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UmsatzsteuerPhotovoltaikanlagen: Typische Fehler beim Übergang zur Kleinunternehmerregelung vermeiden

Top-BeitragAbo-Inhalt27.12.2021471 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Viele Betreiber von Photovoltaikanlagen überlegen, wann ein Wechsel von der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung sinnvoll ist. Angeheizt wird diese Überlegung auch durch das BMF-Schreiben vom 29.10.2021 (Liebhaberei auf Antrag, SSP 12/2021, Seite 16). In Kombination kann die Anlage damit vollkommen ohne steuerliche Pflichten betrieben werden. Doch bei einem Wechsel sind insbesondere zwei Stolpersteine zu beachten, die sehr teuer werden können. SSP zeigt, worauf Sie achten sollten und was passiert, wenn Sie Fehler machen. |

Schritt 1: Kleinunternehmer optiert zur Regelbesteuerung

Unternehmen mit einem Jahresumsatz von maximal 22.000 Euro können die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG nutzen. Wenn Sie eine Photovoltaikanlage betreiben und nicht anderweitig unternehmerisch tätig sind, fallen Sie meist hierunter. Infolge dessen haben Sie mit der Umsatzsteuer nichts zu tun. Sie müssen weder Umsatzsteuer bezahlen noch können Sie einen Vorsteuerabzug geltend machen.

Da der Vorsteuerabzug aufgrund der hohen Installationskosten oft lukrativ ist, optieren viele Betreiber direkt mit Inbetriebnahme der Anlage aber zur Regelbesteuerung nach § 19 Abs. 2 UStG. Die Folge: Sie können die Vorsteuern aus Installations-, Wartungs- und sonstigen Kosten vom Finanzamt zurückfordern. Im Gegenzug unterliegen die verhältnismäßig geringen Einspeisevergütungen der Umsatzsteuer. Auch der dezentral (privat) verbrauchte Strom ist als unentgeltliche Wertabgabe steuerpflichtig.

Beispiel

Malte Bundschuh hat am 01.11.2013 eine Photovoltaikanlage in Betrieb genommen. Die Anschaffungskosten haben 35.000 Euro zzgl. 6.650 Euro Umsatzsteuer betragen. Der Strom wird – soweit möglich – dezentral (privat) verbraucht. Der verbleibende Strom wird eingespeist. Bundschuh verzichtet auf die Kleinunternehmerregelung und rechnet mit einer jährlichen Einspeisevergütung des Netzbetreibers von 1.000 Euro zzgl. 190 Euro Umsatzsteuer. Für den dezentral (privat) verbrauchten Strom rechnet er mit jährlich 800 Euro zzgl. 152 Euro Umsatzsteuer. Laufende vorsteuerbehaftete Kosten entstehen voraussichtlich nicht.

Lösung: Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kann Herr Bundschuh aus den Installationskosten einen Vorsteuerabzug von 6.650 Euro beanspruchen. Parallel muss er Umsatzsteuer auf die Einspeisevergütungen (190 Euro jährlich) und den dezentral verbrauchten Strom (152 Euro jährlich) ans Finanzamt abführen.

Schritt 2: Rückoption zur Kleinunternehmerregelung

Die Option zur Regelbesteuerung bringt steuerliche Mehrarbeit, ist aber aufgrund der hohen Vorsteuererstattung aus den Installationskosten oft sehr lukrativ. Nach ein paar Jahren dreht sich der Spieß um. Denn in den ersten Jahren nach der Inbetriebnahme fallen normalerweise keine größeren Kosten (mehr) an, der Vorsteuerabzug ist gering. Die Einspeisevergütungen und der dezentral (privat) verbrauchte Strom unterliegen aber noch immer der Umsatzsteuer.

Möchten Sie diese Besteuerung vermeiden, können Sie die Regelbesteuerung widerrufen und zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren. Diese „Rückoption“ ist frühestens fünf Jahre nach zuvor ausgeübter Option zur Regelbesteuerung zulässig. Zudem muss der Widerruf zu Beginn eines Kalenderjahrs erfolgen und spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahrs, für das er gelten soll, gegenüber dem Finanzamt erklärt werden (§ 19 Abs. 2 UStG). Eine bestimmte Form des Widerrufs sieht das Gesetz nicht vor.

