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StrafprozessDie Gebühren des Vollverteidigers in der Strafvollstreckung

Abo-Inhalt19.03.20232400 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Erbringt der Rechtsanwalt/Verteidiger für den Mandanten im Bereich der Strafvollstreckung Leistungen, ergeben sich im Rahmen der richtigen Abrechnung zahlreiche allgemeine Abrechnungsfragen. Die folgende Checkliste gibt deshalb einen Überblick über die Abrechnung der Tätigkeiten als Vollverteidiger (zu praxisrelevanten Punkten vgl.: RVG prof. 23, 51; die Fortsetzung „Abrechnung von konkreten Einzeltätigkeiten in der Strafvollstreckung“ folgt). |

Checkliste / Die Abrechnung der Tätigkeiten des Vollverteidigers (Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG)

Frage

Antwort

1.

Welche Verfahren erfasst Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG?

Im RVG sind die Verfahren, in denen Gebühren in der Strafvollstreckung entstehen können, in zwei Gruppen unterteilt:

  • die besonders bedeutsamen Verfahren nach Nr.  4200 VV RVG
  • die sonstigen Verfahren nach Nr.  4204 VV RVG

Die beiden Gruppen werden hinsichtlich der Gebührentatbestände und der allgemeinen Fragen (s. Checkliste in RVG prof. 23, 51) gleichbehandelt. Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich der Gebührenhöhe.

2.

Welche Verfahren gehören zu den bedeutsamen Verfahren der Nr.  4200 VV RVG?

Zu den bedeutsamen Verfahren der Nr.  4200 VV RVG zählen nach:

  • Nr.  1 die Erledigung oder Aussetzung der Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt
  • Nr.  2 die Aussetzung des Rests einer zeitigen Freiheitsstrafe oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe (vgl. KG RVG prof. 12, 44 [auch das Verfahren über die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer einer lebenslangen Freiheitsstrafe])
  • Nr.  3 das Verfahren über den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung oder den Widerruf der Aussetzung einer Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung (s. OLG Dresden RVG prof. 12, 170 [auch Krisenintervention gem. § 67h StGB]; vgl. wegen der Einzelheiten Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Nr.  4200 VV Rn. 3 ff.)

3.

Welche Verfahren zählen zu den sonstigen Strafvollstreckungsverfahren?

Zu den sonstigen Verfahren der Nr.  4204 VV RVG zählen alle nicht in Nr.  4200 VV RVG genannten Verfahren (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Nr.  4204 VV Rn. 2 f.), z. B.:

  • Verfahren über nachträgliche Entscheidungen über eine Verwarnung mit Strafvorbehalt (vgl. §§ 56 ff., § 58, § 59a, § 59b StGB, § 453 Abs. 1 StPO)
  • Verfahren über Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde gemäß §§ 459a, 459c, 459h StPO
  • Verfahren zur nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 460 StPO
  • Verfahren nach § 35 BtMG über die Zurückstellung der Strafvollstreckung
  • Verfahren/Anträge auf vorzeitige Aufhebung einer Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 7 StGB)
  • Verfahren nach § 67a StGB zur Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel (OLG Dresden JurBüro 17, 194)

4.

Entsteht im Gesamtstrafenverfahren nach § 460 StPO auch die Gebühr nach Nr. 4204 VV RVG für den Verteidiger, der den Angeklagten bereits im Erkenntnisverfahren vertreten hat?

Ja (OLG Bamberg JurBüro 20, 23; OLG Brandenburg AGS 18, 494; LG Cottbus RVGreport 18, 385; L Nürnberg-Fürth 13.12.19, 12 Qs 33/19; LG Osnabrück AGS 20, 509; a. A. LG Bonn RVGreport 17, 297; LG Bonn AGS 21, 457).

5.

Welche Gebühren können entstehen?

Entsprechend der allgemeinen Struktur der strafverfahrensrechtlichen Gebühren in Teil 4 VV RVG können grundsätzlich eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr entstehen (vgl. Nrn. 4200, 4202 bzw. Nrn. 4204, 4206 VV RVG).

6.

Erhält der Verteidiger auch eine Grundgebühr?

Nein. Es entsteht keine Grundgebühr nach Nr.  4100 VV RVG für den Rechtsanwalt in der Strafvollstreckung (vgl. dazu KG RVG prof. 08, 212; OLG Schleswig AGS 05, 120; LG Berlin AGS 07, 562; AG Görlitz 26.10.22, BwR 8 Ds 140 Js 18795/15 (2); a. A. – allerdings ohne Begründung – OLG Frankfurt AGS 15, 451).

7.

