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GewerbesteuerNeues zur Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG

Abo-Inhalt10.11.20229993 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Während sich kleine Betriebe über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG aufgrund der immensen Freibeträge nahezu keine Gedanken machen müssen, sind Großbetriebe von den negativen Folgen erheblich betroffen. Bei ihnen führt die Hinzurechnung schnell zu erheblichen Steuerbelastungen. Gut zu wissen, dass der BFH jüngst die Hinzurechnung an vielen Stellen gekippt hat. SSP zeigt Ihnen, welche Hinzurechnungen von der neuen Rechtsprechung betroffen sind. |

Die Grundzüge der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung

Ein Gewerbebetrieb kann bei der Gewinnermittlung alle betrieblich veranlassten Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehen. Aufwendungen mindern also den Gewinn, der der Einkommen- und Körperschaftsteuer unterliegt. Für Zwecke der Gewerbesteuer wird nach § 7 S. 1 GewStG zwar grundsätzlich ebenfalls als Ausgangsgröße auf den nach dem EStG oder KStG ermittelten Gewinn abgestellt. Allerdings ist dieser u. a. um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu erhöhen. Die negative Folge: Eigentlich abzugsfähige Positionen sind nun – für Zwecke der Gewerbesteuer – doch nicht abzugsfähig, und es kommt zu einem erhöhten Gewerbesteueraufwand.

Eine der typischen Hinzurechnungsvorschriften ist § 8 Nr. 1 GewStG. Hier ist die Hinzurechnung von Finanzierungsentgelten geregelt. In dieser Vorschrift sind aber nicht nur klassische Kosten einer Finanzierung (wie z. B. Darlehenszinsen) enthalten, sondern noch vieles mehr. Hintergrund ist, dass für Zwecke der Gewerbesteuer die Ungleichbehandlung verschiedener Finanzierungsformen vermieden werden soll. Es soll für den Gewerbebetrieb unabhängig von der gewählten Finanzierung ein objektivierter Gewerbeertrag ermittelt werden. Es soll erreicht werden, dass die Erträge aus eigen- und fremdfinanziertem Kapital einander gleichgestellt werden. Daher umfasst die Hinzurechnung z. B. auch teilweise die Miet- und Pachtzinsen für (un-)bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens.

Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG im Detail

Für die Hinzurechnung kommen nur solche Aufwendungen in Betracht, die zuvor den Gewinn gemindert haben. Zudem ist zu beachten, dass je nach Art der Aufwendungen teilweise nicht der volle Aufwand, sondern nur ein Bruchteil hinzugerechnet wird.

Freibeträge mildern Hinzurechnungsproblematik

Weiterhin steht jedem Gewerbebetrieb ein Freibetrag zu. Dieser betrug bis einschl. 2019 noch 100.000 und wurde infolge der Corona-Pandemie ab dem Jahr 2020 auf 200.000 Euro erhöht. Das ist auch der Grund, weshalb von der Hinzurechnung fast nur Großbetriebe betroffen sind. Doch selbst wenn der Freibetrag überschritten sein sollte, ist nicht der komplette, sondern lediglich ein Viertel der nach § 8 Nr. 1 GewStG ermittelten Aufwendungen hinzuzurechnen.

„Hinzurechnungs-Procedere“ am konkreten Beispiel nachvollziehen

Das Prozedere sowie die einzelnen hinzuzurechnenden Aufwendungen lassen sich am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen (s u.). Dabei handelt es sich

Beispiel

Tatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst … GewStG

Gewinnmindernder Aufwand lt. GuV in Euro

Anzusetzen in %

Anzusetzen in Euro

  • a) Entgelte für Schulden (z. B. Darlehenszinsen)

100.000

100 %

100.000

  • b) Aufwand für Renten und dauernde Lasten

20.000

100 %

20.000

  • c) Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters

25.000

100%

25.000

  • d) Miet- und Pachtzinsen (+ Leasing) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Eigentum eines anderen [Sonderregelungen für E-Fahrzeuge und Fahrräder in aa) bis cc)]