Beispiel (Fortsetzung)

Malte Bundschuh möchte die Anwendung der Regelbesteuerung so schnell wie möglich widerrufen und zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren.

Lösung: Durch die Option zur Regelbesteuerung für das Jahr 2013 ist er fünf Jahre und damit bis einschließlich 2017 gebunden. Herr Bundschuh kann die Regelbesteuerung frühestens für das Jahr 2018 widerrufen und zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren. Den Widerruf muss er dabei bis zur Unanfechtbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung für 2018 erklären. Ein Widerruf ist damit auch noch bei Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2018 bzw. in einem daran anschließenden Einspruchsverfahren zulässig.

Stolperstein 1: Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG

Das erste relevante Praxisproblem liegt in der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Ein Übergang von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung bedeutet nämlich gemäß § 15a Abs. 7 UStG eine Änderung der Verhältnisse für den ursprünglichen Vorsteuerabzug. Ist der maßgebende Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 S. 1 UStG von fünf Jahren noch nicht abgelaufen, bedeutet dies, dass Sie einen Teil der zuvor erhaltenen Vorsteuer aus den Installationskosten ans Finanzamt zurückzahlen müssen.

Eigentlich kein Problem, da die Bindungsfrist zur Regelbesteuerung ja ebenfalls fünf Jahre beträgt. Doch falsch gedacht. Die in § 19 Abs. 2 UStG verankerte Bindungsfrist zur Regelbesteuerung erstreckt sich auf fünf Besteuerungsjahre (Kalenderjahre), während der Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 S. 1 UStG volle fünf Jahre (also 60 Monate lang) läuft. Widerrufen Sie die Regelbesteuerung zu früh, kann das teuer werden:

Beispiel (Fortsetzung)

Da Malte Bundschuh schnellstmöglich zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren möchte, widerruft er die Regelbesteuerung nach Ablauf der fünf Kalenderjahre und folglich zum 01.01.2018.

Lösung: Der Widerruf ist zulässig. Herr Bundschuh muss ab dem Jahr 2018 weder Umsatzsteuer auf eingespeisten noch auf dezentral verbrauchten Strom zahlen. Zugleich ist ein Vorsteuerabzug aus künftigen Kosten (z. B. Wartung) ausgeschlossen. Der Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 S. 1 UStG von fünf Jahren läuft jedoch vom 01.11.2013 (Inbetriebnahme) bis zum 31.10.2018. Damit erfolgt der Wechsel zur Kleinunternehmerregelung innerhalb des Berichtigungszeitraums und es tritt eine Änderung der Verhältnisse ein. Herr Bundschuh muss die im Jahr 2013 erhaltene Vorsteuer anteilig ans Finanzamt zurückzahlen. Der zurückzuzahlende Betrag beträgt 886,64 Euro und errechnet sich wie folgt:

Ein kleiner Trost: Der zurückzuzahlende Betrag ist als Betriebsausgabe abzugsfähig. Besser wäre es aber, wenn Hr. Bundschuh erst zum 01.01.2019 zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren würde. Dann müsste er keine 886,64 Euro Vorsteuern ans Finanzamt zurückzahlen.

Praxistipp | Der fünfjährige Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 S. 1 UStG gilt nur für sogenannte Aufdachanlagen (Montage der Anlage auf das vorhandene Dach). Betreiben Sie hingegen eine in das Dach integrierte Anlage (also PV-Module anstelle der Dacheindeckung etc.), verlängert sich der Zeitraum auf zehn Jahre (§ 15a Abs. 1 S. 2 UStG). Prüfen Sie deshalb vor einem Widerruf der Regelbesteuerung sorgfältig, um was für eine Anlage es sich handelt und ob der jeweilige Berichtigungszeitraum abgelaufen ist. Fehler werden teuer bestraft!

