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EnergieversorgungWer ist Vertragspartner bei Energielieferungsverträgen in Untervermietungsfällen?

Abo-Inhalt11.07.202594 Min. Lesedauer

| Energieversorger und ihre Dienstleister stehen oft vor der Frage, wer für die Lieferung von Strom, Gas, Wasser oder Fernwärme zahlungspflichtig in Anspruch genommen werden kann. Sie kennen nämlich häufig ihren Vertragspartner nicht, da die Leistungen auch ohne ausdrücklichen mündlichen oder schriftlichen Vertrag erbracht werden. Der BGH hat nun in einem Hinweisbeschluss die Frage beantwortet, wer Vertragspartner wird, wenn einzelne Teile des Versorgungsobjekts durch separate Verträge an verschiedene Personen vermietet werden, der Energieverbrauch aber nur über einen einzigen Zähler ermittelt werden kann. |

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nimmt die beklagte Vermieterin auf Zahlung von Entgelt für die Belieferung mit Strom und Gas im Rahmen der Grundversorgung in Anspruch. Die Vermieterin hatte die einzelnen Zimmer einer Wohnung mit gesonderten Mietverträgen über unterschiedliche Laufzeiten an mehrere Personen vermietet, wobei sämtlichen Mietern das Recht zur Nutzung der Gemeinschaftsräume wie Küche und Bad eingeräumt wurde. Für die gesamte Wohnung – nicht hingegen für die einzelnen Zimmer – gab es nur einen Zähler für Strom und Gas. Die Klägerin hatte über diesen Zähler die Wohnung mit Strom und Gas beliefert. Ein schriftlicher Energieversorgungsvertrag bestand nicht. Die Parteien streiten darüber, ob durch die Entnahme von Strom und Gas konkludent ein Versorgungsvertrag mit der Vermieterin (Eigentümerin) oder mit den einzelnen Mietern der Zimmer besteht.

Die auf Zahlung der Versorgungsentgelte für einen Zeitraum von fünf Jahren gerichtete Klage hat das AG abgewiesen. Auf die Berufung des Energieversorgungsunternehmens hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom LG zugelassenen Revision begehrt die Vermieterin die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Basiswissen kompakt

Im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Strom, Gas, Wasser oder Fernwärme werden die angebotenen Leistungen oft ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen. Gleichwohl kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bereits durch die tatsächliche Inanspruchnahme, also der Entnahme von Strom, Gas, Wasser oder Fernwärme ein Vertrag zustande (BGH 27.11.19, VIII ZR 165/18; 2.7.14, VIII ZR 316/13; 22.7.14, VIII ZR 313/13; 26.1.05 VIII ZR 66/04).

Dabei ist in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in Form einer sog. Realofferte zu sehen. Empfänger der Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist dabei typischerweise der, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Das ist grundsätzlich der Eigentümer des Versorgungsobjekts, wobei es jedoch nicht auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ankommt. Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt kann deshalb auch eine andere Person sein, z. B. ein Mieter oder Pächter, dem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassene Miet- oder Pachtsache eingeräumt ist. Dabei ist es unerheblich, ob dem Energieversorgungsunternehmen die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist (BGH 27.11.19, VIII ZR 165/18; 22.7.14, VIII ZR 313/13).

Bei der Bestimmung des Angebotsadressaten kommt es somit maßgebend darauf an, wer den Strom verbraucht, da der Vertrag regelmäßig gerade mit der Person begründet werden soll, die aufgrund ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt in der Lage ist, die offerierte Energie auch zu entnehmen, mithin hierdurch das Angebot des Energieversorgers (konkludent) anzunehmen (BGH 2.7.14, VIII ZR 316/13; 22.7.14, VIII ZR 313/13).

Das gilt auch, wenn der Eigentümer das Versorgungsobjekt mehreren Mietern gemeinschaftlich überlässt. Dementsprechend richtet sich mangels anderer Anhaltspunkte das Vertragsangebot des Energieversorgers regelmäßig an sämtliche Mieter. Diese werden dann auch gemeinsam Vertragspartner.

Das typischerweise an alle Mieter gerichtete Angebot des EVU wird von dem, der die Energie entnimmt, konkludent angenommen, und zwar sowohl für sich selbst als auch im Wege der Stellvertretung für die übrigen Mieter. Die Vertretungsmacht beruht auf den Grundsätzen der Duldungsvollmacht. Selbst wenn ein Mieter nicht in die Wohnung einzieht und den übrigen Mitmietern alleine die Wohnung überlässt, duldet er willentlich, dass der Mitmieter die Realofferte für alle Mietvertragsparteien annimmt (BGH 22.7.14, VIII ZR 313/13). Das ist also der Fall, wenn mehrere Mieter gemeinsam einen Mietvertrag schließen. Dann werden auch alle Mieter gemeinsam Vertragspartner des Energieversorgers.

Anders ist der Fall zu bewerten, wenn mehrere Mieter nicht gemeinsam, sondern jeder für sich einzeln einen Mietvertrag über einen Teil des Versorgungsobjekts abschließt, die Energielieferungen jedoch über einen gemeinsamen Zähler laufen.

Entscheidungsgründe

Der BGH (15.4.25, VIII ZR 300/23, Abruf-Nr. 247923) geht von diesen Grundsätzen aus und entscheidet den für die Praxis so wichtigen Fall bei der Vermietung von Wohnraum an Wohngemeinschaften mit unabhängig voneinander agierenden Mitmietern (Wohngemeinschaft ohne Lebensgemeinschaft).

