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SchadensminderungspflichtSchadensminderungspflicht eines mitarbeitenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers
| Auch wenn ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer eine volle Erwerbsminderung erleidet, müssen sowohl bei der Mitwirkung an der Abberufung als Geschäftsführer als auch bei einer überobligationsmäßigen Tätigkeit die Folgen genau bedacht werden. Das zeigt eine Entscheidung des OLG Saarbrücken. |
Sachverhalt
Der Kläger war mitarbeitender Geschäftsführer (und Mitgesellschafter) in einem Handwerksbetrieb für Heizung und Sanitär. Bei einem Verkehrsunfall in 5/07 erlitt er u. a. Frakturen beider Unterschenkel mit Amputation des linken Unterschenkels (Prothese). Er bezog seit Mitte 2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (DRV Saarland), arbeitet aber in streitigem Umfang weiter. Gleichzeitig wurde er – mit seiner Mitwirkung – als Geschäftsführer abberufen. Seiner Klage u. a. auf Ersatz des Verdienstausfallschadens legte er den Verlust seines Geschäftsführergehalts zugrunde.
Entscheidungsgründe
Das OLG Saarbrücken (8.3.24, 3 U 22/23, Abruf-Nr. 249187) akzeptierte die Berechnung grundsätzlich. Es schränkte den Anspruch aber damit ein, dass der Kläger sich bis Februar 21 ein erzielbares Einkommen auf Grundlage seines Geschäftsführervertrags wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) anrechnen lassen müsse. Es sei ihm – trotz voller Erwerbsminderung und 70 % MdE – zuzumuten gewesen, weiter als Geschäftsführer zu arbeiten. Die wichtigsten Grundsätze des OLG bei seiner Entscheidung:
- Für die Frage der Arbeitsunfähigkeit besteht keine Bindung an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers. Es kommt vielmehr darauf an, was der Kläger trotz seiner Verletzungen noch zu leisten imstande war.Entscheidung des RVT ist nicht bindend
- Die noch leistbare Arbeit muss zumutbar sein:
- Auch wenn keine Einschränkungen im Rahmen einer reinen Schreibtisch- und Büroarbeit bestanden, musste sich der Kläger nach seiner Abberufung als GF nicht um eine neue Anstellung als Bürokraft bemühen. Denn dafür war er schon wegen seines Alters (58 Jahre) und seiner körperlichen Versehrung nicht mehr vermittelbar.
- Da er jedoch in der Geschäftsführertätigkeit nicht gehindert war, hätte er nicht ohne Verletzung seiner Schadensminderungspflicht an seiner Abberufung mitwirken dürfen: Es lagen keine sonstigen wichtigen Gründe für eine Abberufung i. S. d. § 38 Abs. 2 GmbHG vor. Ohne seine Mitwirkung (50%ige Beteiligung) konnte die Abberufung auch nicht erreicht werden (§ 47 GmbHG). Zudem bestand hier ein Bedürfnis für eine Fortsetzung seiner Tätigkeit, da der nachfolgende Neffe erst im Februar 21 hinreichend geschult war.GF-Tätigkeit hätte nicht aufgegeben werden dürfen
Relevanz für die Praxis
Eine ärztlich festgestellte prozentuale Minderung der Arbeitskraft belegt nicht zwangsläufig einen entsprechenden finanziellen Nachteil (BGH VersR 78, 1170). Der Geschädigte muss daher die Auswirkungen der MdE auf sein Erwerbseinkommen konkret darlegen und nachweisen. Das gilt verstärkt bei einer MdE bis zu 20 %. Ansonsten wird i. d. R. davon ausgegangen, dass es an einer messbaren Einbuße fehlt (OLG Düsseldorf NJW 11, 1152; OLG Nürnberg VersR 68, 359).
Ob die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Geschädigten zumutbar ist, bestimmt sich nach dessen Persönlichkeit, sozialer Lage, bisherigem Lebenskreis, Begabung und Anlagen, Bildungsgang, Kenntnissen und Fähigkeiten, bisheriger Erwerbsstellung, gesundheitlichen Verhältnissen, Alter, seelischer und körperlicher Anpassungsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Art und Schwere der Unfallfolgen, Familie und Wohnort (vgl. BGH VersR 74, 142; NZV 94, 63; NZV 07, 29). Wohnsitzwechsel (im Inland) wie längere Fahrtzeiten (BGH NJW 98, 3706) sind nicht generell unzumutbar.
Geht der Verletzte einer unzumutbaren Arbeit nach, geschieht dies überobligationsmäßig. Dies darf deshalb nicht zur Entlastung des Schädigers anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Vorsicht ist geboten, denn der Geschädigte muss gemäß § 287 ZPO die Überobligationsmäßigkeit beweisen (BGH 20.10.09, VI ZB 53/08). Mit der Aufnahme der Arbeit setzt er sich aber häufig dem Verdacht aus, dass ihm die Arbeit auch zumutbar ist.
AUSGABE: VA 9/2025, S. 153 · ID: 50455653