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Ehewohnung bei GetrenntlebenNutzungsentschädigung – das sind die Streitpunkte

Abo-Inhalt14.04.2025121 Min. LesedauerVon RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Mediatorin, zertifizierte Verfahrensbeiständin, Neumann & Neumann, Konstanz

| Immer häufiger ist auch die Ehewohnung bei getrennt lebenden Ehegatten ein Streitpunkt, insbesondere wenn der Wohnungsmarkt eng ist. In diesem Beitrag sollen die wichtigsten Punkte dargestellt werden, was man bei der Beratung seines Mandanten auf jeden Fall wissen sollte. |

1. Begriff Ehewohnung

Der Begriff „Ehewohnung“ ist weit auszulegen. Nach der BGH-Rechtsprechung umfasst eine Ehewohnung alle zu Wohnzwecken benutzten Räumlichkeiten, die nach den Umständen zum Wohnen bestimmt waren. Auch Nebenräume wie Keller, Speicher, Garage oder auch der Garten und das Gartenhaus gehören dazu (BGH FamRZ 90, 987; OLG Brandenburg FamRZ 20, 406). Auch können mehrere Wohnungen gleichzeitig als Ehewohnung dienen. Voraussetzung: Die Eheleute halten sich dort über längere Zeit regelmäßig auf und haben dort in dieser Zeit den Schwerpunkt des familiären Zusammenlebens (z. B. Ferienwohnung, Wochenendhaus, Gartenlaube etc.; vgl. OLG Celle FamRZ 15, 1193). Das der Nutzung zugrunde liegende Rechtsverhältnis (Miete, Eigentum, Wohnrecht) spielt dabei keine Rolle (OLG Brandenburg, a. a. O.). Nicht zur Ehewohnung gehören ausschließlich gewerblich oder beruflich genutzte Räume.

2. Drei unterschiedliche Zeiträume

Es sind drei Zeiträume zu unterscheiden:

a) Zwischen Trennung und Rechtskraft der Scheidung

Leben die Ehegatten voneinander getrennt oder will einer von ihnen getrennt leben, gilt: Gem. § 1361b Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil überlässt, um diese alleine zu nutzen, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Eine unbillige Härte setzt eine ungewöhnlich schwere Beeinträchtigung voraus (OLG München FamRZ 95, 1205). § 1361b Abs. 1 S. 2 BGB nennt die Beeinträchtigung des Kindeswohls der im Haushalt lebenden Kinder oder gem. Abs. 2 der Vorschrift Gewalt eines Ehegatten gegen den anderen.

Bloße bei einer zerrütteten Ehe typische Unannehmlichkeiten oder Spannungen oder eine schlechtere Unterbringung in einer neuen Wohnung reichen nicht aus (OLG München, a. a. O.). Welche Umstände zur Trennung geführt haben, ist ebenfalls unbeachtlich (Prinzip des verschuldensunabhängigen Trennungs- und Scheidungs-(folgen-Rechts). Das Gericht nimmt eine Gesamtabwägung aller zu berücksichtigender Umstände vor. Dabei muss es gem. § 1361b Abs. 1 S. 3 BGB auch dingliche Rechtspositionen (z. B. Eigentum, Nießbrauch, Wohnrecht) beachten. In diesem Zusammenhang kann es gem. Abs. 3 S. 1 der Norm auch Schutz- und Unterlassungsanordnungen erlassen.

Beispiele

  • Räumen und Herausgeben der Wohnung und der Schlüssel nebst Zeitpunktbestimmung (OLG Zweibrücken FamRZ 20, 832; OLG München FamRZ 95, 1205)
  • Näherungs-, Betretungs- und Belästigungsverbot (OLG Köln FamRZ 03, 319)
  • Verbot, Mobiliar aus der Wohnung zu entfernen (KG FamRZ 17, 1393)
  • Kündigungsverbot für Alleinmieter (Brudermüller, FuR 03, 433)

Streitig sind die Anordnungen eines Veräußerungs- oder Teilungsversteigerungsverbots (Wever/Frank, FamRZ 21, 1165). Z. T. wird mit dem Gesetzeswortlaut argumentiert, der kein Veräußerungsverbot vorsehe oder mit § 1365 BGB, wenn es sich bei der Ehewohnung um das Vermögen im Ganzen handelt (Grüneberg/Götz, BGB, 84. Aufl., § 1361b Rn. 17). Das Verbot wird z. T. mit § 242 BGB begründet (OLG Hamburg FamRZ 17, 1829; a. A. Wever, FamRZ 18, 649).

