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RegressAngriff auf vom Gutachter festgelegten Reparaturumfang mit irreführend verwendetem BGH-Zitat

Abo-Inhalt18.08.2025346 Min. Lesedauer

| Im Regress des Versicherers gegen die Werkstatt fahren Versicherer vielfältige Argumente auf. Aktuell fällt ein Versicherer auf, der ein BGH-Zitat zur Preisvereinbarung irreführend verwendet. UE hat die Details für Sie und einen Textbaustein zur (Klage)erwiderung. |

Regress des Versicherers gegen die Werkstatt

Das Kern-Abwehrargument im Regress des Versicherers gegen die Werkstatt lautet, die Werkstatt habe den Auftrag gehabt, den Unfallschaden mit den Arbeitsschritten instand zu setzen, wie sie vom Schadengutachter vorgegeben worden seien. Das habe die Werkstatt auch gemacht. Ob ein Arbeitsschritt überflüssig sei, müsse der Versicherer im Regress gegen den Gutachter klären. Die Werkstatt habe ihren Auftrag nämlich vertragsgemäß umgesetzt.

Dagegen wendet der regressierende Versicherer oft ein, der Reparaturvertrag sei nicht so zu verstehen, dass die Werkstatt das Gutachten abarbeiten solle. Er sei so zu verstehen, dass die Werkstatt nur das Nötigste machen solle und von daher alles Überflüssige aus dem Gutachten aussortieren müsse.

Neuer Angriff: Versicherer verwendet BGH-Zitat

Nun fällt eine Kanzlei auf Seiten der Versicherer damit auf, dass die diese These mit einem Zitat aus einer BGH-Entscheidung zu untermauern versucht. Denn im Urteil vom 16.01.2024, Az. VI ZR 239/22, Abruf-Nr. 239197, sei zu lesen:

„Zwar entspricht die streitgegenständliche Rechnungsposition der in dem von der Geschädigten zuvor eingeholten Sachverständigengutachten vorgenommenen Schadensschätzung. Doch selbst wenn man – wie in der Regel nicht – in der im Streitfall festgestellten Beauftragung der Werkstatt durch die Geschädigte auf der Grundlage des von ihr zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens eine Preis- oder Honorarvereinbarung zwischen Geschädigter und Werkstatt sehen wollte, wäre die Geschädigte jedenfalls außerhalb einer hier nicht vorliegenden Pauschalpreisabrede nicht zur Vergütung von (Teil-)Leistungen verpflichtet, die tatsächlich nicht erbracht wurden.“

Preisvereinbarung und Reparaturumfang sind zweierlei

Doch das Zitat hat ganz und gar nichts mit der Frage des Reparaturumfangs zu tun. Hier geht es einzig um die Frage, ob die im Schadengutachten prognostisch genannten Preise für die einzelnen Leistungen im Zusammenhang mit einem Auftrag, das Fahrzeug nach den Vorgaben des Schadengutachters instand zu setzen, zu einer Preisvereinbarung i. S. v. § 632 Abs. 2 BGB führen.

Wichtig | Die im Schadengutachten prognostizierten Preise führen auch nach Ansicht von UE nicht zu einer Preisvereinbarung i. S. v. § 632 Abs. 2 BGB.

Die UE-Ansicht wird an folgendem Beispiel leicht nachvollziehbar:

Beispiel

Der Geschädigte fährt zum Markenbetrieb und bestellt den Schadengutachter dorthin. In der Annahme, dass der Geschädigte dort reparieren lasse, kalkuliert der Schadengutachter mit den Preisen dieser Werkstatt. Daraufhin bringt der Geschädigte das Fahrzeug in den freien Karosserie- und Lackierbetrieb, dessen Preis unter denen der Markenwerkstatt liegen. Dort erteilt er den Auftrag, nach den Vorgaben des Schadengutachters zu reparieren. Dass die ausführende Werkstatt deshalb nun die hohen Preise abrechnen dürfe, wäre absurd.

Wer eine Preisvereinbarung bezüglich der einzelnen Kostenpositionen wie Verbringungskosten, Lackmaterialkosten, UPE-Aufschläge etc. will (was sehr sinnvoll ist!), muss eine eindeutige Preisvereinbarung schließen. Wie das geht, kann in UE 3/2025, Seite 7 → Abruf-Nr. 50330810, im Beitrag „Die Regresse des Versicherers gegen die Werkstatt: Wann ist die Werkstatt regresssicher aufgestellt?“ nachgelesen werden.

Das BGH-Zitat hat nichts mit dem Arbeitsumfang zu tun

Dass die Werkstatt bei einem Auftrag zur Unfallschadeninstandsetzung auf der Grundlage der gutachterlichen Vorgaben allerdings werkvertraglich verpflichtet ist, die einzelnen Arbeitsschritte wie im Schadengutachten vorgesehen durchzuführen, ist von der BGH-Passage unberührt. Denn damit befasst sich die zitierte Passage gar nicht.

Dass die Werkstatt die Arbeitsschritte nur dann abrechnen darf, wenn sie sie auch ausgeführt hat, ist selbstverständlich. Und da liegt, UE wird nicht müde, darauf hinzuweisen, in Einzelfällen eine Schwachstelle in der Regressabwehr: Wenn (als Beispiel) die Seitenscheibe nur zum Drumherum-Lackieren abgeklebt war, darf deren Ausbau und Wiedereinbau eben nicht berechnet werden. Das ist nicht nur eine zivilrechtliche Thematik.

Wichtig | Der Versicherer versucht dennoch, dieses BGH-Zitat auf die Reparaturumfangsfrage zu münzen, wenn er schreibt, damit sei doch klar, dass der BGH einer Vertragsauslegung wie vom Versicherer vorgetragen das Wort rede. – Nein, das tut der BGH mit dieser Passage ganz offensichtlich nicht, weil es keinerlei Zusammenhang gibt zwischen der „Preis vereinbart“-Thematik (§ 632 Abs. 2 BGB) und der Reparaturumfangsfrage.

Praxistipp | Dieser Unterschied muss in den Regressrechtsstreitigkeiten auf Werkstattseite ganz klar herausgearbeitet werden, damit das Gericht beim Querlesen der umfangreichen Schriftsätze diese Differenzierung zwischen Preisvereinbarung und Reparaturumfang nicht überliest.

Weiterführender Hinweis
  • Textbaustein 641: Regress: BGH-Passage aus Az. VI ZR 239/23 betrifft nur Preisvereinbarungen, nicht aber den Auftragsumfang → Abruf-Nr. 50514875. Der Text muss ggf. in die Klageerwiderung eingebaut werden, wenn der Versicherer sich auf die Passage bezieht.

AUSGABE: UE 9/2025, S. 5 · ID: 50514834

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