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Subjektbezogener SchadenbegriffDas muss der Geschädigte bei der Plausibilitätskontrolle des Gutachtens beachten

Abo-Inhalt22.05.20254 Min. Lesedauer

| Der Geschädigte ist nach der Rechtsprechung des BGH zu einer „gewissen Plausibilitätskontrolle“ der Reparaturrechnung verpflichtet. Der BGH erstreckt diese Pflicht auch auf die Plausibilitätskontrolle des Gutachtens (BGH 23.4.24, VI ZR 348/21, Abruf-Nr. 241967, Leitsatz b sowie Rn. 27). Diese Pflicht korrespondiert mit der Linie des BGH, was laienerkennbar nicht in Ordnung sei, sei nicht vom subjektbezogenen Schadenbegriff geschützt. |

Offenbar ist das von dem Gedanken getragen, dass sich der Geschädigte mit offenkundigen Ungereimtheiten selbst auseinandersetzen müsse. Die Abwälzung solcher Defizite auf den Versicherer und dessen steinigen Weg des Regresses gegen die Werkstatt oder den Schadengutachter sei dann nicht nötig. Dass die Pflicht zur Plausibilitätsüberprüfung mindestens auch die anwaltliche Vertretung des Geschädigten trifft („Wir kümmern uns um alles …“), liegt nach Auffassung von VA auf der Hand.

1. Die Unterfütterung mit drei realen Angeboten

Zum Beitrag hinsichtlich des Wiederbeschaffungswertes (WBW) im Lichte des subjektbezogenen Schadenbegriffs in VA 25, 80 wird aus Anlass einer Leserfrage nunmehr ergänzt:

Der BGH hat vor vielen Jahren entschieden, dass sich der Geschädigte nur auf den im Gutachten ausgewiesenen Restwert des verunfallten Fahrzeugs verlassen darf, wenn der Schadengutachter drei Angebote vom maßgeblichen regionalen Markt im Gutachten benannt hat. Denn für den Geschädigten muss erkennbar sein, dass sich der Schadengutachter um eine korrekte Wertermittlung bemüht hat. Das begründet der BGH so: „Die Bemerkungen ‚Restwert: Angebot liegt vor Euro 1.000‘ und ‚Der ausgewiesene Restwert basiert auf Angeboten von Interessenten‘ lassen weder erkennen, wie viele Angebote der Sachverständige eingeholt hat, noch von wem diese stammen. Letzteres ist auch für den Geschädigten von Bedeutung. Nur dann ist ersichtlich, ob der Sachverständige die Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt ermittelt hat.“ (BGH 13.10.09, VI ZR 318/08, Abruf-Nr. 093553).

2. Das ist beim Wiederbeschaffungswert (WBW) nicht anders

Auch der WBW muss beim nicht professionell mit dem Fahrzeughandel befassten Geschädigten am örtlichen Markt ermittelt werden. Das ergibt sich aus dem Motiv des BGH für die Ermittlung des Restwerts für diese Gruppe von Geschädigten am örtlichen Markt: „Das für den Kauf eines Ersatzfahrzeugs unter Inzahlunggabe des Unfallwagens notwendige persönliche Vertrauen wird der Geschädigte ohne Nachforschungen, zu denen er nicht verpflichtet ist, aber typischerweise nur ortsansässigen Vertragswerkstätten und Gebrauchtwagenhändlern, die er kennt oder über die er gegebenenfalls unschwer Erkundigungen einholen kann, entgegenbringen …“.

Beispiel

Anhand eines realen Beispiels aus einem Schadengutachten ist erkennbar, welche WBW-Ermittlung bei der Plausibilitätskontrolle des Schadengutachtens durch den Geschädigten und dessen anwaltlicher Vertretung zweifelsfrei durchfallen muss und deshalb den subjektbezogenen Schadenbegriff nicht trägt: „DAT 10.350 EUR; Cartv Korridor von 10.800 EUR bis 11.700 EUR, vom Sachverständigen ermittelt: 11.200 EUR.“

Die DAT schaut sich den überregionalen Gesamtmarkt für solche Fahrzeuge an. Die WBW-Tools der Restwertbörsen werten ebenfalls ohne regionale Begrenzung die Gebrauchtwagenbörsen aus. Sinn dieser Ermittlung mit Angabe des Korridors ist, den Restwertbietern einen groben Anhaltspunkt zu geben, was das Fahrzeug in etwa vor dem Unfall wert war. Für eine solche Daumenpeilung taugt das.

3. Das ist kein Ausreißer, das findet man durchaus nicht selten

Weil es so schön einfach ist, findet man derartige schlichtweg unbrauchbare Begründungen für den WBW gar nicht so selten in Schadengutachten. Nun sollte man aber das obige BGH-Zitat einmal ganz leicht abgewandelt auf diese Konstellation im Beispielsfall anwenden:

„Die Ausführungen lassen weder erkennen, wie viele Angebote der Sachverständige eingeholt hat, noch von wem diese stammen. Letzteres ist auch für den Geschädigten von Bedeutung, weil nur dann ersichtlich ist, ob der Sachverständige die Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt ermittelt hat.“

Welche Händler im regionalen Umfeld bieten vergleichbare Fahrzeuge zu welchem Betrag an? Das ist die Frage, die der Schadengutachter stellen und mit Belegen beantworten muss. Das hat er nicht getan. Niemand weiß, welche Fahrzeuge DAT und Cartv einbezogen haben. Niemand weiß, wo die scheinbaren Vergleichsfahrzeuge stehen, weder regional noch in Bezug auf das Segment des Fahrzeughandels (Kiesplatz oder Markenhändler). Niemand kennt deren Pflegezustand (Scheckheft oder nicht).

Und warum sind es in der Spannweite von „DAT 10.350 EUR“ bis „Cartv von 10.800 bis 11.700 EUR“ nun gerade die 11.200 EUR geworden? Geschätzt? Gewürfelt? Geraten? Am ehesten wohl: In die Glaskugel geschaut.

4. Ist das ein laienerkennbares Problem?

Mancher meint, solche Überlegungen überforderten den Geschädigten. Das hat der BGH jedoch offensichtlich nicht so gesehen. Denn dass der Restwert, auf den sich der Geschädigte verlassen hatte, „zu dünn“ begründet war, hat er dem Geschädigten auf die Füße fallen lassen. Und wenn der Laie im Hinblick auf den WBW den Gutachter aus obigem Beispiel fragt, wo er in der Region ein solches Fahrzeug kaufen könne, wird der antworten müssen: „Das weiß ich nicht.“

AUSGABE: VA 6/2025, S. 96 · ID: 50408256

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