Wichtig | Der Antragsteller sollte die Vorfälle und Zustände konkret nach Ort, Zeit und Folgen für die im Haushalt lebenden Kinder oder den Betroffenen schildern sowie Anordnungen gem. § 1361b Abs. 3 BGB beantragen.

Lassen die Umstände und die Größe der Wohnung es zu, kann das Gericht auch anordnen, die Wohnung aufzuteilen (AG Saarbrücken FamRZ 03, 530).

Gem. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB kann der Ehegatte, der dem anderen die Wohnung überlassen muss, von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Praktisch kommt dies nur bei Allein- oder Miteigentum des die Nutzungsvergütung fordernden Ehegatten vor. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Ehegatte die Wohnung freiwillig verlassen hat oder ob das Gericht diese dem anderen zugewiesen hat (BGH FamRZ 14, 460; OLG Celle FamRZ 15, 1193).

Der Anspruch besteht jedoch nicht, wenn beim Unterhalt ein entsprechender Wohnvorteil aufseiten des Berechtigten berücksichtigt wurde (BGH, a. a. O.).

Merke | Wurde der Unterhalt noch nicht geregelt, kommt kein Widerantrag im Unterhalts- oder Ehewohnungszuweisungsverfahren in Betracht, auch keine Verfahrensverbindung, da der Trennungsunterhalt eine Familienstreitsache, der Anspruch nach § 1361b BGB aber ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist (OLG Koblenz FamRZ 20, 239).

Der BGH hat entschieden, dass in einem Verfahren auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung im Rahmen der Billigkeit immer auch die Trennungsunterhaltsansprüche geprüft werden müssen. Damit ist eine bedeutsame Streitfrage höchstrichterlich entschieden (dazu A. Möller, FK 25, 60 ff.).

Das Gericht nimmt auch bei der Nutzungsentschädigung eine Billigkeitsabwägung vor, wobei es die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Eheleute beachtet, z. B. wer etwaige Darlehenszahlungen leistet. Im Trennungsjahr kann nur eine angemessene Vergütung verlangt werden. Danach kann die objektive Marktmiete gefordert werden, einschließlich der auf den Mieter umlagefähigen Nebenkosten. Voraussetzung ist die klare und eindeutige bezifferte Zahlungsaufforderung (OLG Düsseldorf FamRZ 19, 779). Anders als bei § 745 Abs. 2 BGB muss der in der Wohnung verbleibende Ehegatte nicht noch zusätzlich zur Änderung der Verwaltungs- und Benutzungsregelung aufgefordert und vor die Alternative Auszug „Zahlen oder Auszug“ gestellt werden (OLG Düsseldorf, a. a. O.). Die Nutzungsvergütung kann erst ab Aufforderung geltend gemacht werden, ausnahmsweise als Einwendung rückwirkend.

Musterformulierung / Forderung einer Nutzungsentschädigung

Nachdem mein Mandant aus der im jeweils hälftigen Miteigentum stehenden Ehewohnung am 10.11.22 ausgezogen ist, mache ich nun in seinem Namen eine Nutzungsvergütung geltend. Da das Trennungsjahr abgelaufen ist, ist die objektive Marktmiete maßgebend. Diese beträgt für die von Ihnen seit Dezember 2022 allein bewohnte Ehewohnung monatlich 1.000 EUR. Meinem Mandanten steht daher eine Nutzungsentschädigung gegen Sie ab dem 1.12.24 i. H. v. monatlich 500 EUR zu. Hinzu kommen die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten i. H. v. monatlich 100 EUR.

Ich fordere Sie daher auf,

ab dem 1.12.24 zum ersten Werktag eines jeden Monats an meinen Mandanten einen Betrag von 600 EUR auf das Konto … als Nutzungsentschädigung zu bezahlen.

Die Zuweisung der Ehewohnung nebst Anordnungen gem. § 1361b Abs. 3 BGB gelten bis zur Rechtskraft der Ehescheidung. § 1361b BGB ist Lex specialis zu

  • § 2 GewSchG (str., Grüneberg/Götz, BGB, 84. Aufl., § 2 GewSchG, Rn. 2),
  • § 858 BGB (Aussperren eines Ehegatten),
  • § 745 Abs. 2 BGB (OLG Düsseldorf FamRZ 19, 779; BGH NJW 17, 2554),
  • § 985 BGB (BGH FamRZ 17, 22).

b) Ab Rechtskraft der Scheidung bis zu einem Jahr danach

Ein Ehegatte kann gem. § 1568a Abs. 1 BGB verlangen, dass ihm der andere Ehegatte anlässlich der Scheidung die Ehewohnung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Gem. § 1568a Abs. 2 BGB kann der dinglich berechtigte Ehegatte nur verpflichtet werden, dem anderen die Wohnung zu überlassen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Daran sind hohe Anforderungen zu stellen.

