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Gesetzliche RentenversicherungKann ein geringwertiger Grundrentenzuschlag vom VA ausgeschlossen werden?

Abo-Inhalt02.01.2025508 Min. LesedauerVon VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

| Der Ausgleich von Grundrenten-Entgeltpunkten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ist für den betroffenen Versicherungsträger mit einem nicht unerheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verbunden, der es rechtfertigen kann, vom Ausgleich eines geringwertigen Anrechts abzusehen. Im Rahmen der nach § 18 Abs. 2 VersAusglG zu treffenden Ermessensentscheidung sind jedoch die konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute sowie das Votum des betroffenen Versicherungsträgers zu berücksichtigen. Dies hat der BGH entschieden. |

Sachverhalt

Während der Ehezeit haben beide Ehegatten ausschließlich Anrechte der GRV erworben. Die Entgeltpunkte (EP) des M haben einen höheren Ausgleichswert als die der F. Daneben hat die F einen besonderen Zuschlag an EP für langjährige Versicherung nach § 76g SGB VI (sog. Grundrenten-EP) mit einem Ausgleichswert erworben, der unter der Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG liegt. Das AG hat die interne Teilung sämtlicher Rentenanrechte der Ehegatten angeordnet. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hat das OLG den Ausgleich des von F erworbenen Anrechts auf Grundrenten-EP ausgeschlossen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des M blieb erfolglos (BGH 5.6.24, XII ZB 277/23, Abruf-Nr. 243062).

Entscheidungsgründe

Anrechte auf Grundrenten-EP erfüllen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 VersAusglG und sind daher im VA zu berücksichtigen. Sie sind schon in der Anwartschaftsphase regelmäßig ausgleichsreif i. S. v. § 19 Abs. 1 und 2 VersAusglG und somit bereits in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen. Zwar kann der Grundrentenzuschlag später noch entfallen, da in der Leistungsphase eine Einkommensanrechnung vorgenommen wird, § 97a SGB VI. Diese wirkt aber von vornherein nicht auf die besondere Bezugsgröße des Anrechts, die Grundrenten-EP, und stellt daher weder die hinreichende Verfestigung des Stammrechts infrage noch führt sie dazu, dass der Ausgleich unwirtschaftlich ist (BGH FK 23, 193).

Die Ermessensentscheidung des OLG, unter den hier gegebenen Umständen vom Ausgleich der Grundrenten-EP wegen Geringfügigkeit abzusehen, ist nicht zu beanstanden. Einschlägig ist § 18 Abs. 2 VersAusglG. Denn der M hat während der Ehezeit kein gleichartiges Anrecht erworben. Grundrenten-EP sind nicht von gleicher Art wie die sonstigen EP (BGH FK 23, 193). Der Ausgleichswert der von der F erlangten Grundrenten-EP liegt deutlich unter der hier nach § 18 Abs. 3 VersAusglG maßgeblichen Bagatellgrenze. § 18 Abs. 2 VersAusglG eröffnet dem Gericht einen Ermessensspielraum. Die Ausübung des Ermessens ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Hat er davon keinen Gebrauch gemacht, kann der BGH selbst Ermessenserwägungen anstellen.

Die Bagatellklausel hat vor allem das Ziel, einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand, der für den Versorgungsträger damit verbunden wäre, den Ausgleich durchzuführen, zu vermeiden. Die Belange der Verwaltungseffizienz aufseiten der Versorgungsträger sind gegen das Interesse des Ausgleichsberechtigten, auch geringfügige zusätzliche Anrechte zu erwerben, abzuwägen. Maßstab des VA-Rechts bleibt aber der Halbteilungsgrundsatz. Dieser darf nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden, um Verwaltungsaufwand zu sparen. Nach den Vorgaben des Gesetzgebers sind auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten einschließlich ihrer Versorgungssituation zu beachten. Im Rahmen der Abwägung kann es insbesondere für einen Ausgleich sprechen, dass der Ausgleichsberechtigte dringend auch auf Bagatellbeträge angewiesen ist (BGH FK 17, 176). Bei der Ermessensentscheidung sind zudem das Votum der Eheleute und des Versorgungsträgers bedeutsam. Bringen die Ehegatten übereinstimmend und eindeutig zum Ausdruck, dass sie kein Interesse daran haben, dass Bagatellversorgungen ausgeglichen werden, kann es deshalb gerechtfertigt sein, vom Ausgleich abzusehen. Umgekehrt kann es für einen Ausgleich sprechen, wenn sich ein beteiligter Versorgungsträger ausdrücklich mit der internen Teilung des bei ihm bestehenden Anrechts einverstanden erklärt.

Diese Grundsätze hat das OLG bei seiner Ermessensentscheidung beachtet. Hier hat der beteiligte Versorgungsträger keine Bereitschaft gezeigt, die Grundrenten-EP intern zu teilen. Vielmehr hat er sich unter Hinweis auf seinen Verwaltungsaufwand ausdrücklich dagegen gewandt, das Anrecht auszugleichen. Die Teilung der von der F erworbenen Grundrenten-EP würde für den Träger der GRV tatsächlich einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen. Denn er hätte in der Rentenbezugsphase jährlich zu prüfen, ob auf den Rentenanteil aus dem Grundrentenzuschlag das eigene Einkommen der F und eines etwaigen (neuen) Ehegatten anzurechnen ist. Obwohl die Einkommensfeststellung infolge eines Datenaustausches mit der Finanzbehörde weitgehend automatisiert abläuft, verursacht sie einen nennenswerten Mehraufwand, der in die Ermessensentscheidung einzubeziehen ist.

