Probleme hinaus von zusätzlichen Problemen ausgehen müssen. Dass es die gibt, wenn der Versicherer den Ausfallschaden für den Leerlauf vor der eigentlichen Reparatur erstatten soll, ist naheliegend. Folglich ist auch eine diesbezügliche Aufklärungspflicht naheliegend.

Eine Frage des Rechts und der Kundenzufriedenheit

Unabhängig von einer rechtlichen Aufklärungspflicht ist es der Kundenzufriedenheit sicher nicht zuträglich, wenn der Kunde in der Sicherheit gewiegt wird, die Reparatur werde alsbald begonnen, wenn schon klar ist, dass dem nicht so ist. Das Gegenargument, der Geschädigte habe doch die freie Werkstattwahl und müsse daher ohnehin nie auf eine andere Werkstatt ausweichen, ist nicht tragfähig. Die Schadenminderungspflicht des Geschädigten gebietet zu reagieren, wenn besondere Umstände vorliegen. Die dem Geschädigten obliegende Reaktion muss ihm jedoch zumutbar sein.

Wenn Anspruch auf Reparatur in einer Vertragswerkstatt besteht

Ist das verunfallte Fahrzeug nicht älter als drei Jahre oder älter als drei Jahre und scheckheftgepflegt, muss sich der Geschädigte nicht mit einer Werkstatt begnügen, die nicht Vertragspartner der jeweiligen Automarke ist. Also müsste er prüfen, ob bei einer anderen Werkstatt der Marke im zumutbaren Umkreis ein nennenswert (für nur wenige Tage wäre der Aufwand des auf eigener Achse nicht machbaren Wechsels unzumutbar) früherer Reparaturbeginn möglich wäre. Im Hinblick auf die zumutbare Entfernung mag man sich an der Rechtsprechung zur Entfernung der Verweisungswerkstatt bei der fiktiven Abrechnung orientieren. Da wird die Grenze bei 20 bis 25 km gezogen. Wenn es in diesem Radius überhaupt eine andere Werkstatt der Marke gibt, was bei Marken mit kleinerem Marktanteil nicht selbstverständlich ist, dürfte dort die Frage nach einem früheren Reparaturtermin in der aktuellen Lage nur selten erfolgreich sein. Dann kann der Geschädigte den Hinweis der Werkstatt ignorieren. Und hätte die Werkstatt den Hinweis nicht gegeben, wäre der Versicherer im Regress dennoch nicht erfolgreich. Denn wenn man sich den Hinweis hinzudenkt, wäre die Situation dieselbe. Es gäbe also keinen kausalen Schaden.

Wichtig | Anders wäre es, wenn in einer zumutbar weit entfernten Werkstatt der Marke doch eine baldige Reparatur möglich wäre. Dann könnte der Geschädigte zum Wechseln der Werkstatt verpflichtet sein. Und dann wäre der unterbliebene Hinweis auch kausal für die Mehrkosten. Das heißt aber noch nicht, dass dem Geschädigten auch ein Schaden entstünde, der im Regresswege vom Versicherer geltend gemacht werden könnte.

Wenn es auf die Marke des Fahrzeugs nicht ankommt

Ist das unfallbeschädigte Fahrzeug älter als drei Jahre und nicht scheckheftgepflegt oder ist die Ausgangswerkstatt des Falls, also die mit der langen Wartezeit, selbst keine Werkstatt der Marke des Fahrzeugs, ist der Geschädigte weniger eingeengt bei der Suche nach einer Alternativwerkstatt. Dann ist die Chance eines Treffers im Hinblick auf einen früheren Reparaturbeginn größer. Und dann wäre der unterbliebene Aufklärungshinweis doch kausal für einen eventuellen Mehrkostenschaden.

Versicherer kann nur dieselben Ansprüche geltend machen wie der Kunde

Bei der Regressfrage ist immer im Auge zu behalten: Weil der Versicherer gegenüber der Werkstatt auf Basis vom Geschädigten, also vom Werkstattkunden, an ihn abgetretenen Ansprüchen agiert, kann er nur solche Ansprüche geltend machen, die der Geschädigte selbst auch geltend machen könnte.

Wenn Kunde mit späterem Reparaturbeginn einverstanden war

Hat der Geschädigte den Aufklärungshinweis zum späteren Reparaturbeginn erhalten und sich nach dem Motto „Wird schon gutgehen“ dennoch zum Verbleib in der Werkstatt entschieden, scheidet ein Anspruch des Geschädigten gegen die Werkstatt aus. Denn er wurde ja aufgeklärt. Zum Glück gezwungen werden muss er von der Werkstatt nicht. Weil dann der Geschädigte keinen Schadenersatzanspruch gegen die Werkstatt wegen des erhöhten Ausfallschadens hat, hat der Versicherer auch keinen.

Das ist die Rechtslage, allerdings nicht Sinn der Übung. Denn der Versicherer soll im Gegenzug zur vollständigen Erstattung auf der Grundlage des Werkstatt- bzw. Mietwagenrisikos in die Lage versetzt werden, die Mehrkosten bei der Quelle der Verteuerung regressieren zu können.

Die Versicherer werden aus Regress-Misserfolgen schnell lernen und den Geschädigten im Vorfeld der Erstattung der erhöhten Kosten fragen, ob er im Hinblick auf den verzögerten Reparaturbeginn und die deshalb zu erwartenden Schwierigkeiten aufgeklärt wurde. Wenn er bejaht, ist es nicht mehr selbstverständlich, dass er selbst keinen Einfluss auf die Entwicklung der Schadenhöhe hatte. Hätte er eine schnellere Alternative gehabt, müsste der Versicherer nach Auffassung von UE den subjektbezogenen Schadenbegriff gar nicht anwenden. UE wird die Entwicklung beobachten.

Vortragslast für einen günstigeren Verlauf trägt Versicherer

Wurde der Kunde von der Werkstatt nicht aufgeklärt, bedeutet das noch immer nicht, dass ihm dadurch ein kausaler Schaden entstanden ist. Denn denkt man sich die pflichtgemäße Aufklärung hinzu und hätte der aufgeklärte Kunde dennoch keine „schnellere Werkstatt“ in zumutbarer Nähe mit zumutbarem Aufwand gefunden (wie immer dürfte für den zumutbaren Aufwand gelten: keine Marktforschung, aber drei Alternativen prüfen), ist kein kausaler Schaden entstanden.

Die Vortragslast dafür, dass dem Kunden in der Rolle des Geschädigten eine Alternative mit nennenswert früherem Reparaturbeginn zur Verfügung gestanden hätte, trägt nach Auffassung von UE der Versicherer. Hat der Geschädigte sich auf den Aufklärungshinweis hin erfolglos bemüht, kann das im Vorgriff auf eine eventuelle sekundäre Vortragslast des Geschädigten bereits unaufgefordert dargelegt werden.

Wichtig | Dass der Schutz der Werkstatt durch § 280 Abs. 2 i. V. m. § 286 BGB (ohne Mahnung kein Schadenersatz wegen Verzögerung) auch hier greift, ist nach Auffassung von UE nicht anzunehmen. Denn hier geht es nicht um eine sich erst im Verlaufe der Reparatur ergebende Verzögerung, sondern ggf. um ein Aufklärungsverschulden der Werkstatt.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag: „Kosten für angeforderten Reparaturablaufplan sind vom Schädiger zu erstatten – das hat das AG Mühldorf klargestellt“, UE 7/2025, Seite 6 → Abruf-Nr. 50446681

AUSGABE: UE 7/2025, S. 7 · ID: 50449033

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