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Kinder und SteuernSteuerliche Erleichterungen für Kinder (Teil 1): Kinderfreibeträge und Kindergeld

Abo-Inhalt28.06.20224348 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Kinder werden im Steuerrecht besonders begünstigt. Neben diversen Freibeträgen bestehen zahlreiche Möglichkeiten, Aufwendungen im Zusammenhang mit Kindern geltend zu machen. Da Gesetzgebung und Rechtsprechung sich laufend mit dem Thema „Kinder und Steuern“ befassen, ist es schier unmöglich, stets auf dem Laufenden zu sein und alle Abzugsmöglichkeiten zu nutzen. SSP startet deshalb eine Beitragsreihe. Teil 1 nimmt die Kinderfreibeträge und das Kindergeld für Sie unter die Lupe. |

Welche Kinder sind berücksichtigungsfähig?

Zunächst: Kind ist steuerlich nicht gleich Kind. Oder mit anderen Worten: Damit Sie für ein Kind von Steuerentlastungen profitieren können, muss das Kind bestimmte Anforderungen erfüllen.

Die Voraussetzungshürden in § 32 EStG

Die wichtigste Voraussetzung ist in § 32 EStG geregelt. Demnach muss es sich um ein im ersten Grad mit Ihnen verwandtes Kind oder um ein Pflegekind handeln. Dieses wird nur bis zum Ablauf des Monats berücksichtigt, in dem es das 18. Lebensjahr vollendet hat. Es gibt jedoch einige Ausnahmen zu Ihren Gunsten.

Kinder über 18 Jahren

Auch über das 18. Lebensjahr hinaus werden Kinder berücksichtigt, wenn

  • sie noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet sind oder
  • sie noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und
    • für einen Beruf ausgebildet werden (Ausbildung, Studium, Schule),
    • sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befinden (z. B. Schule/Ausbildung),
    • eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortführen können oder
    • ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst oder ähnliches ableisten.

Nach Abschluss einer Berufsausbildung oder eines Erststudiums werden Kinder nur noch berücksichtigt, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Ein Job mit weniger als 20 Wochenstunden zählt nicht als Erwerbstätigkeit. Über das 25. Lebensjahr hinaus wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn

  • es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und
  • die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG).

Das Kindergeld

Erfüllt Ihr Kind die eingangs vorgestellten Voraussetzungen, ist es ertragsteuerlich berücksichtigungsfähig. Sie erhalten daher zunächst Kindergeld nach § 66 EStG. Nachfolgend sind neben den Zahlen für 2022 auch die für 2020 und 2021 aufgeführt, weil ja jetzt erst die Steuererklärungen für diese Jahre anstehen:

Jährliches Kindergeld

Jahr

1. und 2. Kind

3. Kind

Jedes weitere Kind

2020

2.448 Euro

2.520 Euro

2.820 Euro

2021

2.628 Euro

2.700 Euro

3.000 Euro

2022

2.628 Euro

2.700 Euro

3.000 Euro

Darüber hinaus haben Familien in den Jahren 2020 und 2021 einen einmaligen Zuschlag pro Kind in Höhe von 300 Euro bzw. 150 Euro erhalten, um die Belastungen des mehrmonatigen Lockdowns abzumildern. Auch für das Jahr 2022 hat die Bundesregierung einen Zuschlag in Höhe von 100 Euro pro Kind gesetzlich verankert. Die Auszahlung erfolgt im Juli 2022.

Das Kindergeld wird Ihnen monatlich zu einem Zwölftel von den Familienkassen ausgezahlt. Die Auszahlung beginnt mit dem Monat, in dem Sie die Vo-raussetzungen für die Auszahlung erstmals erfüllen. Regelmäßig ist das der Monat der Geburt. Entsprechend endet die Zahlung mit Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen letztmals vorliegen. Beendet das Kind z. B. im Mai seine Berufsausbildung, wird für diesen Monat letztmalig das Kindergeld ausgezahlt.

Wichtig | Haben Sie Anspruch auf Kindergeld, wird Ihnen dieses nicht automatisch gewährt. Sie müssen einen Antrag bei der Familienkasse stellen. Dafür können Sie sich nicht ewig Zeit lassen, denn das Kindergeld wird gemäß § 70 Abs. 1 EStG nur rückwirkend für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Wurde Ihr Kind z. B. im Januar geboren und reichen Sie den Antrag auf Kindergeld erst im Dezember ein, erfolgt die Auszahlung des Kindergelds nur rückwirkend ab Juni und nicht ab Januar.

Die Freibeträge: Kinder- und Betreuungsfreibetrag

Neben dem Kindergeld gibt es noch den Kinder- und den Betreuungsfreibetrag, die Sie in der Einkommensteuererklärung geltend machen können. Beide sind in § 32 Abs. 6 EStG verankert.

Jährliche Freibeträge

Jahr

Kinderfreibetrag

Betreuungsfreibetrag

Summe der Freibeträge

2020

5.172 Euro

2.640 Euro

7.812 Euro

2021

5.460 Euro

2.928 Euro

8.388 Euro

2022

5.460 Euro

2.928 Euro

8.388 Euro

Dabei steht jedem Elternteil der hälftige Freibetrag zu, sodass bei einer Zusammenveranlagung der volle Betrag berücksichtigt wird.

Das Besondere dieser Freibeträge ist, dass sie nicht wie das Kindergeld ausbezahlt, sondern bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden. Die Freibeträge führen dazu, dass Ihr Einkommen in Höhe der Freibeträge von der Steuer verschont bleibt und Sie so weniger Steuern zahlen müssen. Da es sich um einen Jahresbetrag handelt, werden die Freibeträge allerdings nur zeitanteilig gewährt, wenn das Kind bei Ihnen nur zeitweise zu berücksichtigen ist (z. B. im Jahr der Geburt).

Kinder wohnen im Ausland

Für Kinder mit Wohnsitz in Ländern mit einem niedrigeren Lebensstandard werden je nach Land nur ein Viertel bis drei Viertel der Freibeträge gewährt (Ländergruppeneinteilung gemäß BMF-Schreiben vom 11.11.2020, Az. IV C 8 – S 2285/19/10001 :002, Abruf-Nr. 219267 und § 32 Abs. 6 S. 4 EStG).

Praxistipp | Bei einem Elternteil wird auch der Freibetrag des anderen Elternteils berücksichtigt, wenn der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder wenn ein Elternteil alleine das Kind angenommen hat, weil der andere Elternteil z. B. nicht bekannt ist oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht (§ 32 Abs. 6 S. 3 EStG).

Kindergeld versus Kinderfreibeträge

Grundsätzlich gilt: Eltern können nicht Kindergeld erhalten und zusätzlich die vollen Freibeträge von der Steuer absetzen. Der zeitliche Ablauf ist so, dass erst monatlich Kindergeld ausgezahlt wird, und dann hinterher, im Rahmen der Einkommensteuererklärung, geprüft wird, was für jedes Kind für Sie günstiger ist: Das Kindergeld oder die Freibeträge (§ 31 EStG).

Kommt das Finanzamt dabei zu dem Ergebnis, dass das Kindergeld günstiger ist, passiert nichts weiter. Denn das Kindergeld haben Sie ja bereits erhalten. Sind hingegen die Freibeträge für Sie günstiger, werden diese von Ihrem Einkommen abgezogen und Sie müssen in dieser Höhe keine Steuern bezahlen. Da Sie parallel Anspruch auf Kindergeld hatten, wird dieses jedoch auf die Einkommensteuer aufgeschlagen. Andernfalls wären Sie doppelt begünstigt worden. Das Kindergeld wird in diesem Fall als eine Art Vorauszahlung für die Entlastung durch Kinderfreibeträge berücksichtigt.

Wichtig | Die Günstigerprüfung gilt nur für die Einkommensteuer. Für die Berechnung der Zuschlagsteuern (Kirchensteuer und Soli) werden die Freibeträge immer abgezogen (§ 51a Abs. 2 EStG) – auch im Lohnsteuerabzugsverfahren. Dabei werden sogar die vollen Jahresbeträge in Abzug gebracht, auch wenn das Kind erst unterjährig geboren wurde.

Beispiel

Melanie und Malte haben ein Kind. Ihr zu versteuerndes Einkommen beträgt im Jahr 2021 ohne Berücksichtigung von Freibeträgen für ihr Kind:

a) 50.000 Euro b) 100.000 Euro

In der Variante a) ist das Kindergeld günstiger. Deshalb werden die Freibeträge bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht berücksichtigt und es wird eine Steuer von 7.252 Euro festgesetzt. Das Kindergeld von 2.778 Euro darf die Familie in voller Höhe behalten.

In der Variante b) sind die Freibeträge günstiger. Sie werden vom Einkommen abgezogen und reduzieren die Steuer um 3.172 Euro auf 20.816 Euro. Parallel wird das Kindergeld (2.778 Euro) auf die Steuer aufgeschlagen, sodass die Familie eine Steuererstattung in Höhe der Differenz von 394 Euro erhält (= Freibetragsvorteil).

Nur Gutverdienende profitieren von den Freibeträgen

Von den Freibeträgen profitieren Sie nur, wenn Sie über ein hohes Einkommen verfügen. Im Jahr 2022 liegt die Grenze bei einem Kind (Kindergeld 2.728 Euro/Freibeträge 8.388 Euro) bei einem Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG) von etwa 75.000 Euro (Zusammenveranlagung, keine Progressionseinkünfte).

Optimale Steuerersparnis: Mit den Freibeträgen jonglieren

Grundsätzlich stehen sowohl die Freibeträge als auch das Kindergeld jedem Elternteil zur Hälfte zu. Die Freibeträge können jedoch auch zwischen den Eltern verteilt werden. Dies kann zu einer erheblichen Ersparnis führen. Denn hat ein Elternteil nur Anspruch auf das hälftige Kindergeld, aber auf die vollen Freibeträge, wirken sich die Freibeträge erheblich stärker auf die Steuer aus. Da die vollen Freibeträge das Einkommen und damit die Steuer mindern, jedoch nur das hälftige Kindergeld angerechnet wird, ergibt sich bereits bei einem sehr niedrigen Einkommen eine Ersparnis. Die Modalitäten zur Übertragung regelt § 32 Abs. 6 S. 6 ff. EStG:

Jonglier-Beispiel

Melanie und Malte sind nicht verheiratet. Sie haben ein gemeinsames minderjähriges Kind. Sie wohnen getrennt voneinander. Das Kind wohnt bei Melanie. Das Kindergeld steht beiden zu je 1/2 zu (jeweils 1.389 Euro). Melanies zu versteuerndes Einkommen beträgt im Jahr 2021 ohne Abzug des Kinder- und Betreuungsfreibetrags 35.000 Euro. Maltes zu versteuerndes Einkommen beträgt 30.000 Euro.

Ohne einen Antrag von Melanie auf Übertragung des vollen Betreuungsfreibetrags nach § 32 Abs. 6 S. 8 EStG beträgt die von ihr zu zahlende Steuer 6.660 Euro und die von Malte zu zahlende Steuer 5.091 Euro. Die Freibeträge (jeweils 2.730 Euro Kinderfreibetrag und 1.464 Euro Betreuungsfreibetrag) werden nicht abgezogen, da das Kindergeld günstiger ist. Beantragt Melanie die Übertragung des vollen Betreuungsfreibetrags, bleibt es bei Malte bei einer Steuer von 5.091 Euro. Bei Melanie sind nun die Freibeträge (Kinderfreibetrag 2.730 und Betreuungsfreibetrag 2 x 1.464 Euro) günstiger. Die von ihr zu zahlende Steuer reduziert sich nach Hinzurechnung des Kindergelds (1.389 Euro) auf 6.326 Euro. Dies bedeutet eine Ersparnis von 334 Euro.

  • Bei nicht verheirateten Eltern wird auf Antrag eines Elternteils der Kinder- und Betreuungsfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn nur er seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind im Wesentlichen nachgekommen ist oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Das gilt nicht für Zeiträume, in denen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.
  • Bei nicht verheirateten Eltern wird auf Antrag eines Elternteils der Betreuungsfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn es sich um ein minderjähriges Kind handelt und dieses in seiner Wohnung gemeldet ist. Das gilt nicht, wenn der andere Elternteil der Übertragung widerspricht, weil er selbst Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in nicht unwesentlichem Umfang betreut (mindestens 36 Tage im Jahr).
  • Kinderfreibetrag und Betreuungsfreibetrag können zudem auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.

Sowohl Kindergeld als auch Freibeträge bewirken Abgeltungswirkung

Das Kindergeld und / oder die Freibeträge sollten prinzipiell sämtliche Aufwendungen abdecken, die Ihnen im Zusammenhang mit Ihrem Kind entstehen. Dieses Prinzip wird aber von einer Reihe von Ausnahmetatbeständen durchbrochen. Diese greift SSP (s. unten) in den nächsten Ausgaben auf.

Fazit | Für Kinder können Eltern eine Reihe steuerlicher Vergünstigungen erhalten. Kindergeld oder Kinder- und Betreuungsfreibeträge sind die Dinge, die am bekanntesten und am leichtesten zugänglich sind. Das Finanzamt prüft, ob für die Eltern die Freibeträge für Kinder oder das ausbezahlte Kindergeld günstiger ist. Diese Prüfung erfolgt automatisch und muss nicht beantragt werden.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Kindergeld: Wenn volljährige Kinder die Ausbildung krankheitsbedingt ab- oder unterbrechen“, SSP 3/2022, Seite 12 → Abruf-Nr. 47989572
  • Beitrag „Die Nichtanhebung der Kinderfreibeträge (im Steuerentlastungsgesetz 2022) kann verfassungswidrig sein: Jetzt Rechte wahren“, SSP 6/2022, Seite 8 → Abruf-Nr. 48361555
  • SSP zeigt, wann Sie für Kinder Kinderbetreuungskosten, Schulgeld, Krankheitskosten, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Unterhaltsleistungen und anderes steuermindern geltend machen können.

AUSGABE: SSP 7/2022, S. 10 · ID: 48118258

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