200.000

20 %

40.000

  • e) Miet- und Pachtzinsen (inkl. Leasing) für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Eigentum eines anderen

200.000

50 %

100.000

  • f) Aufwendungen für die zeitliche Überlassung von Rechten (z. B. Lizenzen)

100.000

25 %

25.000

Summe

645.000

310.000

Freibetrag (bis 2019 noch 100.000 Euro)

./. 200.000

Verbleibende Aufwendungen

110.000

Davon hinzuzurechnen

1/4

Hinzuzurechnender Betrag

27.500

  • in der ersten Spalte um die jeweiligen Aufwendungen, die der Hinzurechnung unterliegen,
  • in der zweiten Spalte um die bspw. innerhalb der Gewinnermittlung als Betriebsausgaben erfassten Aufwendungen,
  • in der dritten Spalte um den maßgebenden Prozentsatz der Hinzurechnung und
  • in der vierten Spalte um die tatsächlich vorzunehmende gewerbesteuerliche Hinzurechnung:

Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass selbst bei Aufwendungen von 645.000 Euro im Ergebnis nur 27.500 Euro dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind. Da sich dadurch der Gewerbesteuermessbetrag lediglich um 962,50 Euro erhöht (3,5 Prozent), bedeutet die Hinzurechnung selbst bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 Prozent nur eine zusätzliche Gewerbesteuerbelastung von 3.850 Euro. Deshalb sind die Hinzurechnungen in erster Linie bei Großbetrieben von Bedeutung.

Die Rechtsprechungs-Fälle und die Folgen für die Praxis

Die Rechtsprechung hat sich jüngst zu nicht weniger als vier Hinzurechnungsfällen positioniert. SSP fasst alles für Sie zusammen.

1. Keine Hinzurechnung von Herstellungskosten

Die beste Neuerung für Großbetriebe ist den BFH-Urteilen vom 30.07.2020 (Az. III R 24/18, Abruf-Nr. 218906) und 20.05.2021 (Az. IV R 31/18, Abruf-Nr. 224825) zu entnehmen. Hier entschied der BFH, dass nicht – wie zuvor von der Finanzverwaltung praktiziert – alle der in § 8 Nr. 1 GewStG genannten Aufwendungen der Hinzurechnung unterliegen. Keine Hinzurechnung ist vorzunehmen, soweit die Aufwendungen in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens einzubeziehen sind. Insoweit reicht es dem BFH sogar aus, dass die eigentlich hinzuzurechnenden Aufwendungen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich die hergestellten Wirtschaftsgüter am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden haben und deshalb hätten aktiviert werden müssen (sog. „fiktive Betrachtungsweise“).

Wichtig | Die praktischen Auswirkungen der Urteile sind beachtlich. Während das Finanzamt bisher bspw. sämtliche Miet- und Pachtaufwendungen für unbewegliche Wirtschaftsgüter (z. B. für eine Fabrik) zu 50 Prozent als Hinzurechnung berücksichtigte, ist nach neuster Rechtsprechung insoweit keine Hinzurechnung mehr vorzunehmen. Denn die Miet- und Pachtaufwendungen würden in die Herstellungskosten der in der Fabrik produzierten Waren einfließen.

Praxistipp | Auch wenn die Urteile aus den Jahren 2020 und 2021 stammen, hat es etwas gedauert, bis sich die Finanzverwaltung der Rechtsauffassung des BFH angeschlossen hat. Der gleichlautende Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder ist erst am 06.04.2022 geändert und darin die neuste Rechtsprechung des BFH berücksichtigt worden (Abruf-Nr. 232411). Seitdem ist auch für die Finanzämter klar: Hinzurechnung ja, aber nicht mehr, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens einzubeziehen sind. Das ist unabhängig davon, ob sich die Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden haben oder bereits veräußert wurden.

