FeedbackAbschluss-Umfrage

ErbrechtErbschleicherei in der Familie: Das ist zu tun

Abo-Inhalt16.12.2024653 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Wolfgang Böh, FA Erbrecht und FA Steuerrecht, München

| Die Beitragsserie befasst sich mit Erbschleicherei. In Teil 1 haben wir betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen aufgezeigt, um Erbschleicherei zu verhindern. Teil 2 informiert Sie über lebzeitige rechtsgeschäftliche Maßnahmen. Teil 3 befasst sich mit flankierenden Möglichkeiten, um einer Erbschleicherei vorzubeugen. Teil 4 erläutert prozessuale Wege. Teil 5 erläutert, wie man persönlich gegen Erbschleicher vorgehen kann. Teil 6 behandelt Erbschleicherei in der Familie. Dazu im Einzelnen: |

1. Kind als Erbschleicher

Die Praxis im Kampf gegen Erbschleicherei offenbart eine Fülle an Konstellationen, in denen sich Kinder als Erbschleicher gegenüber ihren Eltern profilieren, z. B. zum Nachteil der Geschwister, anderer Verwandter (dem Patenkind u. a.) oder dem verbleibenden Elternteil. Typische Sachverhalte sind

  • der Missbrauch einer eingeräumten Vorsorgevollmacht,
  • das Erzielen tatsächlicher wirtschaftlicher Vorteile (kostenfreies Wohnen im Elternhaus),
  • die rechtswidrige Entnahme von Vermögensgegenständen (Kunst, Schmuck),
  • ein „Sich-Schenken-Lassen“ werthaltigen Vermögens (Geld, Gesellschaftsanteil, Immobilie),
  • der Erhalt einer nicht bestehenden Rechtsposition (fingierte Darlehensforderung zugunsten des Kindes) und
  • Vorteile aufgrund einer testamentarischen oder erbvertraglichen Regelung.

2. Elternteil als Erbschleicher bei minderjährigen Kindern

Ungewöhnlicher, aber immer wiederkehrend sind dagegen Fälle, in denen ein Elternteil gegenüber dem Kind Erbschleicher-Maßnahmen vollzieht:

  • Das Kind ist minderjährig und der erbschleichende Elternteil übt das Sorgerecht aus.
  • Das (erwachsene) Kind ist behindert und dieser Elternteil ist zum Dauertestamentsvollstrecker bestellt.

In allen Fällen hat der Elternteil Zugriff auf das Vermögen des Kindes.

Merke | Auch erwachsene Kinder können betroffen sein, z. B. wenn es nach einem gesundheitlichen Vorfall oder einem Unfall betreuungsbedürftig wird und der Elternteil zum gesetzlichen Betreuer bestellt oder über eine Vorsorgevollmacht berechtigt ist. Bei volljährigen Kinder gibt es aber eine stärkere gerichtliche Kontrollmöglichkeit (im Rahmen von Dauertestamentsvollstreckung über § 2227 BGB, einer gesetzlichen Betreuung und Vorsorgevollmacht mittels der Anregung Außenstehender hin zu einem Betreuerwechsel bzw. der Einrichtung einer Gegen- bzw. Kontrollbetreuung).

Folgende Erbschleicherei prägende Entscheidungen drohen dem minderjährigen Kind vonseiten des Elternteils, vorausgesetzt, dieser Elternteil ist allein sorgeberechtigt:

Beispiel

Die Eltern haben ein minderjähriges Kind K und sind geschieden. K lebt bei der Mutter M. Der Kindesvater V ist Eigentümer einer Immobilie, in der er lebt. Er verfügt über ein sechsstelliges liquides Vermögen sowie über bewegliches Vermögen. V stirbt und hinterlässt lediglich K als gesetzlichen Erben (da sonst keine Verwandtschaft im Rahmen der erbrechtlich relevanten Ordnungen existiert). K wird Alleinerbe und damit erhält die M Zugriff auf das Vermögen des V.

  • Übernahme, Verwaltung und Verwertung von Vermögensgegenständen bzw. Vermögenswerten,
  • Entscheidung über Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft,
  • Entscheidung über die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.

Wie nahe sinnvolle Entscheidungen und Erbschleicherei liegen können, belegt die Frage bezüglich der Übernahme des Familienheims mit Blick auf § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG: Zieht die M mit K (dem Alleinerben) in das Familienheim, bleibt dieser Vermögensanfall unter bestimmten Voraussetzungen erbschaftsteuerfrei (zumal der weitere sachliche Freibetrag i. H. v. 400.000 EUR für den weiteren Nachlass verwendet werden kann). In diesem Fall erhält aber die M einen Wohnvorteil, wenn sie dem K keine Nutzungsentschädigung bezahlt. Dies kann der Anfang für eine weitere Vermögensschädigung sein, z. B. wenn sie beweglichen Nachlass nutzt oder verwertet oder sogar verbraucht. Bei einem Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht der Eltern gem. § 1642 BGB hat das Kind einen Schadenersatzanspruch aus § 1664 BGB und ggf. gem. § 823 Abs. 1 BGB i. v. m. § 266 StGB (vgl. OLG Celle 30.8.17 – BeckRS 2017, 138756).

Praxistipp | Vor dieser Konstellation kann der Vater sein Kind schützen, indem er im Rahmen einer Testamentsgestaltung den Zugriff der Mutter auf den Nachlass verhindert. Probates Mittel ist eine Dauertestamentsvollstreckung durch einen (neutralen) Dritten, der das zu erbende Vermögen für das minderjährige Kind (mindestens) bis zur Volljährigkeit verwaltet und schützt. Diese in einem Testament einfach umzusetzende Regelung wird häufig übersehen, ist aber nicht nur als Schutz vor einer Erbschleicherei des Elternteils bedeutsam, sondern auch generell bei der Erbfolge eines Minderjährigen wichtig.

Musterformulierung / Dauertestamentsvollstreckung

Ich ordne für den Erben [… das minderjährige Kind …] Dauertestamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich [… eine neutrale Person, um den anderen Elternteil auszuschließen …]. Der Testamentsvollstrecker hat das Recht, einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen. Geschieht dies nicht und tritt der Testamentsvollstrecker sein Amt nicht an, bestimmt der Präsident des für meinen Erbfall örtlich zuständigen Amtsgerichts einen Dauertestamentsvollstrecker. Die Dauertestamentsvollstreckung endet, wenn der Erbe [… 18 Jahre oder ein späteres Alter zu wählen …] wird.

AUSGABE: FK 1/2025, S. 17 · ID: 50197441

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte