Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2022 abgeschlossen.
ReisekostenAuswärtiger Verteidiger kann notwendig sein
| In der Praxis macht die Auslagenerstattung für den auswärtigen Verteidiger häufig Schwierigkeiten. Mit einem aktuellen Fall hat sich das LG Oldenburg befasst. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
. 231071
Der Betroffene B hatte zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheids in Torgau gewohnt und ist nun im davon 53 km entfernten Leipzig wohnhaft. Zu dem Hauptverhandlungstermin beim AG Vechta reiste der Verteidiger V des B aus Torgau an. Das Verfahren wurde eingestellt und die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt. Das LG Oldenburg bejahte die Erstattung der Reisekosten des V weitgehend (13.7.22, 5 Qs 217/22, Abruf-Nr. 231071).
Das LG kam nach Würdigung aller Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass die Hinzuziehung des V für B zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Es ging auch um eine empfindliche Geldbuße von 25.000 EUR. Schließlich bestand ausweislich des Vortrags des Rechtsanwalts seit vielen Jahren ein Vertrauensverhältnis zwischen V und B.
Relevanz für die Praxis
Die Erstattung von Reisekosten und Abwesenheitsgeld eines nicht am Ort des Prozessgerichtes ansässigen Verteidigers kommt gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO nur in Betracht, wenn seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen ist. Dies ist nur unter besonderen Voraussetzungen der Fall, z. B., wenn bei einer schwierigen oder abgelegenen Rechtsmaterie ein Rechtsanwalt mit besonderen Fachkenntnissen erforderlich erscheint, die kein Rechtsanwalt vor Ort hat (u. a. OLG Bamberg JurBüro 87, 558; OLG Düsseldorf NJW 71, 1146; NStZ 81, 451). Dies gilt im Einzelfall auch, wenn der Angeklagte weit vom Gerichtsort entfernt wohnt und zur Rücksprache mit seinem Verteidiger große Strecken fahren müsste.
Zu den Reisekosten gehören als sonstige Auslagen (Nr. 7006 VV RVG) auch angemessene Übernachtungskosten. Die Ersatzfähigkeit von Übernachtungskosten orientiert sich dem Grund nach allein an der Frage der Zumutbarkeit eines Reisebeginns zur Nachtzeit (§ 758 a Abs. 4 ZPO). Ein Reiseantritt (ab der Wohnung des Rechtsanwalts) vor 6 Uhr morgens ist in der Regel nicht zumutbar (OLG Nürnberg AGS 13, 201).
Beachten Sie | Sind in den Übernachtungskosten die Kosten eines Frühstücks enthalten, sind diese anteilig abzuziehen, weil der Rechtsanwalt auch ohne Durchführung der Geschäftsreise – dann zu Hause – ein Frühstück eingenommen hätte und insoweit also eigene Kosten gespart hat (OLG Düsseldorf AGS 12, 561).
- Anwalt muss nicht „mit den Hühnern aufstehen“, RVG prof. 22, 172
- Diese Reisekosten werden dem Anwalt erstattet, RVG prof. 22, 3; RVG prof. 22, 136
- Darauf ist bei der Erstattung von Parteikosten für die Wahrnehmung von Terminen zu achten, RVG prof. 22, 97
AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 171 · ID: 48541012