Beispiele

  • Der die Kinder betreuende Ehegatte kann keine andere Wohnung finden.
  • Die Kinderbetreuung ist im Fall eines Umzugs nicht gesichert (Grüneberg/Götz, a. a. O., § 1568a Rn. 8).

Nicht ausreichend sind bloße Unbequemlichkeit und eine weniger gute andere Wohnung (OLG München FamRZ 95, 1205).

Bei der Überlassung einer im Allein- oder Miteigentum stehenden Wohnung kann der dinglich berechtigte Ehegatte gem. § 745 Abs. 2 BGB eine Nutzungsentschädigung verlangen, da § 1568a BGB dies nicht regelt. Der Ehegatte, der eine Nutzungsentschädigung verlangt, muss eindeutig die Änderung der Verwaltungs- und Nutzungsregelung mit einer konkreten Zahlungsaufforderung verlangen, d. h. Zahlung oder Auszug (BGH FamRZ 08, 2015; OLG Düsseldorf FamRZ 19, 779).

Merke | Eine für die Trennungszeit geregelte Zahlungspflicht reicht nicht aus. Diese muss ab Rechtskraft der Ehescheidung durch das Verlangen der Änderung der Verwaltung und Neuregelung verbunden mit einer Zahlungsaufforderung „neu aktiviert“ werden (Wever/Frank, FamRZ 21, 1165, 1666). Wird die Scheidung während des Verfahrens nach § 1361b rechtskräftig, darf dies nicht vergessen werden.

Musterformulierung / Neuregelung der Verwaltung und Nutzung

Nachdem mein Mandant aus der im jeweils hälftigen Miteigentum stehenden Ehewohnung am 10.12.21 ausgezogen und die Ehe nun seit November 23 rechtskräftig geschieden ist, verlange ich für meinen Mandanten eine Änderung der Verwaltungs- und Nutzungsregelung und mache in seinem Namen eine Nutzungsvergütung geltend. Da die objektive Marktmiete für die von Ihnen allein bewohnte Ehewohnung monatlich 1.000 EUR beträgt, fordere ich Sie auf, ab dem 1.12.23 an meinem Mandanten eine monatliche Nutzungsentschädigung i. H. v. 500 EUR sowie verbrauchsunabhängige Nebenkosten in Höhe von monatlich 100 EUR, insgesamt somit monatlich 600 EUR zum ersten Werktag eines jeden Monats an meinen Mandanten auf das Konto … zu bezahlen.

Ist die Wohnung gemietet, tritt der Ehegatte, dem die Wohnung überlassen wird, zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung der Ehegatten über die Überlassung an den Vermieter oder mit Rechtskraft der Endentscheidung im Wohnungszuweisungsverfahren anstelle des zur Überlassung verpflichteten Ehegatten in ein von diesem eingegangenes Mietverhältnis ein oder setzt ein von beiden eingegangenes Mietverhältnis allein fort (Eintritts- oder Fortsetzungsrecht).

Ein Ehegatte kann die Begründung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung, die die Ehegatten aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses innehaben, das zwischen einem von ihnen und einem Dritten besteht, nur verlangen, wenn der Dritte einverstanden oder dies notwendig ist, um eine schwere Härte zu vermeiden.

In beiden Fällen hat der Vermieter gem. § 563 Abs. 4 BGB ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn hierfür ein wichtiger Grund in der Person des neuen Mieters bzw. Alleinmieters besteht. Besteht kein Mietverhältnis über die Ehewohnung, kann sowohl der Ehegatte, der Anspruch auf deren Überlassung hat, als auch die zur Vermietung berechtigte Person die Begründung eines Mietverhältnisses zu ortsüblichen Bedingungen verlangen.

c) Ab einem Jahr ab Rechtskraft der Ehescheidung

Nach Rechtskraft der Scheidung ist nur noch für ein Jahr § 1568a BGB Lex specialis gegenüber § 985 BGB (BGH FamRZ 21, 834). Es gelten die allgemeinen Regeln.

AUSGABE: FK 5/2025, S. 85 · ID: 47872250

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