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EinkommensteuerAuslandsentsendung: So mindert der Kaufkraftausgleich im Inland die Steuerlast
| Alle drei Monate meldet das BMF, dass das Auswärtige Amt für bestimmte Dienstorte im Ausland die Kaufkraftzuschläge neu festgesetzt hat. Doch was sind diese Kaufkraftzuschläge überhaupt und wie können Arbeitnehmer mit diesen Steuern sparen? SSP bringt Licht ins Dunkel. |
Was ist der Kaufkraftausgleich und für wen gilt er?
Bei einer Auslandsentsendung sind Arbeitnehmer nicht nur in Ländern tätig, in denen die Lebenshaltungskosten in etwa denjenigen entsprechen, die in Deutschland üblich sind. Oft müssen Betroffene auch in Ländern mit wesentlich höheren Lebenshaltungskosten leben und arbeiten. Um diese höheren Lebenshaltungskosten im Ausland auszugleichen und Arbeitnehmern in finanzieller Sicht Lebensbedingungen zu schaffen, die in Deutschland gelten, kann der Arbeitgeber einen Kaufkraftausgleich zahlen. Dieser ist nach § 3 Nr. 64 EStG in gewissen Grenzen steuer- und beitragsfrei. Zu unterscheiden sind dabei drei Gruppen von Arbeitnehmern:
1. Gruppe: Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Zur Gruppe 1 gehört, wer ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts hat (z. B. als Beamter) und aus öffentlichen Kassen bezahlt wird (§ 3 Nr. 64 S. 1 EStG). Zahlt der Arbeitgeber für eine Auslandstätigkeit Bezüge, die den Arbeitslohn übersteigen, und die man im Inland für eine vergleichbare Tätigkeit erhalten hätte, kann dieser steuerfrei sein. Dies gilt z. B. für
Beispiel |
Ein inländischer Beamte wird für vier Wochen in Belgien tätig. Er erhält einen Kaufkraftausgleich und Auslandszuschlag etc. von 1.500 Euro. Lösung: Die 1.500 Euro sind nach § 3 Nr. 64 S. 1 EStG steuerfrei. Bei einem individuellen Steuersatz von 30 Prozent bedeutet dies eine Ersparnis von 450 Euro. |
- die Zulage für besondere Erschwernisse nach § 47 BBesG,
- den Auslandszuschlag nach § 53 BBesG,
- den Mietzuschuss nach § 54 BBesG,
- den Kaufkraftausgleich nach § 55 BBesG oder
- den Auslandsverwendungszuschlag nach § 56 BBesG.
Entstehen im Ausland Aufwendungen, die bei inländischen Einkünften als Werbungskosten abzugsfähig wären, muss § 3c Abs. 1 EStG beachtet werden. Da die (erhöhten) Aufwendungen im Ausland teilweise mit dem nach § 3 Nr. 64 EStG steuerfreien Kaufkraftausgleich in Zusammenhang stehen, sind die Werbungskosten anteilig zu kürzen (BFH, Urteil vom 11.02.1993, Az. VI R 66/91).
2. Gruppe: Mit Gruppe 1 vergleichbare Personen
In Gruppe 2 fällt, wer in einem Dienstverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber steht, der Arbeitgeber den Arbeitslohn aber wie im öffentlichen Dienst ermittelt. Zudem muss der Arbeitslohn aus einer öffentlichen Kasse gezahlt und ganz oder zu mindestens 75 Prozent aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden. Darunter fallen z. B.
- Mitarbeiter des Goethe-Instituts,
- des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt,
- der Max-Planck-Gesellschaft,
- des Deutschen Akademischen Austauschdiensts und
- der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.
3. Gruppe: Übrige Arbeitnehmer der Privatwirtschaft
Zur Gruppe 3 gehören alle anderen Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers (Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland). Deshalb ist die Steuerbefreiung nicht anwendbar, wenn man bei einer ausländischen Tochtergesellschaft angestellt ist. Erforderlich ist zudem, dass man für einen begrenzten Zeitraum einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründet (§ 3 Nr. 64 S. 3 EStG). Die Tätigkeit im Ausland muss also
- einerseits regelmäßig länger als sechs Monate andauern und
- andererseits muss eine Rückkehr ins Inland nach Beendigung der Tätigkeit vorgesehen sein (Prognoseentscheidung).
