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AusfallschadenAuch wenn der Versicherer endlos trödelt: Es gibt keine Kreditaufnahmepflicht des Geschädigten

Top-BeitragAbo-Inhalt15.04.20255363 Min. Lesedauer

| Lässt sich ein Versicherer monatelang Zeit, bis er seine Eintrittspflicht für den Schaden erklärt, darf der Geschädigte mit der Erteilung des Reparaturauftrags warten, bis er diese Sicherheit hat, wenn er selbst die Reparaturkosten nicht stemmen kann. Meint der Versicherer und manchmal auch ein nicht auf aktuellem Rechtsprechungsstand stehendes Gericht nun, dann hätte der Geschädigte eben einen Kredit aufnehmen müssen, außer er weise seine Kreditunwürdigkeit nach, ist davon nichts zu halten. UE erklärt, warum das so ist. |

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BGH: Auf die Kreditwürdigkeit kommt es nicht an

Auf die Kreditwürdigkeit des Geschädigten kommt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht an. Denn auch wer einen Kredit bekäme, wäre nicht verpflichtet, ihn zur Entlastung des Schädigers aufzunehmen.

Im Hinblick auf eine fiktive Abrechnung (!) eines Unfallschadens hat der BGH geklärt, wann der damalige Kläger die gedachte (!) Reparatur hätte in Auftrag geben müssen. Das Ergebnis war: Er durfte sogar die gedachte (!) Reparatur erst in Auftrag geben, als er vom Schädiger das Geld dafür zur Verfügung gestellt bekam. Denn anderenfalls hätte er gedacht (!) eigenes Geld aufwenden müssen, um die gedachte (!) Rechnung zu bezahlen. Dazu ist er aber nicht verpflichtet.

Geschädigter muss Schaden nicht aus eigenen Mitteln beseitigen

Beim BGH heißt es im Urteil vom 18.08.2020 (Az. VI ZR 115/19, Abruf-Nr. 215406) unter Rz. 17 dazu sehr eindrucksvoll: „Grundsätzlich ist es Sache des Schädigers, die Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist unter Umständen berechtigt, grundsätzlich aber nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Dieser Rechtsgrundsatz würde unterlaufen, sähe man den Geschädigten schadensrechtlich grundsätzlich als verpflichtet an, die Schadensbeseitigung zeitnah nach dem schädigenden Unfall vorzunehmen und damit ganz oder teilweise aus eigenen oder fremden Mitteln vorzufinanzieren.“

Wichtig | Beachten Sie noch einmal die Formulierung: „ … oder gar Kredit aufzunehmen.“ Das „ … oder gar …“ ist eine sehr deutliche Distanzierung. Das heißt: Selbst wenn der Geschädigte könnte, er müsste nicht.

Wann der Einsatz eigener Mittel allenfalls in Betracht kommt

Im weiteren Verlauf der zitierten Passage weist der BGH darauf hin, dass eine Obliegenheit zum Einsatz eigener Mittel allenfalls in Betracht kommt (§ 254 BGB und damit der Vortragslast des Versicherers unterliegend), wenn die eigenen Mittel so bemessen sind, dass die Weigerung, sie einzusetzen, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht nachvollziehbar wäre.

Das Ergebnis: Der Geschädigte muss sogar fiktiv noch nicht einmal eigenes flüssiges (sondern allenfalls „über“-flüssiges) Geld einsetzen. Schon gar nicht muss er einen Kredit aufnehmen, auch wenn er es könnte. Bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur mit nicht nur gedacht, sondern real zu verauslagendem Geld muss das umso mehr gelten.

Der Grund dafür ist leicht nachvollziehbar: Einen Kredit muss man zurückzahlen. Ist er erst einmal aufgenommen, gibt es für den Geschädigten kein Zurück mehr. Während er – statt einen Kredit aufzunehmen – auf die Zahlungszusage des Versicherers wartet, kann er zu jeder Zeit die Entscheidung treffen, lieber kein Auto mehr zu haben als (ggf. zusätzliche) Schulden.

Wenn der Geschädigte schließlich doch einen Kredit aufnimmt

Immer wieder mal verliert ein Geschädigter die Nerven und nimmt nach langem erfolglosem Warten auf das Geld des Versicherers doch einen Kredit auf. Weil der Geschädigte überhaupt nicht verpflichtet ist, ein Darlehen aufzunehmen, die Kreditaufnahme also überobligatorisch ist, kommt es auf die Frage, ob der Kredit unter diesen Umständen schon von Anfang an hätte genommen werden müssen, nicht an (AG Wiesbaden, Urteil vom 18.05.2022, Az. 93 C 3300/20 (31), Abruf-Nr. 232089 i. V. m. LG Wiesbaden, Beschlüsse vom 30.06.2022 und vom 23.08.2022, Az. 14 S 1/22, Abruf-Nr. 232090).

Kredit angedroht – aber nicht aufgenommen

In einem Fall des AG Augsburg hat der Geschädigte anwaltlich den Hinweis erteilen lassen, dass er zur Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln nicht in der Lage sei und daher ein Darlehen für die Reparatur aufnehmen müsse, wenn der Versicherer nicht unverzüglich seine Eintrittspflicht mitteile. Damit allerdings ließ sich der Versicherer noch 20 Tage Zeit. Im Hinblick auf den Ausfallschaden für etwa einen Monat stellte er sich dann u. a. auf den Standpunkt, im Hinblick auf die Ankündigung der Kreditaufnahme habe er darauf vertrauen dürfen, das sei umgesetzt und die Reparatur sei begonnen worden. Motto: Wer gackert, müsse auch das Ei legen.

Das AG Augsburg hält es jedoch für nachvollziehbar, dass vor der Aufnahme eines Darlehens zunächst die Reaktion des Schädigers abgewartet werde, um festzustellen, ob nunmehr eine zeitnahe Regulierung erfolge oder ob sich die Geschädigte auf einen längeren Regulierungszeitraum einstellen muss, der den Aufwand der Kreditaufnahme als notwendig erscheinen lasse (AG Augsburg, Urteil vom 12.08.2022, Az. 15 C 1470/22, Abruf-Nr. 231204).

Praxistipp | Der warnende Hinweis (§ 254 Abs. 2 BGB) an den Versicherer, dass der Geschädigte den Schaden nicht aus eigenen Mitteln beseitigen lassen kann, muss zwingend erfolgen. Denn sonst ist der Versicherer für den erweiterten Ausfallschaden im Regelfall nicht verantwortlich.

Weiterführender Hinweis
  • Aktualisierter Rechtsanwaltstextbaustein RA024: Dauer des Ausfallschadens – Klagebegründung (H) → Abruf-Nr. 46282848

AUSGABE: UE 5/2025, S. 12 · ID: 50388816

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