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BankverträgeKontoführungsentgelte: Wann verjähren potenzielle Rückforderungsansprüche?

Abo-Inhalt11.07.2025106 Min. Lesedauer

| AGB können grundsätzlich als vertragliche Regelung nur geändert werden, wenn der Vertragspartner, jedenfalls soweit er Verbraucher ist, seine ausdrückliche Zustimmung erklärt. Klauseln in AGB, die das widerspruchslose Schweigen als Zustimmung werten („Zustimmungsfiktionsklausel“) sind unwirksam. Das hat der BGH (FMP 21, 126) im Jahr 2021 entschieden. Es handele sich um eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, da die Vereinbarung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sei. Das Schweigen des Vertragspartners werde als Annahme eines Veränderungsantrags qualifiziert, obwohl die §§ 145 ff. BGB regelmäßig eine ausdrückliche Annahmeerklärung voraussetzen. Daher seien solche Klauseln nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Kontoführungsentgelte, die durch solche Klauseln in der Vergangenheit erhöht wurden, sind unwirksam und können nach § 812 BGB zur Erstattung herausverlangt werden. Umstritten war bislang, ob die Kunden durch vorbehaltlose Zahlung der erhöhten Entgelte, konkludent zugestimmt haben und wann die bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsansprüche verjähren. Der BGH hat nun zu diesen Fragen im Rahmen einer Musterfeststellungsklage Stellung bezogen. |

Sachverhalt

In den AGB der beklagten Sparkasse hieß es unter Nr. 17 Abs. 6 u. a. wie folgt: „Änderungen von Entgelten für Hauptleistungen, die vom Kunden im Rahmen der Geschäftsbeziehung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (z. B. Depotführung), oder Änderungen von Entgelten im Rahmen von Zahlungsdiensterahmenverträgen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat (sog. Zustimmungsfiktionsklausel)“.

Nach Verkündung des o. g. BGH-Urteils strich die Musterbeklagte die Zustimmungsfiktionsklausel aus ihren AGB. Sie lehnt die Erstattung von Entgelten, die sie unter Verwendung der unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinnahmt hat, jedoch mit der Begründung ab, die Verbraucher hätten die Entgelte über mindestens drei Jahre unbeanstandet gezahlt. Der Musterkläger begehrt im Rahmen seiner Musterfeststellungsklage u. a. die Feststellung, dass sich die Musterbeklagte gegenüber Verbrauchern nicht auf eine konkludente Annahme bzw. Zustimmung zu den von der Musterbeklagten angebotenen Entgelten berufen kann, weil die Verbraucher ihre Konten im vertragsgemäßen Umfang weitergenutzt haben. Ferner möchte er festgestellt wissen, dass eine Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können.

Entscheidungsgründe

Der BGH betont erneut, dass Entgelterhöhungen, die durch Zustimmungsfiktionsklauseln erhoben wurden, unwirksam sind. Damit fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung solcher Entgelte, die einen Erstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB begründen.

Leitsätze: BGH 3.6.25, XI ZR 45/24

  • 1. Verbraucher können sich auch dann noch auf die Unwirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel berufen, wenn sie die rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelte länger als drei Jahre widerspruchslos gezahlt haben.
  • 2. Ob durch vorbehaltlose Zahlung erhöhter Entgelte eine konkludente Zustimmung des Kunden angenommen werden kann, kann nicht im Rahmen eines Musterverfahrens festgestellt werden. Entscheidend ist die Auslegung des Kundenverhaltens im Einzelfall.
  • 3. Die Kenntnis der Verbraucher von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel ist für den Beginn der Verjährungsfrist nicht erforderlich.
  • (Abruf-Nr. 248587)

Der BGH verweist auf sein Urteil vom 19.11.24 (FMP 25, 16), wonach die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung von Energielieferverträgen geltende sog. Dreijahreslösung im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtsgrundlos erhobener Kontoführungsentgelte keine Anwendung finden kann. Ob darüber hinaus ein schlüssiges Verhalten des Verbrauchers als Zustimmung zu den geänderten Geschäftsbedingungen gewertet werden kann, lässt der BGH allerdings offen. Hier komme es darauf an, wie das Verhalten des Verbrauchers objektiv aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu verstehen sei. Diese Beurteilung richte sich nach den Umständen des Einzelfalls und könne daher nicht im Rahmen eines Musterverfahrens getroffen werden.

War diese Sichtweise zu erwarten, wurde mit Spannung der Beantwortung der Frage nach der Verjährung der Rückforderungsansprüchen entgegengesehen. Der Anspruch aus § 812 BGB verjährt nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für den Beginn der Verjährungsfrist müssen alle drei genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Erst dann beginnt die Verjährungsfrist mit Schluss des Kalenderjahres zu laufen.

Die Rückerstattungsansprüche der Verbraucher sind nach Ansicht des BGH nicht bereits mit der Abbuchung der Entgelte von den Girokonten, sondern erst mit der Genehmigung der Saldoabschlüsse der Girokonten durch die Verbraucher entstanden. Diese Genehmigung liege mit Ablauf der sechswöchigen Frist vor, innerhalb derer Verbraucher gemäß Nr. 7 Abs. 3 S. 1 AGB-Sparkassen Einwendungen gegen den jeweiligen zum Monatsende erstellten Saldoabschluss vorbringen können. Kenntnis von ihren Rückzahlungsansprüchen hätten die Verbraucher durch die Information der Musterbeklagten über die beabsichtigten Änderungen der Entgelte und durch deren Ausweis in den Saldoabschlüssen der Girokonten erlangt.

Die Kenntnis der Verbraucher von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel sei für den Beginn des Verjährungsverlaufs – anders als von den Verbraucherschützern geltend gemacht – aber nicht erforderlich. Der Verjährungsbeginn sei insbesondere nicht durch eine etwa bestehende Rechtsunkenntnis der Verbraucher hinausgeschoben worden, da hinsichtlich der Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln keine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage vorlag. Verbrauchern sei eine Klageerhebung bereits vor dem Urteil vom 27.4.21 zumutbar gewesen. Die Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln beruhe auf deren Abweichung von dem allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsatz, wonach das Schweigen des Verwendungsgegners zu einem ihm unterbreiteten Vertragsänderungsantrag nicht als Annahme zu qualifizieren sei. Dieser Grundsatz sei nicht neu.

Relevanz für die Praxis

Im Ergebnis können Verbraucher ihre Rückforderungsansprüche aufgrund unwirksam erhöhter Entgelte nur verjährungsfrei geltend machen, wenn sie nach Genehmigung der Saldoabschlüsse ihre Ansprüche innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist begründen. Darunter fallen aktuell also nur noch Ansprüche aus den Kalenderjahren 2022 und folgende.

Unwirksam sind die reinen Zustimmungsfiktionsklauseln. Ob dies auch für Klauseln gilt, die dem Verwender nach bestimmten Kriterien ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB) geben, ist dagegen weiter offen.

AUSGABE: FMP 7/2025, S. 125 · ID: 50451546

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