Wichtig | Ob man nach dem Ende der Tätigkeit tatsächlich ins Inland zurückkehrt ist unerheblich (R 3.64 Abs. 1 S. 3 LStR). Ebenfalls ist es nicht entscheidend, ob man während des Zeitraums der Auslandsentsendung den bisherigen inländischen Wohnsitz aufgibt oder als Zweitwohnsitz beibehält (und die Wohnung bzw. das Haus evtl. vermietet).
Steuerliche Besonderheiten bei Gruppe 3
Für Arbeitnehmer, die der Gruppe 3 angehören, also in der Privatwirtschaft arbeiten, gelten noch einige steuerliche Besonderheiten.
Umfang der Steuerbefreiung ist geringer
Die Steuerbefreiung erstreckt sich nur auf den Kaufkraftausgleich, der den für vergleichbare Auslandsbezüge nach § 55 BBesG („60-Prozent-Grenze“) zulässigen Betrag nicht übersteigt. Da eine vergleichbare Bemessungsgrundlage außerhalb des öffentlichen Dienstes regelmäßig nicht vorhanden ist, muss der steuerfreie Teil des Kaufkraftausgleichs mittels eines Abschlagssatzes nach den Gesamtbezügen einschließlich des Kaufkraftausgleichs bestimmt werden. Der Abschlagssatz errechnet sich wie folgt:
Formel |
Zuschlagsatz x 600 |
1.000 + 6 x Zuschlagsatz |
Abschlagsatztabelle „Privatwirtschaft“ | |||||
Ausgehend von dieser Formel ergibt sich folgende Abschlagsatztabelle: | |||||
Zuschlagsatz | Abschlagsatz | Zuschlagsatz | Das Zuschlags- und Abschlags-
prozedere ... Abschlagsatz | Zuschlagsatz | Abschlagsatz |
5 | 2,91 | 40 | 19,35 | 75 | 31,03 |
10 | 5,66 | 45 | 21,26 | 80 | 32,43 |
15 | 8,26 | 50 | 23,08 | 85 | 33,77 |
20 | 10,71 | 55 | 24,81 | 90 | 35,06 |
25 | 13,04 | 60 | 26,47 | 95 | 36,31 |
30 | 15,25 | 65 | 28,06 | 100 | 37,50 |
35 | 17,36 | 70 | 29,58 |
Beispiel |
... und seine Auswirkungen auf den konkreten Fall A ist ab 01.08.2021 für ein Jahr in die Schweiz entsandt worden. Er erhält für diesen Zeitraum neben seinem Grundgehalt von 4.000 Euro einen Kaufkraftausgleich von 2.000 Euro. Lösung: Für die Schweiz ist ab dem 01.08.2021 ein Zuschlagsatz von 25 Prozent vorgesehen (BMF, Schreiben vom 13.04.2022, Abruf-Nr. 48204023). Dieser führt zu einem Abschlagsatz von 13,04 Prozent. Vom Gesamtgehalt in Höhe von 6.000 Euro bleiben daher 782,40 Euro steuer- und beitragsfrei (6.000 Euro x 13,04 Prozent). |
Ergibt sich durch Anwendung des Abschlagssatzes ein höherer Betrag als der tatsächlich gewährte Kaufkraftausgleich, ist nur der niedrigere Betrag steuerfrei. Zu den Gesamtbezügen, auf die der Abschlagsatz anzuwenden ist, gehören zudem nicht steuerfreie Reisekostenvergütungen und steuerfreie Vergütungen für Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung.
