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ReisekostenAnwalt muss nicht „mit den Hühnern aufstehen“

Abo-Inhalt18.09.20227627 Min. LesedauerVon Christian Noe B. A., Göttingen

| Hat ein Anwalt auswärts einen so frühen Gerichtstermin, dass er um 5:00 Uhr morgens starten müsste, darf er Übernachtungskosten geltend machen und einen 90-Minuten-Zeitpuffer einrechnen. Geht die Umladung zu spät beim Anwalt ein, sodass dieser die Reise vergeblich antritt, kann er laut dem KG die Kosten gegen die Gegenseite festsetzen lassen, auch wenn ein Amtshaftungsanspruch möglich ist. |

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Angelehnt an § 758a Abs. 4 ZPO ist von einer Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit auszugehen, wenn Hin- und Rückreise zu einem Gerichtstermin nicht in dem Zeitfenster von 6:00 bis 21:00 Uhr erfolgen können (zuletzt u. a. OLG Frankfurt 7.5.18, 6 W 37/18; OLG Naumburg 8.6.16, 12 W 36/16). Zusätzlich ist dabei ein Sicherheitspuffer einzubeziehen, da es bei der An- und Rückreise zu Verzögerungen kommen kann.

Vorliegend war es insofern plausibel, dass der Anwalt für die Anreise von Hamburg nach Berlin neben der reinen Fahrzeit von ca. 3 Stunden einen Puffer von zusätzlich 90 Minuten veranschlagt hat, weil er Zeit für die Parkplatzsuche und das Aufsuchen des Verhandlungssaals einbezogen hat. Danach hätte seine Anreise zu der auf 9:30 Uhr terminierten Verhandlung in Hamburg um 5:00 Uhr morgens beginnen müssen. Diese Uhrzeit sei dem Bevollmächtigten (noch) nicht zuzumuten gewesen. Auch die Höhe der Hotelkosten von 83,96 EUR (brutto) sei nicht zu beanstanden (KG 25.5.22, 5 W 22/22, Abruf-Nr. 231072).

Relevanz für die Praxis

Wenn Bevollmächtigte eine Umladung nicht mehr rechtzeitig vor dem Terminstag erhalten und die Reise umsonst antreten, liegt ein Fehler des Gerichts vor. So steht ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB gegen das Land im Raum. Der Bevollmächtigte ist grundsätzlich auch nicht gehalten, sich bei einer längeren Reise zu einem Gerichtstermin eigeninitiativ telefonisch bei dem Gericht zu erkundigen, ob dieser tatsächlich stattfinden wird.

Dennoch kann der Rechtsanwalt seine Reisekosten gegen die unterlegene Partei festsetzen lassen. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB sieht außerdem im Fall einer nur fahrlässigen Amtspflichtverletzung vor, dass sich der Anspruchsteller auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten verweisen lassen muss. Danach muss zumindest die Partei, die einen Erstattungsanspruch hat, diesen Anspruch grundsätzlich vorrangig im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Ob letztlich ein nach § 839 Abs. 1 BGB erstattungsfähiger Schaden entstanden ist oder ob dieser aufgrund einer prozessualen Kostenerstattungspflicht auf den (unterlegenen) Prozessgegner verlagert wird, wird daher regelmäßig erst nach dem Festsetzungsverfahren beurteilt werden können.

Weiterführende Hinweise

AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 172 · ID: 48493416

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