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StrafprozessPflichtverteidiger: Gebühren nur für einen Termin
| Nach der Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung Ende 2019 wird inzwischen vermehrt ein Pflichtverteidiger nur für einen Termin bestellt (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO). Wie dieser Pflichtverteidiger seine Tätigkeit abrechnet, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Das AG Halle (Saale) gesteht ihm sämtliche im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG zu. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
. 230413
Die Frage ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. einerseits OLG Celle StraFo 18, 534 = JurBüro 18, 580; andererseits OLG Karlsruhe RVG prof. 08, 208; OLG Hamm 23.3.06, 3 Ws 586/05). Zutreffend sei es jedoch, alle Gebühren zu gewähren (AG Halle [Saale] 20.5.22, 398 Gs 540 Js 594/22 [259/229], Abruf-Nr. 230413).
Dies folge daraus, dass sich der insoweit beigeordnete Pflichtverteidiger in den Rechtsfall selbstständig einarbeiten muss. Ihm obliege die vollständige Verantwortung für die Verteidigungstätigkeiten in dem jeweiligen Termin mit allen Rechten und Pflichten. Die Bestellung erfolge i. d. R. ohne inhaltliche oder gebührenrechtliche Einschränkung. Es sei kein Grund erkennbar, weshalb dem umfassend mit allen Verteidigertätigkeiten für den Termin beigeordneten Rechtsanwalt dies gebührenrechtlich nicht abzugelten sein sollte. Dies gelte insbesondere auch für den nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beigeordneten Rechtsanwalt (vgl. dazu Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl., Nr. 4100 Rn. 5 VV RVG).
Relevanz für die Praxis
Die vom AG zitierten Entscheidungen sind noch zum Recht vor der gesetzlichen Neuregelung der §§ 140 ff. StPO ergangen. Mit der Frage haben sich unter der Geltung des neuen Rechts der Pflichtverteidiger inzwischen auch schon einige andere Gerichte befasst und die Frage so wie das AG Halle (Saale) entschieden (vgl. LG Aachen 20.10.20, 60 Qs 47/20; LG Magdeburg AGS 21, 427).
Diese Auffassung war schon bezüglich der alten Rechtslage zutreffend. Sie ist es erst recht zur Neuregelung. Denn nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO oder nach § 141 Abs. 2 StPO wird dem Beschuldigten ausdrücklich ein „notwendiger Verteidiger“ oder „ Pflichtverteidiger“ beigeordnet.
Das AG hat zudem auf die negativen Folgen hingewiesen, die bei Anerkennung nur der Terminsgebühr eintreten könnten: Würde in dem Hafttermin nicht i. S. d. Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG „verhandelt“, würde der Pflichtverteidiger überhaupt keine Vergütung erhalten. Seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger sei in diesem Fall ist also eine vergütungsfrei zu erbringende Tätigkeit im öffentlichen Interesse. Das ist aber nicht zulässig.
AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 170 · ID: 48420107