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VernehmungsterminsgebührIst Schweigen im Hafttermin ein Verhandeln?

Abo-Inhalt10.09.20226472 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Häufig scheitert eine Vernehmungsterminsgebühr nach den Nrn. 4102, 4103 VV RVG für die Teilnahme des Verteidigers an einem sog. Hafttermin daran, dass nicht „verhandelt“ worden ist. Mit diesem Problem hat sich auch das LG Düsseldorf vor Kurzem beschäftigt. |

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Der Verteidiger hatte an einem Termin teilgenommen, in dem gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen und anschließend verkündet worden ist. Das LG Düsseldorf lehnte dafür eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4103 Ziff. 3 VV RVG – anders als noch die Vorinstanz – ab (25.8.22, 17 Qs-110 Js 6494/20-22/22, Abruf-Nr. 231128; a. A. AG Neuss 18.5.22, 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20, Abruf-Nr. 230414). Denn für das Entstehen der Vernehmungsterminsgebühr sei Folgendes erforderlich: Der Verteidiger müsse im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden sein, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden. Der Antrag des Anwalts, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, begründe keine Verhandlung im gebührenrechtlichen Sinn. Dies gelte ebenso, wenn der Verteidiger dem Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich rät, keine Angaben zur Sache zu machen, und dieser deshalb schweigt.

Relevanz für die Praxis

Aus meiner Sicht ist diese Entscheidung falsch (und das AG hatte Recht). Denn das LG hat übersehen, dass es für die Gebühr genügt, dass der Verteidiger für den Beschuldigten zu Fragen im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft Stellung nimmt. Er muss keine Anträge stellen. Es reichen Erklärungen oder Stellungnahmen, die dazu bestimmt sind, die Untersuchungshaft abzuwenden.

Im vorliegenden Fall ist der Haftbefehl erst im Termin erlassen und dann verkündet worden. Das dürfte für ein „Verhandeln“ auf jeden Fall ausreichen. Außerdem ist in dem Termin noch viel mehr geschehen: Man hat sowohl zum dringenden Tatverdacht als auch ggf. zum Haftgrund und zur Haftfähigkeit „verhandelt“ (vgl. auch OLG Saarbrücken StraFo 14, 350; LG Osnabrück JurBüro 18, 467 und 20, 478; LG Traunstein RVG prof. 13, 79).

Ob es für das Entstehen der Vernehmungsterminsgebühr ausreicht, wenn der Beschuldigte in dem „Hafttermin“ erklärt, er wolle schweigen, wird zum Teil in der Rechtsprechung verneint (KG AGS 09, 480; OLG Hamm AGS 07, 240; OLG Jena RVGreport 14, 24 = StRR 2014, 239; OLG Saarbrücken, a. a. O.). Nach zutreffender anderer Ansicht reicht dies aber (vgl. LG Bielefeld StV 06, 198; LG Traunstein, a. a. O.). Denn die Erklärung, man wolle schweigen, ist auch eine Verhandlung zur Sache und geht über die bloße Verkündung des Haftbefehls hinaus.

AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 168 · ID: 48411087

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