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GebäudeabschreibungImmobilien: BFH erleichtert schnellere „Sonderabschreibung“ in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG
| § 7 Abs. 4 S. 2 EStG bietet Ihnen die Möglichkeit, eine Immobilie schneller abzuschreiben, als es die Abschreibungsregeln in § 7 Abs. 4 S. 1 EStG vorsehen. Dazu müssen Sie darlegen, dass und warum die Immobilie eine kürzere Nutzungsdauer hat. Diese Darlegung muss eine Schätzung erlauben, in welchem Zeitraum das Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Ein Bausubstanzgutachten ist dafür nicht erforderlich, entschied jetzt der BFH. |
Die Regeln zur Wohngebäude-Abschreibung
Wer einen Altbau erwirbt, den er zu Wohnzwecken vermieten möchte, darf üblicherweise nur zwei Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes als AfA geltend machen. Der Gesetzgeber unterstellt eine Nutzungsdauer von 50 Jahren (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG). Bei Wohngebäuden, die bereits vor 1925 fertiggestellt worden sind, werden 40 Jahre und ein AfA-Satz von 2,5 Prozent zugrunde gelegt (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2b EStG).
Der „schneller-Abschreiben-Paragraf“
In bestimmten Fällen dürfen Sie aber eine geringere tatsächliche Nutzungsdauer und damit einen höheren AfA-Satz beantragen (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG). Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 04.03.2008, Az. IX R 16/07, Abruf-Nr. 226169) wird die zu schätzende Nutzungsdauer bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, die die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Den Nachweis der kürzeren Nutzungsdauer müssen Sie als Hausbesitzer führen.
Finanzverwaltung sträubt sich gegen Nutzungsdauerberechnungsmodell
Die Finanzverwaltung lehnt die Anwendung eines typisierten Modells (nach Anlage 4 der Sachwertrichtlinie) zur Ableitung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes oftmals ab. Sie vertritt die Auffassung, dass das vom Sachverständigen angewandte Verfahren nur bei der Gebäudesachwertermittlung nach §§ 21 ff. i. V. m. § 6 Abs. 6 ImmoWertV – und damit für Zwecke der Verkehrswertermittlung Anwendung finde – und nicht im Rahmen des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG.
BFH gibt Finanzverwaltung kontra
Dem ist nach dem FG Düsseldorf (Urteil vom 12.07.2019, Az. 3 K 3307/16 F, Abruf-Nr. 212372) jetzt auch der BFH entgegengetreten (BFH, Urteil vom 28.07.2021, Az. IX R 25/19, Abruf-Nr. 226170): Das Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen gemäß Anlage 4 der Sachwertrichtlinie ist ein geeignetes Verfahren zur Ermittlung der kürzeren Restnutzungsdauer eines Gebäudes.
Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens, insbesondere die Zustandsermittlung von Immobilien mit Hilfe des ERAB-Verfahrens (Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen), ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer, selbst wenn ein solches Gutachten möglicherweise den technischen „Verschleiß“ eines Gebäudes im Einzelfall nachvollziehen könnte.
Die Konsequenz für die Praxis
In der Praxis kann das dann dazu führen, dass Jahre nach dem Kauf (damals: pauschale Annahme einer Restnutzungsdauer von 50 Jahren) noch eine geringere Restnutzungsdauer unterstellt werden kann. Damit steigt der Abschreibungsprozentsatz und die jährliche AfA erhöht sich, wie das nachfolgende – am BFH-Fall nachgebildete – Beispiel zeigt:
Beispiel |
... mittels Sach-
verständigen-
gutachten belegen ... Eine Grundstücksgesellschaft kauft eine Immobilie für 1,5 Mio. Euro. Auf das Gebäude entfallen eine Mio. Euro, auf Grund und Boden 0,5 Mio. Euro. In der Feststellungserklärung ist das Gebäude zunächst auf 50 Jahre abgeschrieben worden. Innerhalb eines Einspruchsverfahrens legt ein – zum Sachverständigen für Grundstücksbewertung bestellter – Gesellschafter ein Gutachten zur Bestimmung der Restnutzungsdauer vor. Das wird vom Finanzamt nicht akzeptiert. Die Gesellschaft klagt. Im Klageverfahren erhebt das Gericht den Beweis über die tatsächliche Nutzungsdauer, indem es das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einholt. Dieser legte das Modell gemäß Anlage 4 der Sachwertrichtlinie (SW-RL) vom 05.09.2012 zugrunde (Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen). Das Gutachten weist eine verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer von 34 Jahren aus. Ein Bausubstanzgutachten wurde nicht erstellt. ... und jährlichen Abschreibungs-
betrag merklich erhöhen Folge: Grundsätzlich wären die Anschaffungskosten für das Gebäude gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG auf einen Zeitraum von 50 Jahren abzuschreiben. Die jährliche AfA würde sich auf 20.000 Euro (zwei Prozent) belaufen. Anstelle dieser Abschreibung kann jedoch auch auf die nachgewiesene geringere Restnutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG abgestellt werden. Dies ist der Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 EStDV). Die zu schätzende Nutzungsdauer wird dabei durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten bestimmt. Da es sich um eine Schätzung handelt, kann sie vom Finanzamt nur verworfen werden, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt. Daher ist für den Nachweis einer geringeren Restnutzungsdauer nicht wie vom Finanzamt gefordert Voraussetzung, dass ein Bausubstanzgutachten (unter Zuhilfenahme des ERAB-Verfahrens) vorgelegt wird. Die Ermittlung nach der Sachwertrichtlinie kann ausreichen, sodass für den Streitfall eine verkürzte Nutzungsdauer von 34 Jahren zugrunde zu legen war. Die Abschreibung erhöht sich von 20.000 Euro auf 29.411 Euro. |
AUSGABE: SSP 1/2022, S. 22 · ID: 47850706