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Technische AusrüstungBruchstellen und Logikfehler der HOAI (Teil 2): Abhängigkeiten der Gebäudeautomation

Abo-Inhalt30.05.20235620 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. Hendrik Geyer, Sachverständiger für Gebäudeautomation und Dipl.-Ing. Dipl. Wirtsch.-Ing. Martin Vielhauer, Honorarsachverst. für TA

| Da sich die Realisierungszeit von Bauprojekten zunehmend verkürzt, sind auch Planungen immer schneller zu fertigen. Notwendige Abhängigkeiten zwischen den Gewerken bleiben dabei wegen des Termindrucks oft unberücksichtigt, sodass die Planungen nicht mehr optimal aufeinander abgestimmt sind. Dies trifft insbesondere auf das Gewerk Gebäudeautomation zu. In Teil 2 der Reihe „Bruchstellen und Logikfehler der HOAI“ befasst sich PBP mit der Anlagengruppe 8 und zeigt auf, wie Sie dafür sorgen, im Sog des „immer-schneller-werden-müssens“ nicht unterzugehen. |

Die Gebäudeautomation – das verbindende TA-Gewerk

Die Gebäudeautomation (GA) ist das Gewerk, das Informationen und Funktionalitäten von (fast) allen anderen Gewerken eines Bauwerks in sich aufnimmt, verarbeitet und widergibt. Daher hängt der Aufbau der GA wesentlich von den anderen Gewerken ab. Ohne aussagekräftige Unterlagen der Fremdgewerke kann sie nicht geplant werden. Das bedeutet, dass die GA immer einen Nachlauf zu den anderen Gewerken im Planungsprozess benötigt. Lässt man jedoch alle Gewerke auf einen einheitlichen Abgabetermin hinarbeiten, bleiben wichtige Abhängigkeiten zwangsläufig unberücksichtigt. Dies lässt den GA-Planer oft einen entscheidenden Fehler machen – das Planen auf Annahmen von Fremdgewerken. Dieses Vorgehen erzeugt erhebliche Risken sowohl für Planer als auch für Bauherrn. Doch weshalb?

GA als Dienstleister der Versorgungstechnik

Trotz der voranschreitenden Entwicklung hin zu verteilten und autarken Steuerungssystemen bleibt eine Kernkompetenz der Gebäudeautomation die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (MSR) für die versorgungstechnischen Gewerke Heizung, Lüftung und Kälte. Deren MSR wird üblicherweise über mehrere Anlagen hinweg zusammengefasst und in Informationsschwerpunkten (ISPs) der GA errichtet. Um diese ISPs zu konzipieren, müssen folgende Fragen beantwortet sein:

  • 1. Welche Anlagentechnik gibt es?
  • 2. Wo ist diese Anlagentechnik verortet?
  • 3. Wo gibt es geeigneten Platz für ISPs?

Erst, wenn diese Fragen durch Planungen der entsprechenden Gewerke ausreichend detailliert sind, kann die Konzeption der GA beginnen.

Zusätzlich sind natürlich auch Vorgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen. Da diese aber auf die Abhängigkeiten der Gewerke untereinander keinen nennenswerten Einfluss haben, werden sie im Folgenden nicht weiter betrachtet.

Zunächst werden ISPs festgelegt und den Anlagen und deren Aggregate zugeordnet. Auch ein funktionales Konzept der Versorgungstechnik muss bestehen, damit die Anforderungen in der MSR-Technik berücksichtigt werden können. Die einzelnen ISPs werden dann informationstechnisch miteinander sowie mit einer Managementebene vernetzt. So entsteht die Topologie der GA.

Zusätzlich zur MSR-Technik integriert die GA Informationen autarker Einzelsysteme und stellt diese in der Managementebene dar. Unabhängig davon, ob die Kopplung der Systeme kommunikativ oder konventionell passiert, uni- oder bidirektional ausgeführt wird, muss jedes dieser Systeme mit seinen Datenpunkten bekannt sein. Das bedeutet, dass auch die Planung dieser Integration erst von der GA erbracht werden kann, wenn die Planung der Fremdsysteme ausreichend fortgeschritten ist.

Wechselwirkungen zwischen den Gewerken

Aber auch die GA muss Informationen an andere Gewerke liefern. Im Wesentlichen betrifft das die Architektur und Elektrotechnik. Erst wenn alle nötigen Angaben der aufzuschaltenden Aggregate durch die betreffenden Fachplanungen zugearbeitet worden sind, ist die GA in der Lage, die ISPs zu berechnen. Hierzu müssen die elektrischen Leistungen der einzelnen Aggregate den ISPs zugeordnet und bezogen auf die Netzart bilanziert werden. Daraufhin kann die GA ihren Bedarf an Elektroenergiezuspeisungen beim Gewerk Elektrotechnik anmelden. Da die ISPs wesentliche Verbraucher in den Liegenschaften darstellen, entsteht hieraus eine weitere wichtige Bearbeitungsschleife. Denn erst jetzt ist es der ELT möglich Trafos, Verteilungen und Leitungen endgültig zu konzipieren. Und erst danach kann die ELT ihre Informationen an die GA geben, die dort aufzuschalten sind.

