Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2022 abgeschlossen.
AnrechnungPKH/VKH: Wann wird die außergerichtliche Geschäftsgebühr angerechnet?
| In der (familienrechtlichen) Praxis immer wieder problematisch: Der Anwalt wird zunächst außergerichtlich tätig und kann hierfür eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG beanspruchen. Im anschließenden gerichtlichen Verfahren erhält er PKH/VKH und hat nach § 49 RVG einen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse. Muss sich der Anwalt in dieser Konstellation etwas anrechnen lassen? |
Inhaltsverzeichnis
1. Die Grundsätze regelt § 58 RVG
Die Anrechnung von Zahlungen und Vorschüssen regelt § 58 RVG. Für Gebühren vor und nach Beiordnung bestimmt § 58 Abs. 2 S. 2 RVG ausdrücklich: „Ist eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG (Anrechnung einer Gebühr) ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.“
2. Darauf kommt es in der Praxis an
Für den Anwalt ergibt sich somit die Notwendigkeit, dass er Zweierlei ermitteln muss:
Merke | Eine Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung kommt nur in Betracht, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung nach § 13 RVG und dem insgesamt nach § 49 RVG gegen die Staatskasse bestehenden Anspruch völlig beglichen ist. |
Beispiel | |
Rechtsanwalt R war für den Mandanten M zunächst in einem außergerichtlichen Güterrechtsverfahren (Wert: 100.000 EUR) tätig. Für das Scheidungsverfahren wurde dem M VKH bewilligt und R beigeordnet. Der Scheidungsantrag wurde zurückgenommen. Dort wurde der Streitwert wie folgt festgesetzt: Scheidung 4.000 EUR, Versorgungsausgleich 1.000 EUR und Güterrecht 100.000 EUR. Was kann R abrechnen? | |
Lösung: Ausgehend von einer Mittelgebühr ergibt sich die folgende Abrechnung: Das ist der vorläufige Gesamtbetrag 1. Ermittlung des Gesamtbetrags nach § 15a Abs. 1 RVG Es wird gerechnet: Geschäftsgebühr (gemäß Nr. 2300 VV RVG, § 13 RVG) abzüglich der Anrechnung (nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) zuzüglich der Verfahrensgebühr (gemäß § 13 RVG), also: | |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG aus 100.000 EUR | 2.482,50 EUR |
abzgl. 0,75 gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG | - 1.241,25 EUR |
zzgl. 1,3-Verfahrensgebühr gem. § 13 RVG aus 105.000 EUR | 2.151,50 EUR |
3.392,75 EUR | |
Anwalt muss sich hier nichts anrechnen lassen 2. Ermittlung des Anrechnungsbetrags Der Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG darf durch die Zahlung der Geschäftsgebühr und den Anspruch gegen die Staatskasse gemäß § 49 RVG ohne Anrechnung nicht überschritten werden, d. h.: | |
Zahlung der Geschäftsgebühr | 2.482,50 EUR |
Anspruch gegen Staatskasse: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG gem. § 49 RVG aus 105.000 EUR | 856,70 EUR |
3.339,20 EUR | |
abzgl. Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG | - 3.392,75EUR |
Negativer „Anrechnungsbetrag“ | - 53,55 EUR |
Die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr von | 856,70 EUR |
reduziert sich somit nicht um 53,55 EUR, da ein negativer Anrechnungsbetrag nicht angerechnet werden kann | |
Das kann der Anwalt insgesamt verdienen Ergebnis R kann daher gegenüber der Staatskasse wie folgt abrechnen (§ 49 RVG): | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 105.000 EUR | 856,70 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
876,70 EUR |
- den Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG
- den Anrechnungsbetrag
AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 177 · ID: 48548590