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UmsatzsteuerVorsteuern: Bis wann müssen Sie eine gemischt genutzte Immobilie dem Unternehmen zuordnen?

Abo-Inhalt03.01.2022629 Min. LesedauerVon Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof und Speyer

| Der EuGH hat Stellung bezogen, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, dass die deutsche Finanzverwaltung verlangt, dass bei einem gemischt genutzten Gegenstand für Vorsteuerzwecke die Zuordnung zum unternehmerischen Bereich spätestens zum Zeitpunkt der Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung erfolgen muss. SSP stellt Ihnen Hintergrund und Ausgang vor und erläutert die Folgen für die Zuordnungspraxis. |

Die steuerliche Ausgangslage zur Unternehmenszuordnung

Bei einem einheitlichen Gegenstand (z. B. Gebäude, Pkw), der teilweise unternehmerisch und teilweise privat genutzt wird, hat der Unternehmer ein Wahlrecht (Abschn 15.2c Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b UStAE). Er kann den Gegenstand

  • insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, wenn die unternehmerische Nutzung mindestens zehn Prozent beträgt (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG),
  • in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder
  • im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung seinem Unternehmensvermögen zuordnen.

Darum ist die Frage beim EuGH gelandet

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ein Unternehmer, der einen gemischt genutzten Gegenstand dem Unternehmen zuordnen will, diese Zuordnungsentscheidung spätestens mit Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärung dokumentieren muss (Abschn. 15.2c. Abs. 16 S. 4ff. UStAE). Dabei gelte nach aktueller Rechtslage die Regelabgabefrist 31.07. des Folgejahres (§ 149 Abs. 2 S. 1 AO). Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen verlängern die Dokumentationsfrist nicht (A 15.2c Abs. 16 UStAE). Insoweit hat das BMF die strenge Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 07.07.2011, Az. V R 21/10, Abruf-Nr. 114094) übernommen.

Um diese Fälle ging es beim EuGH

Beim EuGH ging es jetzt um zwei Fälle, in denen das Finanzamt dem Unternehmer jeweils den Vorsteuerabzug versagt hatte, weil diese bis zum damals geltenden Regelabgabetermin für die Umsatzsteuerjahreserklärung – 31.05. des Folgejahres – den jeweiligen Gegenstand nicht dem Unternehmen zugeordnet hatte. Es ging um folgende Fälle:

Fall 1: Gerüstbauunternehmer A beauftragte im Jahr 2014 einen Architekten mit dem Bau seines Einfamilienhauses. Im Bauplan war ein Zimmer als Arbeitszimmer bezeichnet. Dafür machte der Gerüstbauer erstmals in seiner am 28.09.2016 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2015 entsprechende Vorsteuer geltend.

Fall 2: B erwarb im Jahr 2014 eine Fotovoltaikanlage. Den hiermit erzeugten Strom verbrauchte er teils selbst, teils verkaufte er ihn aufgrund eines Einspeisungsvertrags an einen Energieversorger. In seiner am 19.02.2016 für das Jahr 2014 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung machte er erstmals Vorsteuer aus der Anschaffung der Fotovoltaikanlage geltend.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH betont, dass das Recht zum Vorsteuerabzug nach Art. 167 ff MwStSystRL zur Gewährleistung der Neutralität der steuerlichen Belastung auf unternehmerischer Ebene grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Insofern kommt es in erster Linie darauf an, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gegeben sind. Diese bestehen insbesondere darin, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs als Unternehmer gehandelt wurde.

Soll heißen: Die Gegenstände, hinsichtlich derer Vorsteuer geltend gemacht wird, müssen für den unternehmerischen Bereich bezogen worden sein. Damit muss der Steuerzahler schon beim Erwerbszeitpunkt entscheiden, ob er die Gegenstände seinem Unternehmen zuordnet. Diese Absicht muss er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht eindeutig nach außen hin erklärt haben (EuGH, Urteil vom 14.10.2021, Rs. C-45/20 und C-46/20, Abruf-Nr. 225420).

Formelle Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten sind zu beachten

Damit das formell kontrolliert werden kann, muss der Unternehmer Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten beachten (bzgl. letzterer gelten Art. 250, 252, und 261 MwStSystRL). Zwar kann der Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht allein deshalb versagt werden, weil diese formellen Voraussetzungen (hier: die Erklärungspflichten) nicht beachtet worden sind.

Aber der Finanzverwaltung muss auch eine effektive Kontrolle möglich sein, ob eine entsprechende Verwendungsabsicht zum maßgeblichen Erwerbszeitpunkt vorlag. Von daher ist es grundsätzlich zulässig, an die Angaben in der rechtzeitig abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung anzuknüpfen, weil durch eine solche zeitliche Grenze auch die Rechtssicherheit gewahrt ist.