2. Einschränkung der Hinzurechnung bei Messestandflächen

Fraglich war lange, ob der Aufwand für die Anmietung einer Messestandfläche zur Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG führt. Auch hier hat der BFH für steuerzahlerfreundliche Klarheit gesorgt. Er entschied, dass es darauf ankommt, ob der Gewerbetreibende die Messestandfläche zwingend benötigt. Falls nein, handelt es sich nicht um (fiktives) Anlagevermögen und es ist daher keine Hinzurechnung vorzunehmen Der Tatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG ist dann insoweit nicht erfüllt (BFH, Beschluss vom 23.03.2022, Az. III R 14/21, Abruf-Nr. 229889).

Für die Hinzurechnung von Messestandflächen (und anderen Aufwendungen für bewegliche/unbewegliche Wirtschaftsgüter) ist darauf abzustellen, ob die Messestandflächen Anlagevermögen des Gewerbetreibenden wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden. Die Frage, ob die fiktiv im Eigentum des Gewerbetreibenden stehenden Messestandflächen zu dessen Anlagevermögen gehören würde, orientiert sich dabei maßgeblich an der Zweckbestimmung der Messestandflächen in dem Betrieb.

  • Diese hängt einerseits subjektiv vom Willen des Unternehmers ab.
  • Andererseits lässt sie sich auch an objektiven Merkmalen nachvollziehen (wie z. B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung).

Kommt man danach zu dem Ergebnis, dass sich die Messestandfläche – würde sie sich im Eigentum des Gewerbetreibenden befinden – nicht zum Anlagevermögen gehört, scheidet eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung aus. Genauso war es auch im Streitfall (BFH, Urteil vom 23.03.2022, Az. III R 14/21).

3. Hinzurechnung der Grundsteuer

Lange war strittig, ob die Grundsteuer, die vertraglich auf den Mieter oder Pächter eines Gewerbegrundstücks umgelegt wird, der 50-prozentigen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG unterliegt. Hier hat der BFH zugunsten der Finanzämter entschieden und die Hinzurechnung bestätigt (BFH, Urteil vom 02.02.2022, Az. III R 65/19, Abruf-Nr. 228764).

4. Hinzurechnung bei Sponsoring in Sportstadien

Das FG Niedersachsen musste sich jüngst mit der Frage befassen, ob das Sponsoring für eine Sportmannschaft der Hinzurechnung unterliegt oder ob es einen einheitlichen – nicht der Hinzurechnung unterliegenden – Werbeaufwand darstellt. Das Finanzamt hatte Aufwendungen für die Überlassung der Bande, der Präsentationsleinwand und der Bodenwerbefläche sowie der Trikots und weiterer Bekleidungsstücke nach § 8 Nr. 1 Buchst. d) GewStG und die Überlassung der Firmenlogos gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG dem Gewerbeertrag hinzugerechnet. Das FG stimmte dem zu (FG Niedersachsen, Urteil vom 11.11.2021, Az. 10 K 29/20, Abruf-Nr. 232087).

Als betroffenes Unternehmen sollten Sie diese Entscheidung nicht einfach akzeptieren. Das vor dem FG unterlegene Unternehmen hat nämlich Revision beim BFH eingelegt. Sie trägt das Az. III R 5/22. Legen Sie in vergleichbaren Fällen also Einspruch ein und sichern Sie sich das Ruhen Ihres Verfahrens.

Konsequenz für die Praxis

Von der Hinzurechnung sind vor allem Großbetriebe betroffen. Sie sollten sich vor allem mit den Rechtsprechungsänderungen zu den Punkten 1 und 2 befassen. Die neue Rechtsprechung gilt nämlich in allen offenen Fällen. Da die Festsetzung von Steuern gegenüber Großbetrieben aufgrund der nahtlos anschließenden Betriebsprüfungen regelmäßig gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgen, können Großbetriebe auch für vergangene Jahre von der Änderung der Rechtsprechung profitieren.

Steht z. B. der Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid für 2018 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, kann das Finanzamt mit einem einfachen Änderungsantrag dazu gebracht werden, die neue Rechtsprechung rückwirkend zu berücksichtigen. Zum Teil erhebliche Gewerbesteuererstattungen wären die Folge.

AUSGABE: SSP 12/2022, S. 25 · ID: 48712206

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