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FahrerlaubnisentzugNeue Rechtsprechung zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG

Abo-Inhalt30.04.20253374 Min. Lesedauer

| Wir berichten über einige neue(re) Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG. |

1. Berücksichtigung beruflicher Belange

(BayVGH 19.12.24, 11 CS 24.1933, Abruf-Nr. 246465)

Die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Schutz von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer kann auch dann verhältnismäßig sein, wenn sie mit den beruflichen, finanziellen und familiären Interessen des Fahrerlaubnisinhabers kollidiert. Denn der Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen bekommt angesichts der Gefahren durch die Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen des Betroffenen in beruflicher oder in privater Hinsicht.

2. Regelmäßige Einnahme von Cannabis

(BayVGH 31.10.24, 11 ZB 24.1246, Abruf-Nr. 245279)

  • Die regelmäßige Einnahme von Cannabis hat nach der Rechtslage vor dem 1.4.24 gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 FeV ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung ausgeschlossen.
  • Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung einer Entziehung der Fahrerlaubnis ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich. Eine Rückwirkung der für den Fahrerlaubnisinhaber günstigeren Neuregelung nach der Rechtsänderung am 1.4.24 hat der Gesetz- und Verordnungsgeber nicht vorgesehen. Sie ist im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der bisherigen Regelung auch nicht verfassungsrechtlich geboten.

3. Cannabismissbrauch

(VG Ansbach 20.1.25, AN 10 S 24.2731, Abruf-Nr. 246477)

  • Auch wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, dem Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, rechtmäßig gewesen ist, kann viel dafür sprechen, dass sowohl der Entzug der Fahrerlaubnis wie auch die Ablieferungsverpflichtung des Führerscheins gegen Treu und Glauben als allgemeiner auch im Verwaltungsrecht geltender Rechtsgrundsatz verstoßen. Das kann der Fall sein, wenn sich die Entziehung der Fahrerlaubnis vor dem Hintergrund der zum 1.4.24 geänderten Rechtslage als widersprüchlich darstellt. Es kann ggf. unter Anwendung des § 13a Nr. 2 FeV überwiegend wahrscheinlich sein, dass die Fahrerlaubnis des Betroffenen auf Antrag ohne Weiteres wieder neu erteilt werden müsste.
  • In Anlehnung an die Rechtsprechung zu Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV (Alkoholmissbrauch) und um den Begriff des fahrerlaubnisrechtlich relevanten Cannabismissbrauchs nicht zu überdehnen, ist im Rahmen des § 13a Nr. 2 a) Alt. 2 FeV ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum und einer Teilnahme am Straßenverkehr zu fordern. Hat der Betroffene zu keinem Zeitpunkt unter Cannabiseinfluss ein Fahrzeug geführt, darf ein mittelbarer Zusammenhang gerade nicht daraus gezogen werden, dass er in der Vergangenheit täglich Cannabis konsumierte. Denn es ist unter Heranziehung der neuen Fassung der Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV ohne Hinzutreten weiterer Umstände gerade nicht mehr auf einen Kontrollverlust oder eine fehlende Trennfähigkeit zu schließen.

4. Cannabismissbrauch

(VG Ansbach 3.1.25, AN 10 S 24.3086, Abruf-Nr. 246478)

  • Wird der aufgrund der Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr (§ 24a StVG) angepasste sog. THC-Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC-Blutserum erreicht, ist nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs nicht fernliegend.
  • Im Umkehrschluss aus § 13a Nr. 2b FeV und in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 13 Nr. 2a, b FeV wird eine einmalige cannabisbedingte Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht ausreichen, um ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV einzuholen. Vielmehr sind wie beim Alkoholmissbrauch sog. Zusatztatsachen im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV erforderlich. Das können fehlende Ausfallerscheinungen sein.

5. Entziehung einer Fahrerlaubnis auf Probe

(VG Gießen 9.12.24, 6 L 4196/24.GI, Abruf-Nr. 246479)

  • Ist offensichtlich, dass die unwesentlich zu kurz bemessene Frist die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, nicht beeinflusst hat, so ist diese Verletzung von Verfahrensvorschriften auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, bei erneuter Verkehrszuwiderhandlung die Fahrerlaubnis zu entziehen.
  • Im Rahmen des § 46 VwVfG ist dabei ausschließlich das Kausalverhältnis zwischen der unwesentlich zu kurz bemessenen Frist und deren Einfluss auf die Entscheidung des Antragstellers, an einer freiwilligen verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, zu betrachten.
  • Insoweit ist im Licht des Zwecks der Fristbestimmung nur zu fragen, ob eine fehlerhafte Fristbestimmung offensichtlich keinen Einfluss auf die Überlegung und Willensentschließung zur Teilnahme an der nahegelegten Beratung hatte.

6. Bindung an rechtskräftige StGB- und OWi-Entscheidung

(VG Karlsruhe 23.1.25, 9 K 7272/24, Abruf-Nr. 246480)

  • Die Fahrerlaubnisbehörde dürfte auch bei einer Maßnahme nach § 2a Abs. 5 S. 5 StVG an eine rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit tatbestandlich gebunden sein. Der Ausschluss von § 2a Abs. 2 StVG in § 2a Abs. 5 S. 4 StVG dürfte dahin gehend zu verstehen sein, dass (lediglich) der gestufte Maßnahmenkatalog nach § 2a Abs. 2 S. 1 nicht zur Anwendung kommen soll.
  • Wurde dem Betroffenen vorher nicht aufgegeben, ein Gutachten beizubringen, dürfte es im Anwendungsbereich von § 2a Abs. 5 S. 5 StVG nur unter ganz besonderen (atypischen) Umständen möglich sein, die Fahrerlaubnis unmittelbar zu entziehen.

AUSGABE: VA 6/2025, S. 106 · ID: 50316686

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