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RegressNeue Urteile zu Kleinteile-, Probefahrt-, Reparaturkosten und Verbringungskostenregressen
| Die Versuche von Versicherern, Werkstätten mit Regressverfahren zu disziplinieren, gehen munter weiter. Es kann kaum ernsthaft um die zurückgeforderten Geldbeträge gehen, denn der Aufwand des Versicherers steht in keinem Verhältnis zur müden Erfolgsquote vor Gericht. Die Botschaft soll eher lauten: Es hat keinen Nutzen für euch Werkstätten, wenn gute anwaltliche Vertretungen des Geschädigten auch das Geld beitreiben, das wir nicht zahlen wollen. Denn das müsst Ihr, liebe Werkstätten, sogleich zurückzahlen. Die folgenden Urteile belegen, dass die Gerichte das anders sehen. |
AG Recklinghausen: Es gibt nicht nur einen richtigen Weg
Ein Urteil, das präzise darlegt, dass es nicht nur ein „richtig“ gibt, kommt vom AG Recklinghausen. Das Gericht geht davon aus, dass die Feststellungen im Schadengutachten vertretbar sind. Es unterstellt auch, dass die Gedanken hinter dem Prüfbericht ebenfalls vertretbar sind. Dann kann man es eben so machen oder auch so. Die Schlussfolgerung daraus: „Es reicht also für einen Rückforderungsanspruch nicht aus, wenn im Rahmen des fachlich Vertretbaren auch ein anderer Reparaturweg möglich und ggf. etwas günstiger gewesen wäre“. Ansonsten gilt: Grundsätzlich darf eine Reparaturwerkstatt schon davon ausgehen, dass ein Kfz-Sachverständiger mindestens so gute, in der Regel sogar bessere Kenntnisse über den Reparaturweg einer sach- und fachgerechten Reparatur hat wie sie selber. Sie darf sich im Regelfall darauf verlassen, dass der vom Sachverständigen aufgezeigte Reparaturweg im Rahmen des fachlich Vertretbaren liegt und die vom Sachverständigen für einzelne Arbeiten aufgeführten Kosten im Rahmen des Üblichen liegen (AG Recklinghausen, Urteil vom 17.07.2025, Az. 51 C 68/25, Abruf-Nr. 249410, eingesandt von Rechtsanwalt Christoph Bruns, Recklinghausen).
AG Aue-Bad Schlema zum Verbringungskostenregress
Um zurückgeforderte Verbringungskosten bei Verbringung auf eigener Achse ging es vor dem AG Aue-Bad Schlema. Die zwei abgerechneten Stunden erschienen dem Versicherer zu viel. Und es dürfe nur ein Stundenverrechnungssatz für Hilfskräfte angesetzt werden.
Die Werkstatt hat für das AG nachvollziehbar dargelegt, dass insgesamt zwei Stunden notwendig waren, da die einfache Fahrtstrecke 15 Minuten gedauert hat. Für die Hin- und Rückfahrt seien jeweils zwei Fahrer erforderlich gewesen, da das zu reparierende Auto in der Lackiererei blieb und später das Fahrzeug wieder mit zwei Fahrern abgeholt werden musste.
Der angesetzte Stundensatz für Karosseriearbeiten geht nach Auffassung des Gerichts in Ordnung, wobei es nicht von Bedeutung ist, wer das Fahrzeug verbringt. Dem Gericht sei nicht bekannt, dass Reparaturwerkstätten für Verbringungen Hilfspersonal beschäftigen. Die Verbringung wurde durch erfahrene Mitarbeiter und gerade nicht von Hilfsarbeitern vorgenommen (AG Aue-Bad Schlema, Urteil vom 16.07.2025, Az. 3 C 477/23, Abruf-Nr. 249411, eingesandt von Rechtsanwalt Sven Schönherr, Schwarzenberg/Erzgebirge).
Versicherer verlangt erfolglos Kleinteilepauschale zurück
Wenn neben den konkret in Rechnung gestellten Kleinteilen weiteres Kleinmaterial (u. a. Halteclips, Unterlegscheiben, Kreppklebeband) bei der streitbefangenen Reparatur zum Einsatz kam, hat das AG Memmingen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass der Verbrauch entsprechender Klein- und Kleinstteile im geringfügigen Umfang zusätzlich pauschal abgerechnet werden kann, da eine exakte Verbrauchserfassung in keinem Verhältnis zum Wert stünde. Der in Rechnung gestellte Betrag in Höhe von zwei Prozent der sonstigen Ersatzteilkosten (hier also 61,74 Euro) neben den konkret abgerechneten Kleinteilen sei im Rahmen richterlicher Schätzung noch als angemessen zu bewerten (AG Memmingen, Urteil vom 30.07.2025, Az. 24 C 1322/25, Abruf-Nr. 249470, eingesandt von Rechtsanwältin Stefanie Moser, Bad Wörishofen).
Versicherer bei Probe- und Kalibrierungsfahrtkosten erfolglos
Zwar ohne nennenswerte Begründung, aber für die Werkstatt erfolgreich, schließt sich das AG Memmingen nicht der These des Versicherers an, Probefahrtkosten seien von der Werkstatt selbst zu tragen. Das ist auch richtig so, denn alle Kosten, die eine wirtschaftlich gesunde Werkstatt für irgendetwas aufwendet, bezahlt sie mit Geld, das sie von Kunden bekommen hat. Es gibt also nichts, was eine Werkstatt nicht an den Kunden berechnet. Die Frage ist nur, ob sie das über den Stundenverrechnungssatz oder als gesonderte Position tut. Diese Entscheidung obliegt nach der Rechtsprechung des BGH dem Werkunternehmer (vgl BGH, Urteil vom 13.12.2022, Az. VI ZR 324/21, Abruf-Nr. 233276).
Im Hinblick auf die Kalibrierungsfahrt hat das AG Memmingen den Vortrag des Versicherers, die sei gar nicht notwendig gewesen, als unsubstantiiert zurückgewiesen. Die einfache Behauptung, dafür gebe es keine Herstellervorgabe, genügt nicht. Denn jedenfalls wurde sie durchgeführt, und so kann sie auch berechnet werden (AG Memmingen, Urteil vom 30.07.2025, Az. 24 C 1322/25, Abruf-Nr. 249470, eingesandt von Rechtsanwältin Stefanie Moser, Bad Wörishofen).
Fazit | Die Erfolge in gerichtlichen Verfahren sind für Versicherer sehr überschaubar. Allerdings hört man auch aus gut informierten Kreisen, dass die Quote der Werkstätten, die auf erste Anforderung zurückzahlen, nicht so klein ist, was auch immer dahinterstecken mag. Oft vermutlich die „Haben wir wirklich nicht gemacht, aber dennoch berechnet“-Einsicht. |
- Beitrag „Gescheiterter Verbringungskostenregress: Vereinbart vor üblich“, UE 8/2025, Seite 1 → Abruf-Nr. 50476816
- Beitrag „Gescheiterte Regresse des Versicherers gegen die Werkstatt“, UE 3/2025, Seite 16 → Abruf-Nr. 49917694
AUSGABE: UE 9/2025, S. 7 · ID: 50502653