Gelten für die Abgeltungsbereiche der Verfahrens- oder Terminsgebühr Besonderheiten?

Nein. Es gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV, Rn. 35 ff. und Rn. 64 ff. m. w. N.; s. aber auch Ziffer 7 und 8 ff.). Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr also für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG) und die Terminsgebühr für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin / einer gerichtlichen Anhörung (Vorbem. 4 Abs. 3 VV RVG).

8.

Entsteht die Terminsgebühr ggf. mehrfach, wenn mehrere Anhörungen des Verurteilten stattfinden?

Nein. Wenn der Verteidiger im Strafvollstreckungsverfahren in derselben Instanz an mehreren gerichtlichen Terminen teilnimmt, entsteht die Terminsgebühr nach der gesetzlichen Regelung nur einmal (KG AGS 06, 549; OLG Düsseldorf AGS 18, 121; OLG Hamm AGS 07, 618 = AGS 08, 176; OLG Schleswig SchlHA 06, 300; LG Osnabrück Nds. Rpfl. 07, 166; LG Magdeburg StraFo 10, 172). Eine Regelung, wie bei den in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG geregelten Terminsgebühren, wonach die Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag entsteht, ist in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG nämlich nicht getroffen worden.

9.

Entsteht ggf. eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nrn. 4102, 4103 VV RVG?

Nein. Hat der Rechtsanwalt im Strafvollstreckungsverfahren, wie z. B. in einem Verfahren betreffend den Widerruf einer Bewährung, an einem Termin zur Verkündung eines nach § 453c StPO erlassenen (Sicherungs-)Haftbefehls teilgenommen, entsteht die Terminsgebühr nach Nr.  4202, 4202 VV RVG (AG Görlitz 26.10.22, BwR 8 Ds 140 Js 18795/15 [2]).

10.

Entsteht ggf. die Einziehungsgebühr nach Nr.  4142 VV RVG

Die Gebühr nach Nr.  4142 VV RVG entsteht nicht für erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens erbrachte Tätigkeiten. Die nach dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorgenommenen Bemühungen stellen Tätigkeiten im Rahmen der Strafvollstreckung dar und können damit nach Teil 4 Abschnitt 2 VV (Nr.  4204 VV RVG) zu vergüten sein (OLG Köln RVGreport 18, 423).

11.

Wie werden im Bereich der Strafvollstreckung Beschwerden abgerechnet?

Für die Abrechnung von Beschwerden gilt eine Besonderheit: Nach Vorbem. 4.2 VV RVG erhält der Rechtsanwalt in Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache die Gebühren des Abschnitts 2 besonders. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten sind also nicht, wie sonst das strafrechtliche Beschwerdeverfahren, aufgrund des Pauschalcharakters der Gebühren durch die Gebühren im Ausgangsverfahren mitabgegolten (OLG Frankfurt AGS 06, 76; OLG Schleswig SchlHA 06, 300; LG Berlin AGS 16, 172; LG Düsseldorf AGS 07, 352; LG Magdeburg StraFo 10, 172).

12.

Gegen welche Entscheidungen muss sich die Beschwerde richten?

Die Beschwerdegebühr entsteht nur, wenn sich die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache richtet. Wird nicht die Hauptsacheentscheidung des Gerichts, sondern eine „Nebenentscheidung“ angefochten, ist die Tätigkeit des Rechtsanwalts mit der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr abgegolten.

Keine Beschwerde gegen eine Hauptsacheentscheidung ist z. B. die gegen den im Strafvollstreckungsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Verteidiger erhält hierfür nicht die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG besonders, sondern über Vorbem. 4 Abs. 5 Nr.  1 VV RVG nach Teil 3 VV RVG.

13.

Welche Gebühren können in der Beschwerdeinstanz entstehen?

Für die Tätigkeit in der Beschwerdeinstanz gelten alle in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG aufgeführten Gebührentatbestände. Es können also eine Verfahrens- und Terminsgebühr entstehen (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 VV Rn. 51).

14.

Entsteht im Beschwerdeverfahren auch die Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG?

  • Die Frage war umstritten (einerseits verneinend: LG Düsseldorf AGS 07, 352; andererseits bejahend: OLG Braunschweig RVG prof. 09, 83; OLG Schleswig SchlHA 06, 300; LG Magdeburg StraFo10, 172).
  • Nach dem durch das 2. KostRMoG eingefügten § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG wird sie allgemein bejaht (wegen der Einzelheiten: Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 Rn. 57 ff.).
Weiterführender Hinweis

AUSGABE: RVGprof 4/2023, S. 61 · ID: 49043082

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