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PersonenstandsänderungenEine EU – ein Geschlecht: Staaten müssen Geschlechts- und Namensänderungen anerkennen

Abo-Inhalt03.02.2025996 Min. LesedauerVon RA Dr. Marko Oldenburger, FA Familienrecht, FA Medizinrecht (Hamburg)

| Der EuGH hat sich damit befasst, ob ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Änderung der Geschlechtsidentität und des Vornamens eines Staatsangehörigen, die in einem anderen (vormaligen) Mitgliedstaat rechtmäßig vorgenommen wurde, in seinen Personenstandsregistern anzuerkennen. |

Sachverhalt

Der Kläger K, ein rumänischer Staatsbürger mit britischer Staatsangehörigkeit, änderte in Großbritannien rechtmäßig seinen Vornamen und seine Geschlechtsidentität. Obwohl eine britische Bescheinigung seine männliche Identität bestätigt, weist seine rumänische Geburtsurkunde ihn als weiblich aus. Die rumänischen Behörden weigerten sich, die Geburtsurkunde anzupassen und forderten ein neues Verfahren nach rumänischem Recht. K beantragte, dass die Behörden seine Geburtsurkunde anpassen, um sein Freizügigkeitsrecht auszuüben und ein passendes Reisedokument zu erhalten. Die Behörden lehnten ab. Das vorlegende Gericht fragte den EuGH, ob die Weigerung mit EU-Grundrechten und Freizügigkeiten vereinbar sei und ob der Brexit die rechtliche Bewertung beeinflusse, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines neuen nationalen Verfahrens nach bereits erfolgter Anpassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat (EuGH vom 4.10.24, C-4/23, Abruf-Nr. 244514).

Entscheidungsgründe

Die rumänischen Regelungen, die eine erneute gerichtliche Überprüfung der Geschlechtsidentität und des Vornamens verlangen, sind mit dem Unionsrecht unvereinbar. Der Unionsbürgerstatus (Art. 20 und 21 AEUV) verleiht EU-Bürgern das Recht, sich frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Dazu gehört auch, die Identität eines Unionsbürgers anzuerkennen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworben wurde. Wird die Geschlechtsidentität und der Vorname in Personenstandsdokumenten nicht anerkannt, behindert dies die Freizügigkeit erheblich. Das in Art. 45 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU (kurz Charta) verankerte Recht entspricht dem in Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 1 a AEUV garantierten Recht. Es wird gem. Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV und Art. 52 Abs. 2 der Charta unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind.

Art. 7, 20 und 21 der Charta schützen das Privatleben und enthalten das Diskriminierungsverbot. Die Geschlechtsidentität gehört zu den zentralen Aspekten der Persönlichkeit und ist daher besonders schützenswert. Rumäniens Weigerung, die rechtmäßige Änderung der Geschlechtsidentität anzuerkennen, ist unverhältnismäßig, da sie die persönliche Integrität und die Freiheit des Klägers beeinträchtigt. Nach der Rechtsprechung des EGMR schützt Art. 8 EMRK die Geschlechtsidentität einer Person als konstitutives Element und eine der intimsten Angelegenheiten ihres Privatlebens.

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU beeinflusst die Verpflichtung Rumäniens nicht, die vor dem Ende des Übergangszeitraums (31.12.20) erworbenen Rechte anzuerkennen. Da die Änderungen im Vereinigten Königreich während des Übergangszeitraums rechtmäßig vorgenommen wurden, bleiben sie unter den Schutz des Unionsrechts gestellt.

Obwohl das Personenstandsrecht in die nationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, unterliegen diese den Vorgaben des Unionsrechts, wenn sie ihre Befugnisse ausüben. Nationale Regelungen dürfen die unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte nicht unverhältnismäßig einschränken. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten jedoch das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die jedem Unionsbürger zuerkannte Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, beachten und hierzu den in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Recht festgestellten Personenstand anerkennen (i. d. S. EuGH 26.6.18, MB [Geschlechtsumwandlung und Altersrente], C-451/16, ECLI:EU:C:2018:492, Rn. 29; 14.12.21, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 52).

Das Argument, eine gerichtliche Überprüfung sei erforderlich, um festzustellen, ob die ausländischen Personenstandsänderungen mit eigenen heimatrechtlichen Vorschriften übereinstimmen, greift nicht. Die britischen Änderungen waren rechtmäßig und nach einem geordneten Verfahren erfolgt. Ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der in seiner Eigenschaft als Unionsbürger von seinem Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, kann sich auf die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte, insbesondere die in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehenen, berufen, und zwar auch gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat (vgl. EuGH 14.12.21, Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 42).

Die rumänischen Regelungen zur erneuten gerichtlichen Überprüfung sind i. w. S. nicht verhältnismäßig und insbesondere nicht erforderlich, um ein legitimes Ziel zu erreichen. Die Verweigerung der Anerkennung führt vielmehr zu einer Diskriminierung und verletzt die Rechte des K, dass seine Identität gewahrt wird (vgl. EGMR 19.1.21, X und Y / Rumänien, wonach das rumänische System zur Anerkennung von Geschlechtsidentität unklar und unzugänglich ist). Daher verstößt die rumänische Regelung gegen Art. 21 AEUV.

Relevanz für die Praxis

Der EuGH entschied, dass Mitgliedstaaten die in einem anderen Staat rechtmäßig erworbene Identität eines Unionsbürgers ohne zusätzliches Prüfungsverfahren anerkennen müssen. Regelungen, die dies verhindern oder unverhältnismäßig erschweren, verstoßen gegen Unionsrecht. Dadurch wird verhindert, dass Personen mit unterschiedlichen Identitätsmerkmalen in verschiedenen Mitgliedstaaten registriert sind, was praktische und rechtliche Schwierigkeiten verursachen könnte. Der EuGH stärkt die unionsrechtliche Freizügigkeit und den Schutz der geschlechtlichen Identität. Die Entscheidung ist ein Meilenstein im Schutz der Rechte von Transgender-Personen und ein Hinweis darauf, dass die Achtung der persönlichen Identität und der Menschenwürde integrale Bestandteile der europäischen Rechtsordnung sind.

AUSGABE: FK 3/2025, S. 47 · ID: 50242053

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