Nachdem die ISPs entsprechend ihrer Größe ausgelegt sind, muss deren Platzbedarf mit den vorgesehenen Aufstellflächen abgeglichen werden. Dies bedingt Koordinationen mit der Architektur und den Fachgewerken, die ggf. an diese Aufstellflächen angrenzen.

GA schuldet eine mangelfreie Planung

Wie jedes andere Fachgewerk, schuldet auch die Gebäudeautomation eine mangelfreie Planung. Die jeweilige Leistungsphase der HOAI ist vollständig abzuschließen. Die HOAI kennt kein „Verschieben“ von Leistungen in andere Phasen. Vor allem die Entwurfsplanung ist hierbei zu beachten (vgl. dazu PBP 11/2021, Seite 13 → Abruf-Nr. 47635816).

Auch für die Gebäudeautomation gelten in der Lph 3 die Forderung nach

  • änderungsfreier Weiterplanung,
  • Festlegung aller Systeme und Anlagenteile und der
  • Verortung der Anlagen und Bereitstellung in sich schlüssiger Daten.

Zudem werden die Leistungen der Anlagengruppe 8 noch erheblich ausdifferenziert. Mehr und mehr Verträge nehmen dabei Bezug auf die VDI 6026. Diese fordert für die Anlagengruppe 8 ein dezidiertes Leistungsbild, das sogar über die Anforderungen hinausgeht, wie sie in der AMEV GA oder der novellierten VDI 3814 dargestellt sind.

Wichtig | Interessant ist, dass die VDI 6026 in Anspruch nimmt, die Grundleistungen zu definieren.

Wortlaut der VDI 6026, Blatt 1, Seite 2

„Der Inhalt der zu erstellenden Unterlagen wurde im Rahmen dieser Richtlinie in gewerkebezogenen Dokumentationstabellen zusammengefasst und konkretisiert. Diese beschreiben neben den Grundleistungen der HOAI und den nach VOB/C zu erstellenden Unterlagen besondere Leistungen (kursiv gesetzte Passagen in den Dokumentationstabellen), um die oben genannten Anforderungen zu erfüllen.“

Damit sind alle nicht kursiv in der Leistungstabelle dargestellten Inhalte innerhalb der Grundleistungen der HOAI zu erbringen, wenn die VDI vertraglich vereinbart wird. Als Extrembeispiel sei hier genannt, dass bereits in der Lph 3 alle Datenpunkte mit Benutzeradressen benannt werden müssen, obwohl die VOB/C DIN 18386 für den Übergang in die Lph 8 nur die Übergabe eines Adressierungskonzepts an die ausführende Firma fordert.

Erschwernis durch novellierte VDI 3814

Über die Hintertür der VDI 6026 kommt an verschiedenen Stellen auch die VDI 3814 in den „Grundleistungskatalog“ der Anlagengruppe 8, aber auch der anderen Anlagengruppen, die ihre Informationen entsprechend VDI 3814, Blatt 2.2 und 4.1 beistellen müssen. Inwieweit hier bei allen Erwähnungen der VDI 3814 zwangsläufig die novellierte Version anzuwenden ist, bleibt an vielen Stellen offen.

Durch die novellierte VDI 3814 ab 2019 entstehen weitere Qualitätsanforderungen an die Gebäudeautomation (vgl. auch Ausgabe 08/2021, Seite 4 → Abruf-Nr. 47491947). Diese sind ebenfalls in der Richtlinie detailliert dargestellt und verschiedentlich sogar mit Muster-Formblättern hinterlegt, die einerseits zwar eine Hilfestellung geben, wie diese Unterlagen aussehen und welche Inhalte sie haben sollen. Andererseits schränken sie den Planer aber auch insoweit ein, dass eigene vorhandene und bewährte Arbeitsmittel vom Auftraggeber u. U. nicht mehr akzeptiert werden, da sie nicht mehr „vorschriftskonform“ sind.

