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FahruntüchtigkeitRelative Fahruntüchtigkeit und nicht erheblich verminderte Schuldfähigkeit
| Nimmt das Gericht eine relative Fahruntüchtigkeit an, müssen die Erwägungen zur nicht erheblich verminderten Schuldfähigkeit dazu widerspruchsfrei sein. |
1. Flucht bei einer Verkehrskontrolle
So hat der BGH entschieden (BGH 4.12.24, 4 StR 453/24, Abruf-Nr. 246053). Das LG hatte den Angeklagten u. a. wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Als ihn eine Polizeistreife einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterziehen wollte, hatte der Angeklagte dem Anhaltesignal keine Folge geleistet. Er war „mit hoher Geschwindigkeit“ vor dem ihn verfolgenden Streifenwagen durch mehrere Straßen geflüchtet. Schließlich touchierte er während einer Kurvendurchfahrt ein geparktes Fahrzeug. Dieses wurde durch den Anprall gegen einen weiteren Pkw geschoben. Es entstand erheblicher Sachschaden. Trotz des vom Angeklagten bemerkten Unfallgeschehens sprang er aus dem noch rollenden Pkw und flüchtete zu Fuß. Die nacheilenden Polizeibeamten konnten ihn schließlich ergreifen. Eine dem Angeklagten eineinhalb Stunden später entnommene Blutprobe wies eine BAK von 0,96 mg/g auf. Sie enthielt darüber hinaus 41 ng/ml Kokain und 882 ng/ml Benzoylecgonin (Kokain-Metabolit).
2. War die Steuerungsfähigkeit eingeschränkt oder nicht?
Die Revision des Angeklagten war erfolgreich. Das LG hatte ein „rauschbedingtes Fehlverhalten“ in der Reaktion des Angeklagten auf das Anhaltesignal gesehen. Diese Erwägung stehe aber in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu den Ausführungen, mit denen das LG seine Überzeugung von einer nicht erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten begründet hat. Denn das LG habe die erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit unter anderem damit begründet, dass es dem Angeklagten auf seiner Flucht gelungen sei, zunächst mehrere Straßen mit hoher Geschwindigkeit zu passieren und wiederholt Abbiegevorgänge zu bewältigen, ohne die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Auch dem Unfallgeschehen habe es die Eignung als Anzeichen für eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit abgesprochen, soweit der Angeklagte danach noch in der Lage gewesen sei, aus dem rollenden Fahrzeug zu springen und zu Fuß zu flüchten. Diese Ausführungen zur Steuerungsfähigkeit ließen sich nicht widerspruchsfrei mit der Erwägung der Strafkammer vereinbaren, wonach die Reaktion des Angeklagten auf das Anhaltesignal ein rauschbedingtes Fehlverhalten belege.
Praxistipp | Auf solche Widersprüche muss der Verteidiger achten und im Rahmen der Sachrüge den Finger an der Stelle in die Wunde legen. |
AUSGABE: VA 6/2025, S. 108 · ID: 50316947