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AdoptionPrivater Samenspender ist am Adoptionsverfahren zu beteiligen

Abo-Inhalt27.01.2025659 Min. LesedauerVon RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

| Der BGH hat entschieden, dass eine Adoption zu versagen ist, wenn der private Samenspender nicht an dem Verfahren beteiligt wird. |

Sachverhalt

Die Beteiligten zu 1 (Annehmende E) und zu 2 (Kindesmutter M) sind verheiratet. M hat das mittels privater Samenspende gezeugte Kind K am 24.7.20 geboren. M willigte in die Annahme von K durch die E ein und beantragte diese. Eine Zustimmungserklärung des Samenspenders S, mit dem E und M nach eigenen Angaben in Kontakt stehen, hat sie nicht vorgelegt. Sie hat vorgetragen, S wolle nicht aktiv am Leben des K teilhaben und habe anlässlich des Verfahrens mitgeteilt, nicht benannt werden zu wollen. E und M haben sich geweigert, dessen Kontaktdaten mitzuteilen. Das AG hat den Antrag der E auf Annahme des K zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des K hat das OLG verworfen. Die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde der M sind erfolglos.

Leitsätze: BGH 31.7.24, XII ZB 147/24

  • a) Das grundrechtlich geschützte Interesse des möglichen leiblichen Vaters, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einnehmen zu können, ist verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, dass dieser vom Familiengericht entsprechend § 7 Abs. 4 FamFG vom Adoptionsverfahren benachrichtigt werden muss, um ihm eine Beteiligung am Verfahren zu ermöglichen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18.2.15, XII ZB 473/13, FamRZ 15, 828).
  • b) Von einer solchen Benachrichtigung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn aufgrund der umfassend aufgeklärten Umstände unzweifelhaft ist, dass eine Beteiligung des möglichen leiblichen Vaters nicht in Betracht kommt. Das ist der Fall, wenn dieser auf sein grundrechtlich geschütztes Interesse, die rechtliche Vaterstellung zu erlangen, verzichtet hat. Darüber hinaus ist eine Benachrichtigung vom Adoptionsverfahren regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 1747 Abs. 4 BGB entbehrlich (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18.2.15, XII ZB 473/13, FamRZ 15, 828).
  • c) Bloße Erklärungen der Annehmenden und der Kindesmutter, der diesen bekannte private Samenspender sei mit der Adoption einverstanden und lege keinen Wert auf eine Beteiligung am Adoptionsverfahren, sowie von diesen vorgelegte, nicht auf ihre Authentizität überprüfbare Textnachrichten entsprechenden Inhalts entbinden das Tatgericht nicht ohne Weiteres von der Benachrichtigung des Samenspenders von dem Adoptionsverfahren (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 18.2.15, XII ZB 473/13, FamRZ 15, 828).
  • (Abruf-Nr. 244208)

Entscheidungsgründe

Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen, wenn die weiteren Voraussetzungen der §§ 1741 ff. BGB vorliegen, § 1741 Abs. 2 S. 3 BGB.

Für die Stiefkindadoption ist neben der Zustimmung des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters (§ 1746 BGB) auch die Einwilligung des anderen Ehegatten und Elternteils nötig, § 1747 Abs. 1 S. 1 BGB. Eltern sind die Mutter, die es geboren hat, und der Vater, §§ 1591, 1592 BGB. Sofern kein anderer Mann nach § 1592 BGB als Vater anzusehen ist, gilt gem. § 1747 Abs. 1 S. 2 BGB als Vater, wer die Voraussetzung des § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB glaubhaft macht. Im Vaterschaftsfeststellungsverfahren (§ 1592 Nr. 3 BGB) wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat, § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB. Eine private Samenspende ist dabei einer Beiwohnung gleichgestellt, um dem leiblichen Vater die Möglichkeit zu geben, seine Rechte im Adoptionsverfahren wahrzunehmen (BGHZ 230, 174; BGH FamRZ 15, 828 Rn. 13 ff.). Der leibliche Vater muss vor der Adoption durch Dritte seine Vaterschaft – auch gegen den Willen der Mutter – geltend machen können (BGH, a. a. O., Rn. 14).

Der Mann und die Frau, die das Kind durch Geschlechtsverkehr mit ihren Keimzellen gezeugt haben, wenn diese Frau es anschließend geboren hat, sind Eltern i. S. d. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Dessen Schutzbereich erfasst den i. d. S. leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater, ohne weitere Voraussetzungen (9.4.24, 1 BvR 2017/21, FamRZ 24, 846 Rn. 38 f., 42). Die Norm garantiert ihm, rechtlicher Vater werden zu können sowie ein effektives Verfahren dafür (BVerfG, a. a. O., Rn. 47). Ob diese Rechtsprechung des BVerfG auch bei einer privaten Samenspende gilt, bedarf keiner Entscheidung. Denn sie führt nicht dazu, dass die Rechte des Samenspenders als des leiblichen Vaters eingeschränkt werden.

Die Einwilligung des vermuteten leiblichen Vaters zur Adoption ist nur erforderlich, wenn er seine mögliche Vaterschaft glaubhaft macht, § 1747 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Familiengericht muss ihn nur beteiligen, wenn er aktiv auf seine Vaterschaft verweist, § 188 Abs. 1 Nr. 1b FamFG (BGH, a. a. O., Rn. 16). Sieht er davon ab, ist seine Zustimmung nicht nötig, da er auf seine Vaterschaftsrechte verzichtet (BVerfG FamRZ 03, 816, 818; 24, 846 Rn. 47). Er muss jedoch über Geburt und Verfahren informiert werden, § 7 Abs. 4 FamFG. Das Gericht ist verpflichtet, seine Identität und Anschrift zu ermitteln, § 26 FamFG. Die Annahme seines Einverständnisses allein aufgrund der Angaben der Beteiligten reicht nicht aus (BGH, a. a. O., Rn. 17, 21 f.; 15.5.24, XII ZB 358/22, juris Rn. 19).