Stolperstein 2: Netzbetreiber nicht informiert

Den zweiten Fehler begehen Sie, wenn Sie den Widerruf der Regelbesteuerung gegenüber dem Finanzamt erklären, jedoch Ihren Netzbetreiber vergessen. Diesem haben Sie nämlich bei der Inbetriebnahme der Anlage mitgeteilt, dass Sie die Regelbesteuerung anwenden. Infolge dessen hat Ihnen Ihr Netzbetreiber in den vergangenen Jahren zusätzlich zur Einspeisevergütung gemäß EEG die darauf entfallende Umsatzsteuer ausgezahlt (§ 18 Abs. 2 EEG 2012 bzw. § 21 Abs. 2 EEG 2021). Diese wurde Ihnen also gesondert vergütet und gesondert in den Gutschriften ausgewiesen.

Informieren Sie ihn nicht über die nun geltende Kleinunternehmerregelung, zahlt er Ihnen weiterhin die EEG-Vergütung zzgl. Umsatzsteuer aus. Zutreffend wäre es jedoch, dass er Ihnen die Vergütung als Nettobetrag auszahlt und die Gutschriften entsprechend berichtigt.

Beispiel (Fortsetzung)

Malte Bundschuh hatte seine PV-Anlage am 01.11.2013 in Betrieb genommen. Mit welcher Einspeisevergütung muss er rechnen?

Lösung: Die Einspeisevergütung beträgt laut EEG je kWh 14,07 Cent. Wendet Herr Bundschuh die Kleinunternehmerregelung an, erhält er exakt diesen Betrag als Gutschrift. Wendet er die Regelbesteuerung an, erhält er zusätzlich die Umsatzsteuer in Höhe von 2,67 Cent/kWh vergütet (19 %). Da Herr Bundschuh mit Vergütungen von jährlich 1.000 Euro rechnet, bedeutet dies konkret:

Zeigen Sie den Wechsel zur Kleinunternehmerregelung Ihrem Netzbetreiber nicht an (wozu Sie sich meistens jedoch bereits in den Vertragsunterlagen verpflichtet haben), erhalten Sie weiterhin Vergütungen, als wenn Sie noch immer die Regelbesteuerung anwenden würden. Die Vergütungen sind folglich in Höhe der Umsatzsteuer zu hoch. Ebenso sind die erstellten Gutschriften fehlerhaft, da diese die Umsatzsteuer offen ausweisen.

Rückwirkende Korrektur bei Entdecken des Fehlers

Fällt Ihnen, Ihrem Netzbetreiber oder dem Finanzamt dieses unzutreffende Vorgehen (Kleinunternehmer beim Finanzamt/Regelbesteuerung beim Netzbetreiber) nachträglich auf, wird es teuer.

Variante 1: Gutschriften werden berichtigt

Informieren Sie nachträglich Ihren Netzbetreiber über den Wechsel zur Kleinunternehmerregelung oder fallen ihm die fehlerhaften Abrechnungen auf, wird er künftige Gutschriften anpassen und keine Umsatzsteuer mehr vergüten. Regelmäßig werden jedoch auch vergangene Gutschriften seit Anbeginn des Jahres, zu dem die Kleinunternehmerregelung gilt, korrigiert. Infolge dessen wird auch hier ohne Umsatzsteuer abgerechnet und der Netzbetreiber fordert den bisher an Sie zu viel ausgezahlten Betrag zurück. Der zurückzuzahlende Betrag stellt bei Ihnen eine Betriebsausgabe dar.

Beispiel (Fortsetzung)

Herr Bundschuh hat seinem Netzbetreiber den Wechsel zur Kleinunternehmerregelung zum 01.01.2018 nicht angezeigt. Die Gutschriften erfolgen wie bisher (jährlich 1.000 Euro zzgl. 190 Euro USt). Er teilt seinem Netzbetreiber nachträglich am 01.01.2022 mit, dass seit dem 01.01.2018 die Kleinunternehmerregelung gilt.

Lösung: Werden auch die Gutschriften korrigiert, wird darin die jährliche Vergütung von 1.000 Euro zzgl. 190 Euro Umsatzsteuer auf lediglich 1.000 Euro reduziert. Herr Bundschuh muss deshalb für die vergangenen vier Jahre einen zu viel erhaltenen Betrag von 760 Euro (4 x 190 Euro) an den Netzbetreiber zurückzahlen.