Heilen objektive Zuordnungsentscheidungen eine Pflichtverletzung?

Andererseits genügt es aber auch, wenn aufgrund anderer objektiver Anhaltspunkte die Verwendungsabsicht belegt ist. Dabei ist es etwa im Fall 1 ein Indiz, dass der von A später zu unternehmerischen Zwecken genutzte Raum bereits im Bauplan als Arbeitszimmer bezeichnet worden ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Tatsache, dass B im Fall 2 bereits im Jahr des Erwerbs der Fotovoltaikanlage einen entsprechenden Einspeisungsvertrag abgeschlossen hatte.

Somit kann der Vorsteuerabzug bei Nichteinhaltung der Frist für die Umsatzsteuerjahreserklärung nur versagt werden, wenn hierdurch der sichere Nachweis der Zuordnungsentscheidung zum Erwerbszeitpunkt vereitelt wird. Folglich wäre es unverhältnismäßig, allein wegen Fristablaufs den Vorsteuerabzug zu versagen, wenn der Steuerzahler auf andere Weise seine Verwendungsentscheidung belegen könnte. Andererseits genügen aber nicht allein die Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung, wenn die unternehmerische Verwendung nicht auch auf andere Art belegt ist.

Schließlich weist der EuGH darauf hin, dass unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch Fristverlängerungen zu prüfen sind oder ob weniger einschneidende Sanktionen zur Ermöglichung der Überprüfung in Betracht kommen, statt den Vorsteuerabzug zu versagen.

Was folgt aus der Entscheidung des EuGH?

Der EuGH hält die Praxis der deutschen Finanzverwaltung mit Art. 168 Buchst. a i. V. m. Art. 167 MwStSystRL vereinbar, was das Anknüpfen an Erklärungsfristen anbelangt. Gleichwohl muss aber immer noch geprüft werden, ob es unverhältnismäßig war, den Vorsteuerabzug nur deshalb zu versagen, weil die Frist nicht eingehalten worden war. Das heißt für Sie:

Die Empfehlung: Auf Nummer sicher gehen

Die Finanzverwaltung wird sich durch die Entscheidung des EuGH in ihrer Rechtsauffassung bestätigt sehen. Haben Sie die Wahlmöglichkeit, einen Gegenstand dem Unternehmen zuzuordnen, sollten Sie deshalb dringend darauf achten ist, dies spätestens zum regulären Abgabezeitpunkt für die Umsatzsteuerjahreserklärung nach § 149 Abs. 2 S. 1 AO zu tun. Zusätzlich sind Beleg für die unternehmerische Nutzung vorzuhalten.

Praxistipp | Noch besser ist es aber, wenn Sie das noch in der jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldung tun. Denn sofern Sie einen Steuerberater mit der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung beauftragt haben, kann es leicht dazu kommen, dass die Erklärung dann erst zum Termin gemäß § 149 Abs. 3 Nr. 4 AO beim Finanzamt eingeht. Und das könnte die Zuordnung zum Unternehmen – und damit den Vorsteuerabzug – kosten, weil sich das Finanzamt auf den Standpunkt stellt, Sie hätten die Zuordnungsfrist versäumt.

Die second-best-Variante

Wie geschildert besteht rein theoretisch auch die Möglichkeit, trotz Nichteinhaltung der Frist zum Vorsteuerabzug zu gelangen. Weisen Sie das Finanzamt dazu auf die aktuelle EuGH-Entscheidung hin und präsentieren Sie ihm entsprechende – objektive – Anhaltspunkte, aus denen hervorgeht, warum schon bei Ihrer Kaufentscheidung klar war, dass und wie Sie das in Rede stehende Wirtschaftsgut für unternehmerische Zwecke nutzen.

Fotovoltaik-Fall ist vom BFH wieder aufgenommen worden

Wie kurz vor Redaktionsschluss bekanntgeworden ist, ist der Fotovoltaik-Fall des EuGH vom BFH wieder aufgenommen worden. Das Verfahren trägt das Az. XI R 29/21. Der BFH wird also jetzt entscheiden, ob die Zuordnungsentscheidung dem zuständigen Finanzamt bis zur gesetzlichen Abgabefrist der betreffenden Steuererklärung mitgeteilt werden muss (Abschn. 15.2c Abs. 16 S. 5 UStAE) bzw. ob die Zuordnungsentscheidung anderweitig getroffen worden war – und so den Vorsteuerabzug ermöglicht.

AUSGABE: SSP 1/2022, S. 26 · ID: 47755432

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