Das OLG hat mit Recht weiter berücksichtigt, dass das Rentenniveau der beteiligten Eheleute durch die Teilung der sonstigen Anrechte praktisch aneinander angeglichen wurde, nachdem die gesetzliche Ehezeit fast das gesamte Erwerbsleben der Ehegatten umfasst hatte. Unter solchen Umständen wird die Einkommenssituation der Ehegatten regelmäßig nicht erfordern, dass auch noch Bagatellanrechte ausgeglichen werden. Sonstige Gesichtspunkte, die im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten gewichtig für einen Ausgleich sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Das Anrecht der F aus den Grundrenten-EP war zwar nicht wirtschaftlich bedeutungslos, sein korrespondierender Kapitalwert blieb aber mit rund 2.360 EUR deutlich hinter der hier maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von 3.948 EUR zurück.

Relevanz für die Praxis

Der BGH hält an seiner Auffassung fest, dass der Grundrentenzuschlag im Wertausgleich bei der Scheidung zu berücksichtigen ist. Er hatte dies u. a. mit dem Wortlaut des früheren § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI begründet. Dieser regelte in der Fassung des Grundrentengesetzes vom 12.8.20 (BGBl I, 1879), dass die in der GRV als Zuschläge für langjährige Versicherung gewährten EP und die übrigen EP nicht von gleicher Art sind. Daraus folgte auch, dass diese unterschiedlichen EP im Rahmen der Bagatellprüfung nicht nach § 18 Abs. 1 VersAusglG gegenüberzustellen, sondern je für sich nach Abs. 2 dieser Vorschrift zu betrachten waren (BGH FK 23, 193). Mit Wirkung vom 1.7.24 – also erst nach der BGH-Entscheidung – ist § 120f Abs. 2 SGB VI aber neu gefasst worden (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz vom 17.7.17, BGBl I, 2575). Danach gelten in der GRV (nur noch) die in der allgemeinen und in der knappschaftlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte als nicht gleichartig. Dies ändert aber m. E. nichts daran, dass die Grundrenten-EP weiterhin in den VA fallen und dort gesondert auszugleichen sind. Es ist hier von einem gesetzgeberischen Versehen auszugehen. Aus der Gesetzesbegründung zum Grundrentengesetz ergibt sich eindeutig, dass die Grundrenten-EP im VA berücksichtigt werden sollen (BT-Drucks. 19/18473, 39, 44). Mit dem Gesetz vom 17.7.17 waren noch keine Regelungen beabsichtigt, die sich auf die (erst später geschaffene) Grundrente auswirken.

Der BGH hat klargestellt, dass der Verwaltungsaufwand, der für den betroffenen Versicherungsträger mit der jährlichen Einkommensfeststellung nach § 97a SGB VI verbunden ist, es rechtfertigen kann, gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich der Grundrenten-EP abzusehen. Insofern gilt etwas anderes als für die übrigen EP. Deren Teilung verursacht i. d. R. keinen besonders hohen Verwaltungsaufwand. Deshalb ist dort – abgesehen von extremen Ausnahmefällen wirtschaftlich bedeutungsloser Anrechte (monatlicher Rentenwert unter 1 EUR, vgl. FK 17, 21) – kein Ausschluss des VA gerechtfertigt (BGH FK 12, 113).

Übersicht / Kriterien für das Ermessen nach § 18 Abs. 2 VersAusgLG

  • Zunächst sollte festgestellt werden, wie sich die beteiligten Ehegatten und der Versicherungsträger, der das Konto des Ausgleichsberechtigten führt (nur auf diesen kommt es an, BGH 12.6.24, XII ZB 496/22), positionieren. Treten sie einem Ausschluss des Ausgleichs nicht entgegen, muss das Gericht i. d. R. entsprechend entscheiden.
  • Hat sich der betroffene Versorgungsträger ausdrücklich dafür ausgesprochen, das Anrecht trotz seiner Geringfügigkeit auszugleichen, ist der Ausgleich i. d. R. durchzuführen. Denn in diesem Fall sind keine Gründe der Verwaltungseffizienz ersichtlich, die es rechtfertigen würden, vom Halbteilungsgrundsatz abzuweichen (BGH 10.1.24, XII ZB 389/22).
  • Ist der Ausgleichsberechtigte angesichts seiner Versorgungssituation auf den (zusätzlichen) Ausgleich des geringfügigen Anrechts dringend angewiesen, ist der Ausgleich durchzuführen (BGH 10.1.24, XII ZB 389/22).
  • Vertreten der Ausgleichsberechtigte und der betroffene Versorgungsträger verschiedene Positionen, ist das Interesse des Ausgleichsberechtigten am Erwerb eines zusätzlichen geringen Anrechts gegen das Interesse des Versorgungsträgers daran, Verwaltungsaufwand zu vermeiden, abzuwägen. Je näher der Ausgleichswert der Grundrenten-EP der Bagatellgrenze kommt, umso eher kommt ein Ausgleich des Anrechts in Betracht.

AUSGABE: FK 1/2025, S. 12 · ID: 50167705

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