Variante 2: Finanzamt fordert von Ihnen Umsatzsteuer

Fallen die fehlerhaften Gutschriften dem Finanzamt auf, wird es sich ebenfalls an Sie wenden. Als Kleinunternehmer dürfen Sie in Rechnungen keine Umsatzsteuer offen ausweisen (§ 19 Abs. 1 S. 4 UStG). Tun Sie dies dennoch, schulden Sie den ausgewiesenen Betrag nach § 14c Abs. 2 S. 1 UStG. Zwar werden die Einspeisevergütungen durch Gutschriften des Netzbetreibers abgerechnet. Allerdings gelten die Gutschriften auch Ihnen gegenüber, wenn Sie diesen nicht widersprechen (§ 14 Abs. 2 S. 2 und 3 UStG).

Beispiel (Fortsetzung)

Herr Bundschuh hat seinem Netzbetreiber den Wechsel zur Kleinunternehmerregelung zum 01.01.2018 nicht angezeigt. Die Gutschriften erfolgen wie bisher (jährlich 1.000 Euro zzgl. 190 Euro USt). Dem Finanzamt fallen im Januar 2022 die fehlerhaften und nicht widersprochenen Gutschriften auf.

Lösung: Die in den Gutschriften offen ausgewiesene Umsatzsteuer wird von Herr Bundschuh seit Wechsel zur Kleinunternehmerregelung geschuldet (§ 14c Abs. 2 UStG). Das Finanzamt wird von ihm rückwirkend 760 Euro (4 x 190 Euro) fordern.

Im Ergebnis wird der Anlagenbetreiber in beiden Varianten so gestellt, als hätte er gleich die zutreffende, um die Umsatzsteuer reduzierte, Vergütung erhalten. Das Finanzamt kann die Umsatzsteuer rückwirkend fordern (Änderung nach § 164 Abs. 2 AO), bis Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Zu der Nachzahlung kommen deshalb regelmäßig Nachzahlungszinsen hinzu.

Ist die Rückkehr zum Kleinunternehmer überhaupt sinnvoll?

Die Frage, ob eine Rückkehr zur Kleinunternehmerregelung überhaupt sinnvoll ist, ist berechtigt. Da die Vergütungen des Netzbetreibers um die zu zahlende Umsatzsteuer reduziert werden, tritt in Bezug auf die Einspeisevergütungen kein Vorteil ein. Der Vorteil besteht jedoch darin, dass Sie bei der Kleinunternehmerregelung den dezentral (privat) verbrauchten Strom nicht mehr versteuern müssen (im Beispiel: jährliche Ersparnis von 152 Euro). Zudem entfallen Ihre umsatzsteuerlichen Pflichten (z. B. Abgabe von USt-Voranmeldungen), und Sie können in Kombination mit einem Antrag auf Liebhaberei (BMF, Schreiben vom 29.10.2021, Az. IV C 6 – S 2240/19/10006, Abruf-Nr. 225592) Ihre Anlage komplett ohne steuerliche Verpflichtungen betreiben. Die Kehrseite der Medaille und damit effektiver Nachteil ist, dass ab Rückkehr zur Kleinunternehmerregelung ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.

Fazit | Sie müssen also abwägen. Grundsätzlich gilt: Je höher der privat verbrauchte Stromanteil ist und je geringer die voraussichtlich künftig anfallenden vorsteuerbehafteten Kosten ausfallen, umso eher rentiert sich ein Wechsel zur Kleinunternehmerregelung. Prüfen Sie vor dem Wechsel, ob noch Reparaturen oder Wartungen erforderlich sind. Ziehen Sie diese im Zweifel vor und sichern Sie sich den Vorsteuerabzug. Werden Sie irgendwann wider Erwarten mit hohen Kosten konfrontiert (z. B. größere Reparaturen), wägen Sie ab, ob Sie ab dem Jahr nicht wieder zur Regelbesteuerung wechseln (§ 19 Abs. 2 UStG) und sich den Vorsteuerabzug sichern. Dieser Wechsel bindet Sie aber erneut für fünf Jahre.

AUSGABE: SSP 1/2022, S. 17 · ID: 47888071

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