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AusfallschadenNeue Rechtsprechung zur notwendigen Intensität des Warnhinweises nach § 254 Abs. 2 BGB

Abo-Inhalt06.08.2025341 Min. Lesedauer

| In großer Zahl kommen jetzt die Urteile, deren Streitstoff in der Zeit begann, als einige Versicherer die gemeldeten Schäden monatelang nicht ordnungsgemäß bearbeitet haben. Sehr deutlich vierstellige Mietwagenkosten oder Nutzungsausfallentschädigungsbeträge sind aufgelaufen, weil sich Geschädigte nicht trauten, reparieren zu lassen oder Ersatz zu beschaffen ohne die klare Haftungszusage des Versicherers. Die Haftpflichtversicherer stehen nicht zu ihren Versäumnissen. Mit den immer gleichen Abwehrargumenten ziehen sie ins Feld – und unterliegen reihenweise. |

Alte Abwehrargumente der Versicherer verfangen nicht

Die alte Leier „hätte Kredit aufnehmen müssen“ oder „hätte seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen müssen“ überzeugt die Amts- und Landgerichte nicht. Denn die BGH-Rechtsprechung ist da völlig eindeutig (BGH, Urteil vom 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19, Rz. 17, Abruf-Nr. 215406; Urteil vom 17.11.2020, Az. VI ZR 569/19, Abruf-Nr. 220190).

Auch das abgestandene Argument, wer monatelang ohne Auto auskomme, weil er keinen Mietwagen nimmt und stattdessen Nutzungsausfallentschädigung verlangt, brauche offensichtlich gar kein Auto und habe deshalb keinen Nutzungswillen, geht in aller Regel jedenfalls dann ins Leere, wenn der Geschädigte sofort nach Haftungszusage oder Geldeingang gehandelt hat.

Angriffe auf Warnhinweis nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB

Vor diesem Hintergrund kreist der Versicherer immer wieder um die Frage, ob der Warnhinweis des Geschädigten nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ausreichend aussagekräftig war. Denn klar ist: Der Schädiger bzw. dessen Versicherer muss nur dann für die auf Geldmangel des Geschädigten zurückzuführenden Mehrkosten (Ausfallschaden, Standkosten) aufkommen, wenn er gewarnt war.

Wichtig | Dass später im Rechtsstreit das finanzielle Unvermögen im Zweifel mit Dokumenten nachgewiesen werden muss, ist gesicherte Erkenntnis. Aber im vorgerichtlichen Stadium der Anspruchsschreiben genügt nach Auffassung von UE und vieler Gerichte ein pauschaler Hinweis.

OLG mit hohen Anforderungen an Warnhinweis

Immer wieder verweisen Versicherer auf eine Entscheidung des OLG Naumburg, wonach der Geschädigte bereits mit seinem erstmaligen Warnhinweis unaufgefordert eine Übersicht über seine regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben mitliefern und Angaben zu seinen finanziellen Reserven machen müsse. Denn nur so könne der Versicherer prüfen, ob der Warnhinweis der Realität entspreche oder ob er nur eine Worthülse sei (OLG Naumburg, Urteil vom 29.10.2019, Az. 1 U 142/19, Abruf-Nr. 212568).

Wichtig | Damit steht das OLG Naumburg sehr allein da. Denn einem wildfremden Schädiger oder – wenn der Unfall in einem überschaubaren sozialen Umfeld quasi „auf dem Dorf“ stattgefunden hat – einem „Nachbarn“ gegenüber, der nicht darum gebeten wurde, den Schaden anzurichten, die „finanziellen Hosen herunterlassen“ zu müssen, ist eine Zumutung. Das entspricht der Rechtslage beim Prozesskostenhilfeantrag für denjenigen, der sich den Rechtsstreit sonst nicht leisten könnte. In dem Verfahren müssen Unterlagen zur finanziellen Situation eingereicht werden, aber die bleiben im Regelfall beim Gericht. § 117 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 ZPO bestimmt: „Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden;“. Eine Ausnahme gibt es nur für den Fall, dass der Antragsgegner „…gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers“ hat.

OLG Celle: Keine Offenlegung der Vermögensverhältnisse

Das OLG Celle setzt sich mit der Sicht des OLG Naumburg sorgfältig auseinander und lehnt sie als fehlerhaft ab. Der Geschädigte müsse nicht von sich aus seine finanziellen Verhältnisse offenlegen, nachdem er wiederholt unmissverständlich angezeigt hat, dass er zur Vorfinanzierung nicht bereit und in der Lage sei. Er habe damit seiner Mitwirkung an einer sachgerechten Schadeneingrenzung genügt, ohne das Schadensgeringhaltungsgebot zu verletzen. Schon gar nicht sei nachvollziehbar, warum der Geschädigte einem zum Schadensersatz verpflichteten (fremden) Versicherer des Schädigers gegenüber von sich aus seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen müsse (OLG Celle, Urteil vom 13.05.2025, Az. 14 U 14/25, Abruf-Nr. 249478, eingesandt von Rechtsanwalt Hans Daniel Terner, Hannover).

LG Duisburg: Pauschale Warnung reicht

Das LG Duisburg sagt: Nach überzeugender Rechtsprechung genüge der Geschädigte seiner Schadenminderungspflicht bereits, wenn er den Schädiger pauschal darauf hinweist, dass er die Reparatur nicht aus vorhandenen finanziellen Mitteln bevorschussen könne. Die Ansicht des Versicherers, der Geschädigte hätte vorgerichtlich seine finanzielle Lage detaillierter darlegen müssen, finde keine Grundlage in Gesetz und aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung. Wolle der gegnerische Versicherer weitere Informationen oder benötigt er zusätzliche Nachweise diesbezüglich, so müsse er diese vom Geschädigten anfordern. Dies habe der Versicherer vorliegend nicht verlangt (LG Duisburg, Urteil vom 02.07.2025, Az. 8 O 8/25, Abruf-Nr. 249479, eingesandt von Rechtsanwalt Sven Nowag, Moers).

OLG Düsseldorf: Geschädigter muss nicht von sich aus offenlegen

Auch das OLG Düsseldorf ist seit Jahren der Auffassung, der Geschädigte müsse nicht von sich aus seine finanziellen Verhältnisse offenlegen. Dabei stützt sich das OLG auf eine Entscheidung des BGH vom 05.03.2013 (Az. VI ZR 245/11, Rz. 19, Abruf-Nr. 131350). In dem Urteil hat der BGH bestätigt, dass der Geschädigte sogar im Rechtsstreit erst zu seinen Verhältnissen vortragen muss, wenn der Schädiger den entsprechenden Einwand erhebt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2020, Az. I-1 U 294/19, Abruf-Nr. 220896).

Weiterführender Hinweis
  • Textbaustein 640: Anforderungen an § 254 Abs. 2 BGB-Warnhinweis → Abruf-Nr. 50503908

AUSGABE: UE 9/2025, S. 11 · ID: 50503905

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