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EinkommensteuerBetriebliche Altersversorgung: Wann unterliegen Auszahlungen der Fünftel-Regelung des EStG?

Abo-Inhalt23.11.202210345 Min. LesedauerVon Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

| Wann unterliegen Auszahlungen aus der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) der günstigen Fünftel-Regelung nach § 34 EStG? Diese Frage erhitzt immer noch die Gemüter und beschäftigt die Gerichte. Die Finanzverwaltung ist sich einig: Bei Kapitalleistungen in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse darf sie angewandt werden, in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds nicht. Nicht so eindeutig sehen das die Finanzgerichte und der BFH. SSP verschafft Ihnen deshalb einen Überblick über den Stand der Dinge. |

Die Voraussetzungen für die Nutzung der Fünftel-Regelung

Maßgeblich für die Anwendung der Fünftel-Regelung ist, dass im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Somit müssen zwei Merkmale für die Anwendung der Fünftel-Regelung erfüllt sein: Die Kapitalzahlung muss

  • außerordentlich sein und
  • eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten darstellen.

In diesen Fällen sind Arbeitnehmer vor Gericht gezogen

In den letzten Jahren verlangten (ehemalige) Arbeitnehmer mit einer bAV in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds immer wieder die Anwendung der Fünftel-Regelung; und zwar, wenn sie bei Ablauf statt der Rentenzahlung zur Kapitalzahlung optierten bzw. wenn der Vertrag vorzeitig mit Auszahlung des Rückkaufswerts aufgelöst wurde. Die Finanzämter ließen die Fünftel-Regelung nicht zu. Die Verfahren gingen vor Gericht – und die Ergebnisse der Urteile könnten unterschiedlicher nicht sein. Beispielhaft seien zwei Entscheidungen des FG Münster und des FG Hessen genannt.

FG Münster: Volle Besteuerung der Einmalzahlung aus Direktversicherung

In dem Fall vor dem FG Münster hat das Gericht die Anwendung der Fünftel-Regelung bei Ablauf eines Direktversicherungsvertrags abgelehnt. Begründung: Die Kapitalzahlung erfülle das Merkmal der Außerordentlichkeit nicht, da bereits im Versicherungsvertrag das Wahlrecht zur Kapitalzahlung geregelt war (FG Münster, Urteil vom 29.10.2020, Az. 15 K 1271/16, Abruf-Nr. 219551).

FG Hessen: Ja zur Fünftel-Regelung bei Pensionsfonds

Das FG Hessen hat die Anwendung der Fünftel-Regelung auf eine Kapitalzahlung einer nach Rentenbeginn auf einen Pensionsfonds ausgelagerten U-Kassenzusage bejaht. Als Argument für die Außerordentlichkeit führte es an, dass aus § 3 i. V. m. § 30g BetrAVG heraus eine Abfindung nur in seltenen Fällen möglich sei. Zudem sei es ein Indiz für die Außerordentlichkeit, dass in der ursprünglichen Versorgungszusage keine Kapitaloption enthalten war (FG Hessen, Beschluss vom 14.05.2020, Az. 4 V 312/20, Abruf-Nr. 232192).

Ultima Ratio – BFH

Zwei weitere FG-Fälle gingen sogar in die Revision vor den BFH. In dem einen Fall hatte das FG Berlin-Brandenburg die Fünftel-Regelung bei zwei vorzeitig aufgelösten Direktversicherungs- bzw. Pensionskassenverträgen für anwendbar erklärt. In dem anderen Fall hatte das FG Köln die Anwendbarkeit bei einem vorzeitig aufgelösten Pensionskassenvertrag verneint.

BFH bleibt Antwort schuldig

Beide Fälle hat der BFH am 06.05.2020 verhandelt – und letztlich zurück an die Vorinstanzen verwiesen (BFH, Urteile vom 06.05.2020, Az. X R 24/19, Abruf-Nr. 219404 und Az. X R 7/19, Abruf-Nr. 219516).

Tatbestandsmerkmal „mehrjährig“ erfüllt

Der BFH kam in beiden Fällen zu dem Schluss, dass die Zahlung des Rückkaufswerts einer nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten bAV das Merkmal der Mehrjährigkeit i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt.

Zu wenig Informationen zum Tatbestandsmerkmal „außerordentlich“

Doch ob das Merkmal „außerordentlich“ in den Fällen einer Kapitalauszahlung bei Ablauf bzw. vorzeitiger Kapitalzahlung in den nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Versorgungen vorliegt, konnte der BFH mangels ausreichender Informationen nicht entscheiden. Denn ob die Möglichkeit einer einmaligen Kapitalzahlung bereits im Vertrag vorgesehen ist, stellt lediglich ein Indiz dar, ob eine Kapitalzahlung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich außerordentlich ist, so der BFH entgegen seiner früheren Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 20.09.2016, Az. X R 23/15, Abruf-Nr. 191169).

Wichtig | Der BFH hat beide Fälle deshalb an die Finanzgerichte zurückverwiesen. Sie müssen prüfen, ob die Kapitalzahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich außerordentlich ist.

FG Köln versagt Fünftel-Regelung im zweiten Rechtsgang

Das FG Köln hatte zur Prüfung Datenmaterial bei zahlreichen Einrichtungen angefordert. Ergebnis: Es gibt zu wenig Informationen über die Häufigkeit von (vorzeitigen) Kapitalzahlungen bei Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds, um eine eindeutige Klassifizierung als außerordentlich vornehmen zu können. Somit fehle es an der nach der FGO erforderlichen Überzeugung, damit die Fünftel-Regelung genutzt werden könne (FG Köln, Urteil vom 30.09.2021, Az. 15 K 855/18, Abruf-Nr. 208633).

Es bleibt abzuwarten, ob das FG Berlin-Brandenburg zum gleichen Ergebnis kommt. Ein Termin für die Entscheidung steht derzeit noch nicht fest. SSP hält Sie auf dem Laufenden.

AUSGABE: SSP 12/2022, S. 14 · ID: 48754582

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