Beispiel |
A ist ab dem 01.03.2022 für ein Jahr nach Norwegen entsandt worden. Er erhält in diesem Zeitraum neben dem Grundgehalt (5.000 Euro) einen Kaufkraftausgleich von 500 Euro und monatlich steuerfreie Reisekostenvergütungen von 1.000 Euro. Lösung: Für Norwegen ist ab dem 01.03.2022 ein Zuschlagsatz von 20 Prozent vorgesehen (BMF, Schreiben vom 13.04.2022). Dieser führt zu einem Abschlagsatz von 10,71 Prozent. Vom Gesamtgehalt ohne Reisekosten in Höhe von 5.500 Euro bleiben daher 589,05 Euro (6.000 Euro x 13,04 Prozent), maximal aber der tatsächlich gezahlte Zuschlag von 500 Euro steuer- und beitragsfrei. |
Gehaltsumwandlung schädlich
Es wird nur ein tatsächlich gezahlter Kaufkraftausgleich steuerfrei gestellt. Voraussetzung ist nämlich, dass ein besonderer Lohnbestandteil neben einem fiktiven inländischen Lohn gezahlt wird. Ob dieser Zuschlag als Kaufkraftausgleich oder anders bezeichnet wird, ist unerheblich. Nicht zulässig ist es daher, einen Teil des ohnehin geschuldeten Arbeitslohns in steuerfreien Kaufkraftausgleich umzudeuten (Gehaltsumwandlung etc.).
Steuerbefreiung = Reduzierter Progressionsvorbehalt
Während sich die Steuerbefreiung in den Gruppen 1 und 2 aufgrund der reduzierten steuerpflichtigen Einkünfte erheblich auswirkt, fällt der Vorteil in der Gruppe 3 etwas geringer aus. Denn durch den ausländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt und einer damit verbundenen Tätigkeit im ausländischen Staat von mindestens einem halben Jahr, steht dem ausländischen Staat entsprechend der meisten DBA bzw. dem Auslandstätigkeitserlass regelmäßig das Besteuerungsrecht zu. Deutschland dürfte die ausländischen Einkünfte ohnehin nicht besteuern – sondern nur nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigen. Der Vorteil für Arbeitnehmer privater Arbeitgeber liegt also darin, dass sich der Progressionsvorbehalt reduziert. Und auch das kann Steuern sparen, wie das Beispiel zeigt.
Beispiel |
C wird ab dem 01.07.2022 für ein Jahr nach Japan entsandt. Er erhält ein Gehalt von 3.500 Euro. Für die Tätigkeit ab dem 01.07.2022 werden ihm zusätzlich monatlich 2.000 Euro als Kaufkraftausgleich gezahlt. Zudem erzielt er durch die Vermietung seiner inländischen Wohnung Vermietungseinkünfte von 10.000 Euro. Die im Inland abzugsfähigen Sonderausgaben usw. betragen insgesamt 3.000 Euro. ... und der Einkommensteuererklärung des Arbeitnehmers Lösung: Entsprechend dem DBA zwischen Japan und Deutschland steht Japan ab dem 01.07.2022 das Besteuerungsrecht der nichtselbstständigen Einkünfte zu. Die ausländischen Einkünfte sind jedoch als Progressionseinkünfte zu berücksichtigen. Diese betragen regulär 33.000 Euro ([3.500 + 2.000 Euro] x sechs Monate), reduzieren sich jedoch um den darin enthaltenen und nach § 3 Nr. 64 EStG steuerfreien Kaufkraftzuschlag von 5.033 Euro (Japan, Zuschlagsatz 30 Prozent, Abschlagsatz 15,25 Prozent; Gesamtgehalt 33.000 Euro x 15,25 Prozent = 5.033 Euro) auf 27.967 Euro. Ermittlung des steuerfreien Kaufkraftausgleichs spart Steuern Wäre der steuerfreie Kaufkraftausgleich nicht ermittelt und abgezogen worden, würde sich die Einkommensteuer bei Progressionseinkünften von 33.000 Euro auf 7.169 Euro belaufen. Der steuerfreie Kaufkraftausgleich bewirkt damit auch bei einem Arbeitnehmer der Privatwirtschaft eine Steuerersparnis (hier in Höhe von 368 Euro). |
- Die aktuell gültigen Kaufkraftzuschläge finden Sie im BMF-Schreiben vom 13.04.2022 auf ssp.iww.de → Abruf-Nr. 48204023
AUSGABE: SSP 6/2022, S. 23 · ID: 48235056