Leitsatz: BGH 15.4.25, VIII ZR 300/23

Bei Fehlen eines schriftlichen Energieversorgungsvertrags richtet sich das Leistungsangebot eines Strom- und Gasversorgungsunternehmens an den Vermieter und Eigentümer, wenn die einzelnen Zimmer der Wohnung durch separate Mietverträge vermietet sind, die Wohnung aber lediglich über einen Zähler für Strom und Gas verfügt (Abruf-Nr. 247923).

Nach dem BGH wird zwar grundsätzlich der Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss auch Vertragspartner des Energieversorgers. Dies soll aber in zwei Fallkonstellationen nicht gelten:

  • Zunächst seien die vorstehenden Grundsätze über einen konkludenten Vertragsschluss mit dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt abzulehnen, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil Versorgungsunternehmen und der Abnehmer zuvor eine Liefervereinbarung geschlossen haben (BGH 22.1.14, VIII ZR 391/12; 10.12.08, VIII ZR 293/07).
  • Ferner sollen die Grundsätze nicht gelten, wenn gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall und unübersehbar in eine andere Richtung weisen (BGH 27.11.19, VIII ZR 165/18; OLG Sachsen-Anhalt 6.12.05, 9 U 61/05; OLG Koblenz 2.2.06, 6 U 1179/05). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn aus Sicht des Energieversorgers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte das Angebot offensichtlich von einem anderen angenommen wird – so z. B., wenn es sich um eine zentrale Versorgung des Grundstücks handelt wie bei einer Stromversorgung des Außengeländes, der Aufzugsanlagen, des Eingangsbereichs oder sonstiger Gemeinschaftseinrichtungen. Dann ist ein schlüssiger Vertrag mit dem Grundstückseigentümer anzunehmen.

Beachten Sie | Nach Ansicht des BGH liegt ein solcher Fall auch vor, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein den konkreten Verbrauch der einzelnen Mietsache erfassender Zähler nicht vorhanden ist.

Das in der Bereitstellung von Strom und Gas liegende (konkludente) Angebot der Klägerin sei weder an die Mieter der einzelnen Zimmer noch an die Gesamtheit der Mieter gerichtet. Zwar hätten allein die Mieter Einfluss auf den Strom- und Gasverbrauch in der Wohnung. Jedoch lasse sich dieser Verbrauch – mangels separater Zähler – nicht den einzelnen vermieteten Zimmern zuordnen. Auch hätten die einzelnen Mieter bei objektiver Betrachtung typischerweise kein Interesse daran, auch für die Verbräuche der anderen Mieter einzustehen. Daher richte sich das konkludente Angebot des Energieversorgers an die Vermieterin. Das sei auch Folge des von ihr gewählten besonderen Vermietungskonzepts.

Merke | Die Rechtsprechung des BGH lässt sich auch auf ähnliche Fallkonstellationen übertragen, bei denen keine eindeutige Zuordnung der ermittelten Verbrauchswerte an mehrere nutzungsberechtigte Personen möglich ist. Das kann z. B. bei einer Kleingartenanlage der Fall sein, wenn nur ein Zähler für die angeschlossenen Anlieger vorgehalten wird oder auch bei der Teil-Untervermietung einer Wohnung (BGH 5.6.18, VIII ZR 253/17).

Relevanz für die Praxis

Für Energieversorger fragt es sich also: Wer ist mein Schuldner bei Leistungen der leitungsgebundenen Energieversorgung (Strom, Wasser, Gas, Fernwärme)?

Checkliste / Wer ist der richtige Schuldner?

Aus den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich in der Praxis folgende Prüfungsreihenfolge:

  • Prüfungsstufe 1: Ausdrückliches Vertragsverhältnis?
  • Hat das Versorgungsunternehmen für die Belieferung mit Energieleistungen einen ausdrücklichen Vertrag mit einer bestimmten Person geschlossen? In diesem Fall ist diese Person ausschließlich der Schuldner.
  • Prüfungsstufe 2: Konkludenter Vertrag mit Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten?
  • Wurde kein ausdrücklicher Vertrag geschlossen, kommt es darauf an, wer aus Sicht des Energieversorgungsunternehmens – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte – die Realofferte des Energieversorgers durch die Entnahme von Energie annimmt und dadurch erklärt, Vertragspartner werden zu wollen.
  • Empfänger des Vertragsangebots ist regelmäßig derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Das ist regelmäßig der Mieter, Pächter oder ein sonstiger Nutzungsberechtigter.
  • Prüfungsstufe 3: Konkludenter Vertrag mit dem Grundstückseigentümer?
  • Ausnahmsweise kann ein konkludenter Vertrag mit dem Grundstückseigentümer zustande kommen, wenn Aspekte erkennbar werden, die gegen eine Verpflichtung des Mieters sprechen – so z. B. bei zentraler Versorgung des Außengeländes, der Aufzugsanlagen, des Eingangsbereichs oder sonstiger Gemeinschaftseinrichtungen oder bei Bezug für mehrere Nutzer, für die aber nur eine einzelne Messeinrichtung vorgehalten wird.
Weiterführende Hinweise
  • Energieversorger: Mitteilung von Preisänderungen, FMP 23, 58
  • Energiepreisänderungen: Der BGH begründet die „Drei-Jahres-Lösung“, FMP 22, 214

AUSGABE: FMP 7/2025, S. 117 · ID: 50451544

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