Auf Grundlage dieser Vorgaben entsteht eine Vielzahl von Unterlagen, in denen Informationen teils redundant geführt werden. Alle Änderungen, die durch Fremdgewerke initiiert werden, bewirken i. d. F. auch Änderungen in allen GA-Unterlagen. Werden also die oben beschriebenen Abgängigkeiten nicht akkurat beachtet und Grundlagen nicht rechtzeitig in endgültiger Version zur Verfügung gestellt, dann erzeugt das einen überproportional hohen Aufwand im Gewerk GA, der bei Verträgen mit der novellierten Vorschriftenlage nochmals erhöht wird.

Probleme aus der Praxis und wie Sie diese lösen

In der Regel arbeiten alle Fachgewerke bis zum letzten Tag an ihren Schemen, Grundrissen und Berechnungen. Dies führt dazu, dass die GA fast nie die notwendigen Grundlagen erhält, um ihren Planungsprozess termingerecht abzuschließen. Die HOAI-Planungslogik kann in den meisten Terminplänen nicht dargestellt werden. Lässt sich die GA dazu hinreißen, auf fiktiven Annahmen zu planen, geht es ihr wie der TA bezüglich der Anlagengruppe 2 bei der Heizlast – ihre Leistung ist mangelhaft.

Praxistipp | Klären Sie die Planungsbeteiligten über den Sachverhalt auf. Planen Sie niemals auf fiktiven Annahmen. Besprechen Sie die terminlichen Abhängigkeiten bereits in der Angebotsphase mit Bauherr, Projektsteuerer und anderen Fachplanern. Vereinbaren Sie eine nachlaufende Terminschiene für die GA. Normalerweise genügen zwei bis drei Wochen, um die finalen Ergebnisse der Fachplanung in der GA umzusetzen. Je nach Projektgröße kann der Bedarf aber auch deutlich größer ausfallen. Durch dieses Vorgehen stellen Sie sicher, dass es nicht zu einer methodisch mangelhaften Leistung kommt.

Wichtig | Das schwierigste Thema beim Nachlauf der GA-Leistung ist jedoch nicht der zeitliche Verzug. Dieser kann im Planungsablauf meist gut kompensiert werden. Der kritische Punkt ist die Zuarbeit zu den Kosten – vor allem in der Lph 3. Da Gebäude trotz der vielfach geforderten „Einfachheit“ der Technik in der Regel immer komplexer werden, steigen auch die Kosten der GA. Sie nehmen teilweise 15 Prozent der TA-Baukosten ein und sind in der Kostenberechnung keinesfalls zu vernachlässigen. Was für alle anderen Gewerke gilt, gilt auch für die GA - ohne Planung keine Kosten.

Praxistipp | Die Kostenermittlung der GA basiert nach DIN 276 in der Lph 2 und 3 ausschließlich auf der Anzahl der Datenpunkte. Um diese zu ermitteln, muss eine grundlegende Planung vorhanden sein. Variabel ist jedoch der jeweilige Einheitspreis, mit dem die Datenpunkte multipliziert werden. Um einen spezifischen Datenpunktpreis zu bestimmen, müssen ausreichende Kenntnisse über die Qualitätsanforderungen, Komplexität der Anlagen sowie physische Ausdehnung der Anlagen vorliegen. Aus Erfahrungswerten ähnlich gelagerter Projekte kann ein spezifischer Preis festgelegt werden. Oft wird im Projektablauf verdrängt, dass die Kostenberechnung noch nicht die Detailschärfe eines bepreisten LV annehmen muss. Nach HOAI gilt § 2 Abs. 11, dass (mind.) bis zur zweiten Ebene gegliedert werden muss, wenn nichts anderes vereinbart ist. Aufgrund des Nachlaufs der GA-Planung wird hier eine gewisse, jedoch oft zu tolerierende Unschärfe erzeugt, die sich jedoch i. d. R. in der statistischen Unschärfe des Datenpunktpreises auflöst. Sollten jedoch nach der Kostenberechnung noch größere Mengen weiterer Datenpunkte hinzukommen, ist die Kostenberechnung anzupassen.

Fazit | Die Logik der HOAI mit ihren starren, sequenziellen Abläufen wird den Eigenheiten und Anforderungen der Gebäudeautomation nicht immer gerecht. Die gegenüber früheren Versionen stark erweiterten Leistungsbilder von VDI 6026 und 3814, die allesamt Grundleistungen widerspiegeln wollen, finden sich nicht in entsprechend erhöhten Honoraren wider. Beachten Sie daher, mögliche Aufschläge als Gesamtkostenfaktor anzuwenden. Klären Sie bereits während der Vertragsanbahnung, welche Vorstellungen Ihr Auftraggeber hinsichtlich zu beachtender Vorschriften hat und besprechen Sie mit ihm die daraus resultierenden Auswirkungen hinsichtlich Planungsaufwand und Terminschiene.

AUSGABE: PBP 6/2023, S. 16 · ID: 49438471

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