Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2022 abgeschlossen.
Leserforum1,3-Verfahrensgebühr für Stellungnahme zu Testament?
| Frage: M und seine Ehefrau E wurden testamentarisch als Alleinerben bedacht (Nachlasswert: 30.000 EUR). Der nicht pflichtteilsberechtigte Angehörige G der E ficht das Testament mit der Behauptung an, dies sei nicht in der Handschrift des Erblassers verfasst. M und E beauftragen im Rahmen einer schriftlichen Anhörung Rechtsanwalt R mit der geforderten Stellungnahme. R kann anhand einer Textprobe darlegen, dass sich die Handschriften decken. Das Gericht entscheidet nicht, sondern verweist auf die Möglichkeit eines Erbscheinverfahrens. Als G dieses nicht durchführt, legt das Gericht den Vorgang ab. Was kann R abrechnen? |
Antwort von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock (Koblenz): Nachlasssachen (vgl. §§ 352 ff. FamFG) werden nach Teil 3 VV RVG abgerechnet, sodass die Gebührentatbestände nach Nrn. 3100 ff. VV RVG gelten. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:
Beispiel: Rechtsanwalt stellt nur den reinen Antrag |
Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG i. V. m. Nr. 3100 VV RVG Stellt der Rechtsanwalt beim Nachlassgericht lediglich einen Antrag (hier: auf Testamentseröffnung) und nimmt eine Entscheidung entgegen, bekommt er eine von 1,3 auf 0,8 reduzierte Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG i. V. m. Nr. 3100 VV RVG. |
Beispiel: Rechtsanwalt begründet den Antrag auch noch |
Nr. 3100 VV RVG Es entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG und die Ermäßigung auf 0,8 greift nicht, wenn der Anwalt den Antrag direkt oder nachträglich – etwa auf Nachfrage des Nachlassgerichts oder auf Einwendungen der Gegenseite (z. B. anderer Miterben, Pflichtteilsberechtigte) hin – begründet. Der Anwalt setzt sich mit dem Antrag auseinander und prüft, ob etwas zu unternehmen ist. Damit hat er nicht „lediglich einen Antrag gestellt“, sondern ein Mehr an Tätigkeit entfaltet. Im eingangs in der Frage geschilderten Fall erhält R deshalb eine 1,3-Verfahrensgebühr, die für den zweiten Auftraggeber um 0,3 erhöht wird (Nr. 1008 VV RVG). Dasselbe gilt, wenn weitere Ausführungen erforderlich werden, nachträglich noch Unterlagen (z. B. Abstammungsurkunden) beizubringen sind oder der Anwalt einen Gerichtstermin wahrnimmt. In all diesen Fällen beschränkt sich die Tätigkeit nicht nur auf eine Antragstellung. Ob der Antrag begründet ist, spielt keine Rolle. |
Beachten Sie | Eine Gegenausnahme von Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG ist Nr. 3101 Abs. 2 VV RVG. Hiernach wird die Reduzierung auf eine 0,8-Verfahrensgebühr ausgehebelt, wenn es sich um ein streitiges Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Die freiwillige Gerichtsbarkeit kennt jedoch wegen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes keine streitigen Verfahren. Daher ist darauf abzustellen, dass das Verfahren im Einzelfall streitig geführt wird.
AUSGABE: RVGprof 10/2022, S. 164 · ID: 48548394