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EinkommensteuerBeim BFH: Sind Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen steuerpflichtig?
| Sind Einnahmen aus dem Handel mit Kryptowährungen (z. B. Bitcoins) sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und damit steuerpflichtig? Oder sind sie steuerfrei, weil Kryptowährungen keine immateriellen Wirtschaftsgüter sind bzw. weil bei Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt, das dem Gesetzgeber zurechenbar ist? Mit diesen Fragen muss sich der BFH befassen. |
Der Fall vor dem FG Baden-Württemberg
Im konkreten Fall hatte ein Sohn für seinen Vater treuhänderisch mit Bitcoins gehandelt. Er kaufte zunächst mit US-Dollar (USD) Bitcoins. Mit Teilen der Bestände handelte er direkt, andere nutzte er zum Erwerb weiterer Kryptowährungen. Er war hierzu bei sechs internetbasierten Handelsplattformen angemeldet. Die Gewinne, die aus dem An- und Verkauf innerhalb eines Jahres entstanden, berücksichtigte das Finanzamt als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (nach § 23 EStG). Der Vater wollte das nicht hinnehmen. Er ging vor Gericht.
FG schmettert Argumente des Steuerzahlers ab
Das FG hat die Klage abgeschmettert und die Handhabung durch das Finanzamt bestätigt. Es musste sich dabei mit zwei Verteidigungs- bzw. Argumentationssträngen auseinandersetzen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.06.2021, Az. 5 K 1996/19, Abruf-Nr. 226149).
1. Sind Kryptowährungen überhaupt immaterielle Wirtschaftsgüter?
Argument eins des Steuerzahlers lautete, dass bei einer Kryptowährung kein „anderes Wirtschaftsgut“ und damit kein steuerbares Veräußerungsgeschäft vorliege. § 23 EStG greife nicht.
Antwort des FG: Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Er umfasst „sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt“, „die einer selbstständigen Bewertung zugänglich sind“ und der „Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde“. Der Steuerzahler habe beim Erwerb der Kryptowährungen zumindest einen vermögenswerten Vorteil erlangt. Im Blockchain der Kryptowährung werde ihm verbindlich ein Anteil an der Währung zugerechnet. Dieser stehe ihm, dem Inhaber des öffentlichen und des privaten Schlüssels, zu und sei mit der Chance auf Wertsteigerung sowie dem Einsatz als Zahlungsmittel verbunden.
Die Kryptowährung sei einer gesonderten Bewertung zugänglich. Deren Wert werde anhand von Angebot und Nachfrage ermittelt. Der Kläger habe aus Kurssteigerungen Gewinne erzielt. Kryptowährungen seien übertragbar. Dies zeige deren Handel an speziellen (Internet-)Börsen. Die technischen Details der Kryptowährungen seien für die rechtliche Bewertung des Wirtschaftsguts nicht entscheidend.
2. Besteht ein strukturelles Vollzugsdefizit?
Argument zwei bestand darin, dass der Steuerzahler geltend machte, die Besteuerung von Einkünften aus dem Handel mit Kryptowährungen hänge von der Erklärungsbereitschaft jedes einzelnen Steuerzahlers ab. Es gebe ein strukturelles Vollzugsdefizit, das dem Gesetzgeber zurechenbar sei und eine Besteuerung ausschließe.
Antwort des FG: Auch wenn sich die meisten Handelsplattformen für Kryptowährungen im Ausland befänden, könne von einem strukturellen Vollzugsdefizit keine Rede sein. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug sei die Finanzverwaltung grundsätzlich auf eine erhöhte Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen. Nationalstaatliche Souveränität könne der deutsche Gesetzgeber nicht verändern. Zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe sowie Sammelauskunftsersuchen zur Einholung der erforderlichen Auskünfte bei Internethandelsplattformen seien möglich.
Kryptobörsen seien als multilaterales Handelssystem Finanzdienstleistungsinstitute. „Als solches unterliegen sie der Identifizierungspflicht“. Betreibe die Kryptobörse auch Finanzkommissionsgeschäfte, sei sie sogar ein Kreditinstitut und unterliege somit dem Kontenabruf. Auch wenn sich private Veräußerungsgeschäfte mit Kryptowährungen, die es im Streitjahr erst seit ca. acht Jahren gebe, nur schwer aufdecken ließen, reiche dies für sich alleine noch nicht zur Begründung eines strukturellen Vollzugsdefizits aus. Der Gesetzgeber könne nicht auf jede (technische) Neuerung sofort regulatorisch reagieren. Er dürfe zunächst deren Entwicklung abwarten und müsse „erst dann reagieren, wenn sich gravierende Missstände zeigen“. Solche habe es bis zum Streitjahr nicht gegeben.
Was sagt der BFH?
Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen, weil die entscheidenden Fragen noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Der Steuerzahler hat sie eingelegt. Der Musterprozess wird beim BFH unter dem Az. IX R 27/21 geführt.
Wichtig | Man darf gespannt sein, ob die Finanzverwaltung die BFH-Entscheidung abwartet, bevor sie zu dem Thema grundsätzlich Stellung nimmt. Immerhin ist seit dem 17.06.2021 ein BMF-Schreiben „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token“ im Entwurfsstadium da.
- Den BMF-Entwurf „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token“ finden Sie hier → www.iww.de/s5322
AUSGABE: SSP 1/2022, S. 15 · ID: 47849395