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Prozessrecht„Spezielle“ Feststellungsklage neben allgemeinem Feststellungsausspruch?

Abo-Inhalt18.08.202570 Min. Lesedauer

| Eine „spezielle“ Feststellungsklage kann neben einem bereits titulierten Feststellungsausspruch möglich sein. |

Sachverhalt

Dem bei einem Verkehrsunfall verletzten Kläger war bereits erstinstanzlich durch Teil-Anerkenntnisurteil rechtskräftig die allgemeine Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für seine Unfallschäden zugesprochen worden. Im Berufungsverfahren verlangte er neben weiterem Verdienstausfallersatz die Feststellung der zukünftigen Ersatzpflicht der Beklagten, „ab dem 1.7.24 bis zum Eintritt des gesetzlichen Renteneintrittsalters den Verdienstausfall zu ersetzen, der sich aus der Zugrundelegung eines hypothetisch erzielbaren Monatsverdiensts von derzeit 3.346,12 EUR ergibt, der sich wiederum jährlich ab dem 1.1. um 2 % erhöht, wobei abzuziehen ist ein ersparter Aufwand in Höhe von 128 EUR pro Monat sowie der Betrag, der auf den gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.“

Entscheidungsgründe

Das OLG Saarbrücken (13.12.24, 3 U 34/24, Abruf-Nr. 249186) hielt dies für zulässig. Die beiden wichtigsten Voraussetzungen:

  • Der weitere Feststellungsantrag muss ein „Mehr“ gegenüber dem allgemeinen Feststellungsausspruch enthalten
  • Dieses „Mehr“ lag hier in der Konkretisierung der Schadensposition. Der allgemeine Feststellungsausspruch besagte nichts dazu, ob überhaupt und in welchem Umfang ein entsprechender Verdienstausfallschaden für die Zeit ab August 2024 tatsächlich eintritt; diese Klärung kann durch den „allgemeinen“ Feststellungsausspruch nicht erreicht werden.
  • Insoweit lag der Fall anders als bei der Entscheidung desselben Senats (8.3.24, 3 U 22/23). Dort hatte der Geschädigte neben dem bereits zugesprochenen allgemeinen Feststellungsantrag beantragt, „die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen, sämtlichen unfallbedingten materiellen Schaden wie Verdienstausfall nebst Steuern und Haushaltsführungsschaden zu ersetzen.“ Insoweit erschöpfte sich der Feststellungsantrag darin, dass die Beklagte die einzeln genannten Schadenspositionen dem Grunde nach zu ersetzen hat. Das geht aber nicht über den bereits titulierten allgemeinen Feststeller hinaus. Es enthält also nicht das erforderliche „Mehr“.
  • Das Feststellungsinteresse kann hier auch nicht mit einer drohenden Verjährung von Ansprüchen auf Verdienstausfall und Ersatz des Haushaltsführungsschadens begründet werden. Zwar tritt die regelmäßige Verjährungsfrist an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren, soweit rechtskräftig festgestellte Ansprüche künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben (§ 197 Abs. 2 BGB). Eine neuerliche Feststellungsklage mit demselben Streitgegenstand ist aber nur zulässig, wenn für sie zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung ein unabweisbares Bedürfnis besteht und sie unerlässlich ist, um den Eintritt der Verjährung zu hindern (BGH 7.5.03, IV ZR 121/02). Dies war hier nicht der Fall, weil der Kläger die Verjährung mit der Leistungsklage verhindern kann.
  • Es darf keinen Vorrang der Leistungsklage geben
  • Grundsätzlich gilt aus Gründen der Prozessökonomie (Doppelbefassung der Gerichte) der Vorrang der Leistungsklage, wenn es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sogleich ein vollstreckbares Urteil zu bekommen. Eine Feststellungsklage kann aber ausnahmsweise zulässig sein, obwohl eine Leistungsklage erhoben werden kann. Voraussetzung ist, dass die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH 5.10.21, VI ZR 136/20). Diese Voraussetzung war für das OLG Saarbrücken vorliegend erfüllt:
    • Angesichts der zukünftigen Änderungen des hypothetischen Einkommens und der Erwerbsminderungsrente ist die Feststellung der Höhe des Verdienstausfalls für die – überschaubare – Zeit bis zum Regelrenteneintritt (59,5-jähriger Kläger) sinnvoller als eine Zahlungsverurteilung, die jeweils wieder abgeändert werden muss.
    • Von der Beklagten kann erwartet werden, dass sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.
    • Eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO setzte eine „wesentliche Änderung“ der Verhältnisse voraus; angesichts der nur ungefähren Grenze von 10 % bleiben „Ob“ und „Wie“ einer Abänderung ungewiss.

AUSGABE: VA 9/2025, S. 154 · ID: 50455650

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