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ZustellungsrechtRücksendung des Empfangsbekenntnisses beim VU

Abo-Inhalt11.07.2025109 Min. Lesedauer

| Die Zustellung eines elektronischen Dokuments an einen Anwalt wird nach § 173 Abs. 3 S. 1 ZPO durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis (EB) nachgewiesen, das an das Gericht zu übermitteln ist. Die Zustellung ist als bewirkt anzusehen, wenn der Anwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen. Oft wird damit allerdings „gespielt“, um noch etwas Zeit für die eigene Bearbeitung zu gewinnen oder aber auch, um für den Mandanten die zwangsweise Inanspruchnahme möglichst lange zu verzögern. Das wird allerdings nicht von allen Gegnern und Gerichten akzeptiert, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt – mit unangenehmen Folgen. |

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Der Beklagte hat am 6.5. Versäumnisurteil (VU) ergehen lassen. Angeblich soll ihm das Urteil erst am 17.5. zugestellt worden sein, während der Gegner die Zustellung für den 10.5. angegeben hatte. Am 28.5. hat sein Bevollmächtigter Einspruch eingelegt. Diesen hat das LG mit der Annahme als unzulässig zurückgewiesen, dass das VU schon vor dem 14.5. zugestellt worden sei. Der Anwalt habe in dem Empfangsbekenntnis ein falsches Datum angegeben. Das OLG ist dem LG gefolgt (27.1.25, 3 U 58/24, Abruf-Nr. 248588). Das vom Anwalt elektronisch abgegebene EB erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Zustellung (BGH 17.1.24, VII ZB 22/23). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des EB ist aber zulässig und möglich. Er setzt voraus, dass die Beweiswirkung des § 173 Abs. 3 S. 1 ZPO vollständig entkräftet und jede ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die in ihm enthaltenen Angaben richtig sein können.

Entkräftet werden kann die Beweiswirkung anhand verschiedener Indizien. Mit dem BGH (7.10.21, IX ZB 41/20) nimmt das OLG an, dass allein das Verstreichen einer ungewöhnlich langen Zeit zwischen gerichtlicher Verfügung und Datum auf dem EB noch kein hinreichendes Indiz darstellt. Im konkreten Fall kamen weitere Indizien hinzu, auf die ein Augenmerk zu richten ist. Dies gilt umso mehr, als aus Indizien auf das wahre Zustelldatum geschlossen werden kann.

Checkliste / Gerichtliche Prüfung des Zustellungsdatums im EB

  • 1. Liegen im Einzelfall konkrete und aussagekräftige Verdachtsmomente vor, dass das im anwaltlichen EB angegebene Zustelldatum nicht den Tatsachen entspricht, muss das Gericht den entsprechenden Sachverhalt aufklären.
  • 2. Zweifel am Wahrheitsgehalt des EB können daraus resultieren, dass der Anwalt im Prozess wiederholt seiner Obliegenheit zur Rücksendung des EB erst nach Erinnerung durch das Gericht nachgekommen ist und – ohne dass hierfür plausible Gründe ersichtlich sind – mehrfach ein deutlich späteres Zustelldatum angegeben hat als der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite. Achtung: Die Differenz in den Zustellungsdaten bei mehreren Empfängern können auf einer mehrtägigen Abwesenheit des Anwalts oder einer hohen Arbeitsbelastung beruhen. Dies ist im Einzelfall ggf. darzulegen und zumindest glaubhaft zu machen.
  • 3. Ein Misstrauen gegen das im EB angegebene Zustelldatum wird verstärkt, wenn der Rechtsanwalt an der Aufklärung des Sachverhalts nicht mitwirkt und/oder seine Angaben zur Sache derart inhaltsleer sind, dass der Vortrag zur Erläuterung des Zustelldatums von ihm jederzeit angepasst werden kann.
  • 4. Zur Aufklärung ist es im Allgemeinen sachgerecht und geboten, in einem ersten Schritt von dem Rechtsanwalt die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals für die in Rede stehende Zustellung zu erbitten. Die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals ist umso notwendiger, wenn die Stellungnahmen des Rechtsanwalts keine Klarheit schaffen, sondern weitere Zweifel an dem eingetragenen Zustelldatum begründen. Das Nachrichtenjournal weist aus, wann das Schriftstück des Gerichts im Anwaltsbüro eingegangen ist und wer es wann zum ersten Mal geöffnet hat (OLG München 26.4.24, 23 U 8369/21).
  • 5. Verweigert der Anwalt ohne hinreichende Gründe die Vorlage des Nachrichtenjournals, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass das in dem EB angegebene Zustelldatum unzutreffend ist und das Schriftstück früher als dort angegeben zugestellt worden ist.
  • 6. Welches andere Zustelldatum stattdessen angenommen werden kann, hängt von den konkreten Umständen des Falles ab. Maßgebend kann in diesem Zusammenhang das mutmaßliche Motiv des Rechtsanwalts für die Angabe eines unzutreffenden Zustelldatums sein.

Relevanz für die Praxis

Die anwaltliche Sicht ist immer eine doppelte. Wer rechtsverfolgend tätig ist und eine Verzögerungstaktik des Gegners vermutet, sollte mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf auf eine amtswegige Aufklärung dringen. Wer dagegen mit der Rückgabe von EB in Verzug geraten ist, muss dem Eindruck der Missbräuchlichkeit plausibel, frühzeitig und eigeninitiativ entgegentreten.

AUSGABE: FMP 7/2025, S. 127 · ID: 50451547

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