Merke | Greift keine Ausnahme von der Benachrichtigungspflicht ein und kann das Gericht den möglichen leiblichen Vater nicht benachrichtigen, ist der Adoptionsantrag zurückzuweisen (BGH, a. a. O., Rn. 23 f.; 15.5.24, XII ZB 358/22, juris Rn. 19).

Das Interesse des K an einem zweiten rechtlichen Elternteil überwiegt nicht das Recht des S daran, die rechtliche Vaterstellung zu erlangen oder am Adoptionsverfahren beteiligt zu werden. Beide Rechte schließen sich nicht aus. Vielmehr sichert die Benachrichtigung des S von dem Verfahren dem K die rechtliche Anerkennung des zweiten Elternteils. Ein Recht des K auf eine erwünschte Person als rechtlicher Elternteil ist nicht anzuerkennen. Eine Benachteiligung des K, der Mutter oder ihrer Ehefrau, die gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 und 3 GG) verstößt, hängt nicht mit der Pflicht zusammen, den S entsprechend zu informieren (BGH, a. a. O., Rn. 20).

Die Adoption des K durch die E kann nicht ausgesprochen werden, ohne dass der S von dem Verfahren gem. § 7 Abs. 4 FamFG benachrichtigt wird. S kann Elternteil i. S. v. § 1747 Abs. 1 S. 2 BGB sein. Das Beschwerdegericht konnte nicht feststellen, dass er darauf verzichtet hat, in die Elternstellung einrücken zu können und auch am Verfahren beteiligt zu werden. Die Erklärung von E und M, S wisse von dem Adoptionsverfahren und wünsche ausweislich der vorgelegten Textnachrichten keine Beteiligung hieran, ist keine Grundlage für eine Adoptionsentscheidung. Mangels Benachrichtigung des S von dem Verfahren kann ein Interessenkonflikt zwischen ihm und E sowie M nicht ausgeschlossen werden. Es gibt keine sichere Grundlage dafür, dass der S Kenntnis von K und dem Adoptionsverfahren hat. Es ist möglich, dass E und M dessen Daten nicht preisgeben, weil sie bei seiner Beteiligung eine Adoption gefährdet sehen (BeckOGK/Löhnig [Stand: 1.1.22] BGB, § 1747 Rn. 30.1).

Die Rechte des S dürfen aufgrund einer Adoption auf einer ungesicherten Grundlage nicht ausgehöhlt werden (Heiderhoff, FamRZ 17, 1238; andererseits aber OLG Nürnberg FamRZ 20, 613 ff.; OLG Bamberg FamRZ 17, 1236 ff.). Die Textnachrichten reichen nicht aus. Denn deren Authentizität ist nicht gewährleistet, weil die Urheberschaft der Nachrichten mangels Preisgabe der Identität von S und dem Verfasser der Textnachrichten nicht feststellbar ist.

Die Voraussetzungen des § 1747 Abs. 4 S. 1 BGB liegen ebenfalls nicht vor. Der Aufenthalt des leiblichen Vaters ist nicht dauernd unbekannt, nur weil E und M die Person und den Aufenthalt des S dem Gericht nicht mitteilen.

Die Einwilligung des S ist nicht analog § 1747 Abs. 4 S. 1 BGB entbehrlich, da das Interesse von E und M, seine Identität geheim zu halten, sein Recht auf Beteiligung nicht überwiegt (OLG Dresden FamRZ 21, 1213 f.). E und M befürchten, dass S später den Kontakt zu K ablehnen könnte, falls seine Identität preisgegeben wird. Das Interesse von K, seinen leiblichen Vater kennenzulernen, rechtfertigt es jedoch nicht, S nicht vom Adoptionsverfahren zu benachrichtigen, da die Aussagen von E und M und die vorgelegten Nachrichten nicht eindeutig belegen, dass S kein Interesse daran hat, eine Vaterrolle einzunehmen.

Eine Benachrichtigung des S kann auch nicht entfallen, weil das Interesse des K an einem zweiten rechtlichen Elternteil höher wiegt als das Recht des S, informiert zu werden und am Verfahren teilzunehmen. Die Benachrichtigung gewährleistet dem Kind die rechtliche Anerkennung eines zweiten Elternteils, ohne die Rechte der beteiligten Personen zu beeinträchtigen.

Da E und M die Daten des S nicht preisgegeben haben, bestehen keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten, um ihn von dem Verfahren in Kenntnis zu setzen. Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht die Adoption versagt.

Relevanz für die Praxis

Das Gericht muss den möglichen leiblichen Vater eines Kindes vom Adoptionsverfahren benachrichtigen, damit er sich daran beteiligen kann. Ausnahme: Der Vater hat eindeutig auf sein Recht verzichtet oder die Voraussetzungen von § 1747 Abs. 4 BGB sind erfüllt. Erklärungen der Mutter oder des Annehmenden über das Einverständnis eines bekannten Samenspenders entbinden das Gericht nicht automatisch von dieser Benachrichtigungspflicht.

AUSGABE: FK 3/2025, S. 42 · ID: 50197853

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