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KostenerstattungObsiegende Streitgenossen sind Teilgläubiger bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs
| Der BGH hat die Frage beantwortet, dass obsiegende Streitgenossen bezüglich eines Kostenerstattungsanspruchs keine Gesamt-, sondern Teilgläubiger sind. |
Sachverhalt
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit des K gegen B1 und B2 hatte K ein Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen Einzelrichter gestellt, das das LG für unbegründet erklärte. Das OLG wies die sofortige Beschwerde des K hiergegen zurück und ordnete an, dass K die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt. Auf Antrag nur der B1 setzte das LG daraufhin mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss (KFB) die von K an B1 zu erstattenden Kosten des Beschwerdeverfahrens (= die Rechtsanwaltskosten der B1) nebst Zinsen fest. Eine Festsetzung zugunsten der durch denselben Rechtsanwalt vertretenen B2 erfolgte nicht. K erklärte daraufhin die Aufrechnung mit einer ihm gegen B1 in einem anderen Verfahren rechtskräftig zuerkannten Forderung und verweigerte gegenüber B1 die Zahlung. Auf die Ankündigung der Zwangsvollstreckung durch B1 erhob K Vollstreckungsgegenklage und Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels. Doch K ist in allen Instanzen erfolglos geblieben (BGH 8.11.22, VI ZR 379/21, Abruf-Nr. 233318).
Relevanz für die Praxis
In der Praxis spielen Aufrechnungen des Schuldners gegen titulierte Kostenerstattungsansprüche des Gläubigers bzw. der Gläubiger eine große Rolle. Solche nicht gebührenrechtlichen Einwendungen sind allerdings nicht im summarischen Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen. Sie stehen daher der Kostenfestsetzung – anders als beim Kostenfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG – nicht entgegen. Insofern scheidet auch eine Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO aus, sodass die Kosten nachträglich mit einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden können.
Eine titulierte Kostenforderung erlischt nach § 389 BGB nur, wenn eine Aufrechnungslage besteht. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Zudem muss der Aufrechnende sowohl die ihm gebührende Leistung fordern als auch die ihm obliegende Leistung bewirken können (§ 387 BGB).
Besteht bezüglich der Forderung der Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB, kann der Schuldner – hier K – auch mit einer Gegenforderung aufrechnen, die ihm nur gegenüber einem oder einzelnen der Gesamtgläubiger zusteht. Jeder Gesamtgläubiger besitzt dem Schuldner gegenüber die volle Inhaberstellung (BGH NJW 19, 3722). Im vorliegenden Fall sind B1 und B2 allerdings keine Gesamtgläubiger des titulierten Kostenerstattungsanspruchs. Laut BGH sind obsiegende Streitgenossen bezüglich der bei ihnen angefallenen Anwaltskosten Anteilsgläubiger (§ 420 BGB). Dies gilt zumindest, wenn – wie hier – die Kosten der Gegenseite ohne weitere Differenzierung auferlegt werden, weil sich eine Gesamtgläubigerschaft nicht aus der dem KFB zugrunde liegenden Kostengrundentscheidung ergibt.
Merke | Bei unterliegenden Streitgenossen wird durch § 100 ZPO das materiell-rechtliche Verhältnis mehrerer Streitgenossen im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des Obsiegenden geregelt. Sie tragen die gegnerischen Kosten ebenfalls nicht als Gesamtschuldner (§ 421 BGB), sondern auch ohne ausdrückliche Tenorierung nach Kopfteilen. Im Kostenfestsetzungsverfahren nimmt das Kostenfestsetzungsorgan diesbezüglich eine Aufteilung vor. |
Beachten Sie | Insoweit kann auch nicht § 7 RVG herangezogen werden. Danach schuldet zwar jeder von mehreren Streitgenossen, die denselben Rechtsanwalt beauftragt haben, diesem die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 S. 1 RVG). Dabei kann der Rechtsanwalt insgesamt nicht mehr als die nach § 7 Abs. 1 RVG entstandenen Gebühren und die insgesamt entstandenen Auslagen fordern (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG). Die Vorschrift regelt damit aber nur das Innenverhältnis zwischen dem beauftragten Anwalt und seinen Auftraggebern.
Der Erstattungsanspruch des einzelnen Streitgenossen im Außenverhältnis gegenüber dem Prozessgegner beschränkt sich nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO grundsätzlich auf den Betrag, der sich für seine jeweilige Prozessführung als notwendig erwiesen hat. Die Streitgenossen sind somit hinsichtlich der auf ihrer Seite insgesamt angefallenen Anwaltskosten Anteilsgläubiger (§ 420 BGB).
Wie hoch der jeweils vom Gegner zu beanspruchende Kostenanteil ist, bestimmt sich nach dem Innenverhältnis der Streitgenossen. Nach § 426 Abs. 1 BGB ist davon auszugehen, dass jeder Streitgenosse bei gleicher Beteiligung am Rechtsstreit den auf ihn entfallenden Bruchteil der gemeinsamen Prozesskosten aufwendet. Einen höheren Betrag als seinen Bruchteil kann der Streitgenosse nur fordern, wenn er glaubhaft macht, dass er ihn aufgewendet hat oder aufwenden muss.
Merke | Der BGH bejaht eine Gesamtgläubigerschaft nur, wenn
Ist für das Vollstreckungsorgan also keine Differenzierung je nach unterschiedlicher Beteiligung ersichtlich (vgl. BGH 20.5.85, VII ZR 209/84), müssen sich die beiden Gläubiger wie Gesamtgläubiger behandeln lassen. Eine getrennte Kostenfestsetzung oder die eindeutige Aufteilung der mehreren Gläubigern geschuldeten (teilbaren) Leistung würde dagegen die Auseinandersetzung auf die tatsächlichen Kostenanteile beschränken. |
AUSGABE: RVGprof 4/2023, S. 59 · ID: 49041565