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AnrechnungPKH/VKH: Wann wird die außergerichtliche Geschäftsgebühr angerechnet?

Abo-Inhalt29.09.20228499 Min. LesedauerVon Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| In der (familienrechtlichen) Praxis immer wieder problematisch: Der Anwalt wird zunächst außergerichtlich tätig und kann hierfür eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG beanspruchen. Im anschließenden gerichtlichen Verfahren erhält er PKH/VKH und hat nach § 49 RVG einen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse. Muss sich der Anwalt in dieser Konstellation etwas anrechnen lassen? |

1. Die Grundsätze regelt § 58 RVG

Die Anrechnung von Zahlungen und Vorschüssen regelt § 58 RVG. Für Gebühren vor und nach Beiordnung bestimmt § 58 Abs. 2 S. 2 RVG ausdrücklich: „Ist eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG (Anrechnung einer Gebühr) ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.“

2. Darauf kommt es in der Praxis an

Für den Anwalt ergibt sich somit die Notwendigkeit, dass er Zweierlei ermitteln muss:

Merke | Eine Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung kommt nur in Betracht, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung nach § 13 RVG und dem insgesamt nach § 49 RVG gegen die Staatskasse bestehenden Anspruch völlig beglichen ist.

Beispiel

Rechtsanwalt R war für den Mandanten M zunächst in einem außergerichtlichen Güterrechtsverfahren (Wert: 100.000 EUR) tätig.

Für das Scheidungsverfahren wurde dem M VKH bewilligt und R beigeordnet. Der Scheidungsantrag wurde zurückgenommen. Dort wurde der Streitwert wie folgt festgesetzt: Scheidung 4.000 EUR, Versorgungsausgleich 1.000 EUR und Güterrecht 100.000 EUR. Was kann R abrechnen?

Lösung:

Ausgehend von einer Mittelgebühr ergibt sich die folgende Abrechnung:

1. Ermittlung des Gesamtbetrags nach § 15a Abs. 1 RVG

Es wird gerechnet: Geschäftsgebühr (gemäß Nr. 2300 VV RVG, § 13 RVG) abzüglich der Anrechnung (nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) zuzüglich der Verfahrensgebühr (gemäß § 13 RVG), also:

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG aus 100.000 EUR

2.482,50 EUR

abzgl. 0,75 gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG

- 1.241,25 EUR

zzgl. 1,3-Verfahrensgebühr gem. § 13 RVG aus 105.000 EUR

2.151,50 EUR

3.392,75 EUR

2. Ermittlung des Anrechnungsbetrags

Der Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG darf durch die Zahlung der Geschäftsgebühr und den Anspruch gegen die Staatskasse gemäß § 49 RVG ohne Anrechnung nicht überschritten werden, d. h.:

Zahlung der Geschäftsgebühr

2.482,50 EUR

Anspruch gegen Staatskasse: 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG gem. § 49 RVG aus 105.000 EUR

856,70 EUR

3.339,20 EUR

abzgl. Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG

- 3.392,75EUR

Negativer „Anrechnungsbetrag“

- 53,55 EUR

Die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr von

856,70 EUR

reduziert sich somit nicht um 53,55 EUR, da ein negativer Anrechnungsbetrag nicht angerechnet werden kann

Ergebnis

R kann daher gegenüber der Staatskasse wie folgt abrechnen (§ 49 RVG):

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 105.000 EUR

856,70 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

876,70 EUR

  • den Gesamtbetrag nach § 15a Abs. 1 RVG
  • den Anrechnungsbetrag

AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 177 · ID: 48548590

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